Achern / Oberkirch
Im ärmsten Viertel von Santiago de Chile
Michaela Gabriel
31. Mai 2008
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Einfache Unterkunft, ein kaputter Wasserboiler und 30 kleine Kinder aus ärmsten Verhältnissen – so sieht der Alltag von Julia Kist in der »Población Renca« aus. Im ärmsten Viertel von Santiago de Chile leistet die 20-Jährige aus Lauf einen einjährigen Freiwilligendienst.
Lauf/Santiago de Chile (mg). Die ersten drei Monate vergingen für sie wie im Flug, wie die 20-Jährige jetzt aus Südamerika berichtet. »Der vierwöchige Sprachkurs war eine gute Zeit, unsere neue Heimat kennen zu lernen und die ersten Begegnungen mit einer neuen Kultur zu erleben«, schrieb sie gerade an ihr Elternhaus.
Die Ankunft und Begrüßung durch die Vertreter der deutschen Hilfsorganisation Amntena vor Ort sei sehr herzlich und »ziemlich überwältigend« gewesen. Inzwischen habe sie sich an ihrem Arbeitsplatz in einem großen Kindergarten der Organisation eingelebt und hilft dort, wo sie kann: Sie verteilt die Mahlzeiten und hilft den Kleinsten beim Essen, sie singt, spielt und bastelt mit den Kindern, macht ihre Betten und putzt am Abend noch, wenn die Kleinen nach Hause gegangen sind.
»Es sind zwar keine weltbewegenden Dinge, aber sie erleichtern die Arbeit der Erzieherinnen und es bleibt mehr Zeit für die Kinder. Diese kommen meist aus Familien, in denen Spielen, Lesen oder Toben nicht groß geschrieben wird«, so Julia Kist.
Die ehemalige Lender-Schülerin lernte schon am Gymnasium Spanisch und ist mit ihren Sprachkenntnissen gut vorangekommen. Trotzdem ist sie dankbar, dass ihre Ansprechpartner von der Organisation Fundación Cristo Vive vor Ort aus Deutschland und der Schweiz kommen. »Da gibt es keine sprachlichen Missverständnisse«, schreibt sie.
Obwohl man sie im Vorfeld darauf vorbereitet hatte, dass vor Ort keine deutschen Maßstäbe angelegt werden dürfen, war der strikte Tagesablauf in der Tagesstätte für bis zu 160 Kinder für sie gewöhnungsbedürftig. In ihrer Gruppe haben rund 30 Zwei- und Dreijährige festgelegte Essens- und Schlafzeiten.
Abends unsicher gefühlt
Die Armut der Menschen sei auf den Straßen des Viertels deutlich zu sehen, berichtet die junge Frau weiter. Sie habe sich daran gewöhnen müssen, dass sie als »gringo« nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit unterwegs sein kann. »Zu Beginn fühlte ich mich abends meistens sehr ängstlich und unsicher auf den Straßen. Doch mittlerweile kenne ich unsere Nachbarn und weiß, wo ich mich aufhalten kann und wo nicht«, schreibt sie und beruhigt damit ihre Mutter.
Gabriel Gruhle-Kist aus Lauf war selbst einige Jahre in der Entwicklungshilfe tätig: »Ich hatte viel Spaß beim Lesen ihres ersten Berichts und bin stolze Mama«, sagt sie zu dem ausführlichen Brief, der sie jetzt erreichte.