Kritik am Rheinauer »Kiesrausch«
Mit ihrem »Positionspapier Maiwaldwiesen« sprechen sich mehrere Naturschutzverbände gegen die Rheinauer Kiesabbaupolitik aus. Sie kritisieren beim geplanten Baggersee in den Maiwaldwiesen sowohl die laufende politische Diskussion als auch gravierende inhaltliche Mängel – etwa bei der Ökopunkte-Verrechnung.
»Wir machen keine Hetzkampagne, sondern betreiben Aufklärung im guten Sinn«, erklärte Peter Huber, Alt-Stadtrat (ABL) im Acherner Gemeinderat und Sprecher des Landesnaturschutzverbands (LNV) Baden-Württemberg für den Bereich Achern und Achertal, am Donnerstag in einem Pressegespräch. Er und sein Mitstreiter Joachim Thomas, LNV-Sprecher für Kehl, Rheinau und Willstätt, stellten dabei das »Positionspapier Maiwaldwiesen« vor, das auf Kreisebene neben dem LNV vom Naturschutzbund (Nabu), dem Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) sowie dem Verein Amphibien/Reptilien-Biotopschutz Baden-Württemberg getragen wird. Das Papier sei ein Angebot für einen »offenen und fairen Gedankenaustausch«.
»Unverhältnismäßig«
Peter Huber und Joachim Thomas beklagen zum einen ganz allgemein den ungebremsten Flächenfraß. So stünden im Fortschreibungsentwurf des Regionalplans im Ortenaukreis 27 Neuaufschlüsse beziehungsweise Erweiterungen von bestehenden Baggerseen mit einer Gesamtfläche von rund 550 Hektar. Zum Vergleich: Der Landkreis Emmendingen komme auf sieben Vorhaben mit rund 143 Hektar und der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald auf zehn mit 314 Hektar. Man sei nicht grundsätzlich gegen den Kiesabbau, wohl aber gegen den Export des Rohstoffs aus der Region. Die vier Rheinauer Baggerseen in Freistett, Diersheim, Honau und Helmlingen könnten mit den bereits genehmigten Erweiterungen beziehungsweise Vertiefungen noch viele Jahre Kies fördern, so dass Neuaufschlüsse unnötig seien.
Mit Blick auf die zusätzlich geplanten Baggerseen in den Maiwaldwiesen (Freistett) und im Gayling (Helmlingen) sieht Huber die Rheinauer Stadtverwaltung in einem wahren »Kiesrausch«. »Es entsteht der Eindruck, es wird auf Teufel komm raus abgebaut«, ergänzt Thomas. Damit entziehe man späteren Generationen die Grundlage für Kies-Einnahmen. Weil die Stadt Rheinau keine Zahlen auf den Tisch lege, wie viel die Kiespacht pro Tonne betrage, sei auch nicht nachvollziehbar, inwieweit Rheinau de facto davon profitiere, so Huber, der hier einen »ruinösen Wettbewerb unter den Kieswerkbetreibern« sieht. Der geplante Baggersee im Maiwald werde Schritt für Schritt auf 40 Hektar vergrößert, wenngleich derzeit in der Öffentlichkeit nur von zehn Hektar gesprochen werde.
Zum anderen ist den Naturschützern die aus ihrer Sicht »völlig irrsinnige« Ökopunkte-Verrechnung ein Dorn im Auge. Wie könne es sein, dass die Firma Vogel-Bau, Lahr, als künftiger Betreiber des neuen Baggersees im Maiwald rund 800 000 Ökopunkte für die irreversible Umwandlung von Ackerböden in eine Wasserfläche erhalte, »die dann dem Verursacher zur weiteren Verwertung als Sparbüchse zwecks Kompensation künftiger Natur- und Bodenzerstörung oder gar als Einnahmequelle im Ökopunktehandel zur Verfügung steht«, heißt es in dem Positionspapier. Dabei sei das Gesamtgewann Maiwaldwiesen (Konzessionsfläche plus zukünftige Erweiterungsfläche) bereits innerhalb weniger Jahre von einem großen FFH-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat) mit Brachvogelwiesen und weitläufigem Grabensystemen »dem Schutzzweck völlig entgegenstehend, zweckorientiert zu Ackerflächen umgebrochen« worden.
Fehlende Ausstattung
Huber kritisiert in diesem Zusammenhang die Politik, dass sie die Umweltbehörden, etwa die Untere Naturschutzbehörde des Landratsamtes Ortenaukreis, völlig überfrachte, so dass diese ihre Kontrolle, etwa mit Blick auf von Kieswerkbetreibern umzusetzende ökologische Ausgleichmaßnahmen nicht ausreichend kontrollieren könne.
»Wir werden das nicht verhindern«, gibt sich Huber realistisch mit Blick auf den geplanten Baggersee in den Maiwaldwiesen, »aber wir werden das nicht akzeptieren, weil die Gesamtplanung fehlt«. Optimistischer ist er, einen Abbau im Gayling verhindern zu können, ist dieses Gewann doch großteils von Naturschutzgebieten umgeben.
Forderungen
Die »Initiative Maiwaldwiesen« fordert eine Gesamtdarstellung der Kies-/Sandgewinnung auf den A-/B-Flächen im Maiwald in der räumlichen und zeitlichen Aufeinanderfolge bis zum absehbaren Endzustand. Zudem beantragt sie die Erarbeitung eines landschaftspflegerischen Begleitplans, in dem die raumplanerische Darstellung der Fortschreibung im Regionalplanentwurf für die Maiwaldwiesen als Trittstein im Biotopverbund enthalten ist.
Die Ökopunkteberechnung »mit all ihren Unwägbarkeiten im Inhalt, im Zeithorizont, in den Kontrollprozessen und in den Kompensationsübertragungen« soll aufgehoben werden, heißt es in dem Papier. Auf behördlicher Ebene solle ein Eingriffskataster in Form einer Datenbank eingerichtet werden, in der alle Eingriffe in die Schutzgebiete erfasst werden. An den Regionalverband wird die »dringende Bitte« gerichtet, im weiteren Fortschreibungsverfahren lokale Egoismen« abzuwehren und den klaren Willen zur Flächenschonung und Freiraumgestaltung im Planwerk wirksam werden zu lassen.
Die Initiative fordert den Antragsteller des Kiesabbaus nebst Gutachter und die Stadt Rheinau zu einer öffentlichen, neutral moderierten Podiumsdiskussion mit Vertretern der Naturschutzgruppen auf, in der im Sinne einer Stärkung der Bürgerbeteiligung im Umweltbereich ein Zeichen gesetzt werden soll.