Kein Denkmal in Achern für die Revolutionäre Badens

(Bild 1/2) Kritische Anmerkungen machte Wolfgang M. Gall zum Leopolds-Denkmal in Achern. ⇒Foto: Andreas Cibis ©Andreas Cibis
Nachdem Rainer Schimpf auf Einladung des Historischen Vereins Achern und des Forums Illenau vor einigen Wochen über die Bedeutung der Revolutionsversammlungen 1848 in Achern informiert und deutlich gemacht hatte, dass hier zusammen mit Offenburg, Renchen und Oberkirch die „Herzkammern“ der Badischen Revolution waren, stand am Donnerstagabend im Vortragsraum der Illenau-Werkstätten ein zweiter „Revolutions-Abend“ auf dem Programm. Wolfgang M. Gall, viele Jahre Präsident des Historischen Vereins Mittelbaden, ging unter der Fragestellung „Wer verstand sich als Erbe von 1848/49?“ auf die umkämpften Erinnerungen an die demokratische Revolution ein und zeigte auf, dass gerade die vielen Facetten der revolutionären Ereignisse zahlreiche „Interpretationsbrüche“ erlebte und damit eine einheitliche Tradition verhinderte.
Michael Karle, Vorsitzender des Historischen Vereins, stellte Wolfgang M. Gall als ausgezeichneten Kenner der Offenburger Lokalgeschichte und Verfasser zahlreicher Beiträge zur Ortenauer Kultur- und Sozialgeschichte vor. „Die Revolution 1848/49 war ein bedeutender Meilenstein in der deutschen Demokratiegeschichte“, betonte der Referent eingangs und wies darauf hin, dass dennoch in vielen Städten Südbadens weder Straßennamen noch Denkmäler an dieses wichtige Ereignis erinnern. Stattdessen gebe es in Achern ein Denkmal für Großherzog Leopold, der die demokratischen Bestrebungen bekämpfte.
Wolfgang Gall führt auch die Konfliktlinien in der Erinnerung an die Revolution auf im Hinblick darauf, wer sich als Erbe von 1848/49 verstand und inwieweit politische Umbrüche wie zum Beispiel die Reichsgründung von 1871 oder auch die Einstellung von Parteien zu verschiedenen Zeiten die Bewertung der zurückliegenden revolutionären Ereignisse beeinflussten. So stand beim 25-jährigen Gedenken an die Revolution bei den Nationalliberalen unter dem Eindruck der Reichsgründung die Realisierung der Einheit im Vordergrund, bei Linksliberalen und Sozialdemokraten wurden dagegen die fehlenden Freiheitsrechte kritisiert, entsprechend unterschiedlich sah die Gestaltung von Jubiläumsfeiern in Berlin und Frankfurt, Rastatt und Offenburg aus. Ähnlich unterschiedlich waren die Gedenkfeiern um 1922, diesmal unter den Aspekten von der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und der Weimarer Verfassung.
Ergänzende Ausführungen des Referenten galten der Erinnerungskultur um die März-Gefallenen und um die Frage, wie das Wissen um die Kämpfe der demokratischen Revolutionärinnen und Revolutionäre an die nachfolgenden Generationen weitergegeben wurde.
Dabei stellte Wolfgang M. Gall die Erinnerungen der männlichen Demokraten, die großteils in Exil flohen, den Positionen der Frauen gegenüber, die sich in Frauenvereinen organisierten, sich vereinzelt an den Barrikadenkämpfen beteiligten, ihren Prinzipien treu blieben und es durch ihren Verbleib in der Heimat deutlich schwerer hatten als ihre Männer im Exil.
Denkmal verhüllt
Auf das spannende Referat folgte eine ebenso facettenreiche Diskussion. Die Aktion der Bürgerliste, die Huldigung Großherzog Leopolds durch eine Verhüllung seines Denkmals zu konterkarieren, kam ebenso zur Sprache wie die offensichtlich nicht vorhandene Bereitschaft der Stadt, eine Gedenktafel mit den Namen der im Jahr 1849 standrechtlich erschossenen Revolutionäre aufzustellen.
Ein Denkmal soll Ansporn sein nachzudenken, so der abschließende Impuls eines Besuchers – und genau darum gehe es, so Gall, um die stetige Erinnerung daran, dass die Demokratie kein Selbstläufer ist, sondern stetig neu erkämpft werden muss.