Landestheater Dinkelsbühl iüberzeugt mit »Gut gegen Nordwind«
Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Daniel Glattauer präsentierte das Landestheater Dinkelsbühl das Theaterstück »Gut gegen Nordwind« in der Günter-Bimmerle-Halle. In dem Stück um eine E-Mail-Liebesbeziehung offenbarten sich Sehnsüchte, Tagträume und der Wunsch nach Flucht aus dem Alltag.
Es fing eigentlich ganz banal an. Emmi Rothner alias Monika Reithofer wollte ihr »Like-Abo« kündigen. Aufgrund eines Tippfehlers landete die Mail aber bei Leo Leike (Bernd Berleb). Durch dieses Versehen entstand ein E-Mail- Wortwechsel zwischen den beiden, der anfänglich noch eher distanziert und oberflächlich, später aber immer intimer und sehnsuchtsvoller wurde und schließlich zu einer fast ausweglosen Situation führte.
»Ich liebe Massen-Mails«, kommentierte Leo Leike ironisch, als er nach einiger Zeit von Emmi Rothner Weihnachtsgrüße gesendet bekam. Emmi hatte wieder einmal, wie bereits anfangs, Buchstaben verwechselt und die Mail an Leike versendet. Der vermutete hinter der Schreiberin eine schnelle und quirlige Person; seine Erkenntnis basierte auf seiner Forschung in Bezug auf Sprache. Leo Leike offenbarte sich nämlich als Wissenschaftler, der den Einfluss der E-Mails auf das Sprachverhalten untersuchte. War es anfangs noch Geplänkel, wurden die Mails zusehends persönlicher. Fragen wurden gestellt, manche Antworten gegeben.
Die beiden Schauspieler verstanden es wunderbar, hier Spannung aufzubauen. Ihre Sprache war klar und sehr gut artikuliert. Leichtfüßig spazierte Monika Reithofer als Emmi über die Bühne, ließ sich über ihre Vorliebe für Rotwein und Schlafgewohnheiten aus und zeigte auch schon einmal erste Eifersüchteleien, als Leo alias Bernd Berleb von seiner Exfreundin Marlene berichtete. Berleb spielte hier einen Mann, zerrissen zwischen Vernunft, die im sagte, dass der E-Mail-Wechsel mit Emmi keine Zukunft habe, zumal die verheiratet und zwei Kinder hatte, und dem Wunsch seine Schreibpartnerin kennenzulernen.
Die Besucher wurden hineingezogen in einen Sog aus Wünschen und Sehnsüchten, Träumen und der Erkenntnis des Realitätsverlusts. So formulierte Emmi unter anderem, um die Wichtigkeit dieses E-Mail-Wechsels für sie zu zeigen: »Leo, Sie sind fantastisch gegen Nordwind.« Gerade diese Windströmung ließ sie nämlich immer wieder schlaflose Nächte haben.
Man fühlte sich hinein in die Betroffenen, durfte, konnte mitfühlen, ließ sich mitreißen, litt mit den beiden Personen, die ein imaginäres Liebesverhältnis hatten und keinen Ausweg fanden. Immer wieder wurde sowohl von Emmi als auch von Leo der Wunsch nach einem Treffen, einem Kennenlernen laut, doch hier siegte die Angst vor Enttäuschung und den Konsequenzen. Fantastisch wie die beiden Schauspieler den Spagat zwischen Leichtigkeit, Amüsement und Ernsthaftigkeit schafften, mit dem sie in der Parallelwelt verweilten. Deutlich wurde hier auch die Kraft der Sprache, die man an Aussagen wie: »Ich habe mich in Ihre Wörter verliebt« erkannte.
Unerreichbar für Emmi
Die einzelnen Szenen des Theaterstücks wurden immer wieder durch Musik und Lichteffekte eingeläutet und schafften so zusätzliche Spannung. Beeindruckend war der umfangreiche Text des Stückes, der von den Schauspielern in vier Wochen erlernt werden musste. Beide wirkten aber nicht nur sehr textsicher, sondern gaben den Worten durch ihre Stimmlagen, ihre Ausdrucksweise und ihre Gesten zusätzliches Gewicht.
Das Ende der Liebesgeschichte kam nicht ganz unerwartet. Emmis Mann hatte eine Mail an Leo geschrieben, er möge Emmi doch endlich treffen, mit ihr eine Nacht verbringen, damit dieser für alle Beteiligten traumatische Wahnsinn endlich aufhören könne. Nach weiteren vergeblichen Versuchen der Beiden sich außerhalb dieser Fantasiewelt zu treffen, löscht Leo seinen Account und wird für Emmi so unerreichbar.