In Achern führte er die SPD als Vorsitzender zu Glanzzeiten
Karl Fischer feiert am Montag, 20. Januar, seinen 95. Geburtstag. Der Träger des Bundesverdienstkreuzes, der Landesehrennadel und Willy-Brandt-Medaille hat sich um die Acherner Kommunalpolitik in höchstem Maße verdient gemacht.
Karl Fischer ist ein Grandseigneur. Seine Beliebtheit verdankt er nicht zuletzt seinem bescheidenen Auftreten, mit dem er sich weit über Achern hinaus viele Freunde machte. Geboren am 20. Januar 1925 in Frankfurt, zog die Familie wenig später nach Achern. Hier besuchte Fischer den katholischen Kindergarten („der war damals eher eine Aufbewahrungsanstalt“), die Acherner Grundschule und das Gymnasium.
Nach der höheren Handelsschule absolvierte er von 1941 bis 1943 eine kaufmännische Lehre beim Überlandwerk. Im „musischen Dreibubenhaus“ der Fischers war Musik Trumpf: „Mein Vater legte Wert auf eine gediegene musikalische Ausbildung.“ Bei Alois Kern, Acherns legendärem Musikdirektor, erhielt Karl Fischer Geigen- und Trompetenunterricht. 1940 wurde er aktives Mitglied der Stadtkapelle und verstärkte ab 1942 den Chor der Liedertafel.
Granatsplitter traf ihn
Ein Jahr später rief die Wehrmacht zu den Waffen. Fischer wurde bei der Luftnachrichtentruppe in Nordhausen zum Bordfunkgeräte-Mechaniker geschult. Sein Einsatz an der Ostfront bei einer hinter Minsk agierenden Nachtjagdstaffel verlief glimpflich. Schon bald musste sich die Einheit vor den Russen zurückziehen. Mit viel Glück kam Fischer bis ins Saarland, wo er von einem amerikanischen Granatsplitter getroffen wurde. Die nach der Operation verbliebene kleine Narbe ist noch heute zu sehen.
Im März 1945 musste Fischer zurück zur Front. Ende April war für ihn der Krieg vorbei. Bis Ende 1947 kam er in französische Gefangenschaft. Im Lager von Bourges gab es für ihn keinen Grund zum Klagen. Fischer arbeitete im Büro, gründete einen Gefangenenchor, dem er als Dirigent vorstand, und eine kleine Kapelle. Für das Notenmaterial sorgte die Acherner Liedertafel.
Gerne erinnert sich Fischer an einem fünfwöchigen Lehrgang in Lyon. Dort konnte er erste Erfahrungen mit der erwachenden Demokratiebewegung sammeln. Hochschullehrer, Professoren und die Vertreter der sich im Aufbau befindlichen CDU und SPD diskutierten mit den Gefangenendeputierten.
Nach seiner Entlassung kehrte Fischer nach Achern zurück. Neben seiner Arbeit in der Weinhandlung Adolf Huber, hier war sein Vater Adam Fischer als Prokurist tätig, frönte Fischer erneut seiner großen Leidenschaft, der Musik. Mit einer Leihtrompete, die alte war requiriert worden, spielte er bei den Hobbybands die „Neun Bobbys“, und den 1948 gegründeten „Hot Seven“.
Beim 1949’er Fasnachtsball, einem Kostümfest als „Jahrmarkt in Krachern“, verliebte sich Fischer. Im Oktober 1950 läuteten die Hochzeitsglocken. Bis zu Liselotte Fischers Tod vor zwei Jahren lebte das Ehepaar in trauter Zweisamkeit. 1975 übernahm Karl Fischer die Acherner Weinhandlung Berger und machte sich als Weinhändler selbstständig, bis er den gut florierenden Betrieb 1992 verkaufte und in Ruhestand ging.
In der GVP begann es
Die politische Laufbahn Fischers begann in der Gesamtdeutschen Volkspartei (GVP), für die er 1956 kandidierte. Dort begegnete er Gustav Heinemann, der später wie viele andere Polit-Promis in Fischers Haus logierte, und setzte sich mit ihm für die Neutralität Gesamtdeutschlands und den Verzicht auf die Wiederbewaffnung ein. Nach der Auflösung der GVP wurde Fischer SPD-Mitglied. Von 1958 bis 1989 vertrat er die Partei im Stadtrat und wirkte bis 1981 als höchst erfolgreicher Ortsvorsitzender. Unter ihm verzeichnete die Acherner SPD ein „Traumergebnis“ von rund 30 Prozent der Wählerstimmen.
Für die von ihm organisierten Veranstaltungen, zu denen das 1974 gegründete Stockfischessen des politischen Aschermittwochs zählte, knüpfte er den Kontakt zu herausragenden Referenten. 1990 forderte zum Beispiel Herta Däubler-Gmelin in Achern, den „Bau benzinsparender Autos“und ein „Umsteuern der Umweltpolitik“. 1993 verurteilte Hans-Jochen Vogel die Absicht der Koalition, Sozialleistungen einzusparen.
Willy Brandt in Achern
Auch Willy Brandt sprach am 11. März 1981 zur 75-Jährigen des Ortsvereins. Dank seiner sympathischen, direkten Art schaffte es Fischer auch, Nobelpreisträger Günter Grass nach Achern zu holen.
An die Blütezeit des Acherner SPD-Ortsvereins denkt Fischer mit viel Freude zurück und nimmt mit der Lektüre des „Vorwärts“ und der Lokalzeitung weiterhin regen Anteil am politischen Geschehen.
Der agile Jubilar versorgt sich selber, kocht täglich, gärtnert gerne und sauniert wöchentlich mit Freunden im Badehaus Jenne. Der Ehrenvorsitzende der Acherner Liefertafel, die er über viele Jahre leitete, versäumt selten eine Probe und ist aktiv bei den Auftritten des Chors dabei.
Karl Fischer feiert im Kreis der Angehörigen im Landhaus Illenau. Zum Fest wird seine Tochter Andrea und Sohn Hans-Joachim mit ihren Familien, zu denen vier Enkel und drei Urenkel zählen, und sein 88-jähriger Bruder erwartet.