Landwirte aus dem Raum Achern beklagen zu viel Regen
Neue Erkenntnisse aus einem Jahr voller Unberechenbarkeiten sind der Landwirtschaft aufgegeben. Klares Handlungswissen ist aber Mangelware. Zuweilen landet man wieder bei Erfahrungen der Altvorderen.
„In einem trockenen Jahr ist noch kein Bauer kaputt gegangen, in nassen Jahren jedoch schon viele“, sagt Edmund Schindler. Der langjährige Beobachter für den Deutschen Wetterdienst weiß, dass die Regenmenge seit Oktober 2023 bei etwa 120 Prozent des langjährigen Mittels liegt.
Seit zehn Monaten
„Wir haben seit zehn Monaten immer überdurchschnittlichen Regen, keine Woche war regenfrei“, bestätigt Volker Heitz vom Landwirtschaftsamt in Offenburg. Was gut für die Quellen ist, tut auch den Schnecken gut. Aber im Übermaß macht das viele Nass sowohl bei der Aussaat wie bei weiteren Feldarbeiten gewaltige Schwierigkeiten.
Durchweg durch alle Kulturen sieht Heitz Probleme bezüglich Menge und Qualität und oft Erkrankungen. Das sei keinesfalls gut, um die bis 2030 angestrebte 40 bis 50-prozentige Reduktion des Einsatzes chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel zu erreichen.
Rudolf Schindler, Landwirt und Mähdrescherunternehmer, erlebt die Äcker seines Heimatdorfs insbesondere in der Erntezeit. Ganz eigene Erfahrungen hat er auch mit dem Anbau von Kürbissen. „Die Schnecken haben mir die jungen Pflanzen reihenweise gefressen. Das gab es noch nicht.“ Er musste nachpflanzen. Für einzelne Arbeitsgänge waren kürzeste Zeitfenster vorhanden. Und aufgrund der nassen, verhärteten, verschlammten Situation konnten Jungpflanzen weder an- noch aufwachsen.
Vielfach steht das Heu noch auf den Wiesen. Die trockenen Perioden waren zu kurz und die „schwarzen Wolken über Wagshurst“ viel zu häufig. Karl Philipp Baumert, Landwirt und Biogasbetreiber aus dem Maiwald, führt sarkastisch an, dass selbst die Rindviecher vor dem „stinkenden Futter“ ihre Köpfe schütteln.
Zu kleine Körner
Momentan hofft mancher Landwirt noch, dass der Mais (14 Tage Verspätung) besser ausgibt als der Weizen. Wegen der zu kleinen Körner landet der Weizen heuer meist in den Futtermitteln. Der Mais, oft auch als Brotfrucht der hiesigen Landwirte bezeichnet, bräuchte für den Endspurt einen trockenen Restsommer. „Mit einer schwarzen Null müssten wir wohl schon zufrieden sein“, so Schindler im Blick aufs Endergebnis.
Amtlich bestätigt Volker Heitz, dass der Mais auch im verrückten Jahr 2024 die Spitzenposition in der Ortenau einnimmt. Danach folgt der Weizen, auf Platz drei landet die Sojabohne. „Die hat sich gut etabliert.“
Was lernen die Landwirte aus 2024? Ohne guten Pflanzenschutz wird perspektivisch wenig zu ernten sein. Der chemische Schutz muss zielgerichtet und umweltverträglich erfolgen, bestätigt Volker Heitz. Das Versuchsfeld des Kreises in Orschweier hat Zahlen geliefert, die auch die Wirtschaftlichkeit des Pflanzenschutzes bestätigen.
In der Feldbearbeitung müssen die kleinen Zeitfenster genutzt werden. „Sich aufregen hilft nicht“, sagt Rudolf Schindler.
2024 müsse man abhaken und neu starten. „Wir wollen das Wetter ja nicht selbst machen, aber 14 Tage vorher Bescheid wissen, wäre schon sehr hilfreich.“ Der Humor ist dem leidenschaftlichen Landwirt geblieben.
Meinungen zweier Landwirte
Biobauer Rainer Ganter ergänzt das „gewaltige Elend“ der Kartoffeln. „Sie lagen permanent im Wasser, der Pilzdruck ist wahnsinnig.“ Die Sojabohnen stehen im Vergleich gut auf dem Feld. Auch Dinkel zählt er zu den weniger anspruchsvollen Getreidearten. Eindeutige Verlierer sind bei ihm Weizen, Kartoffeln und Hafer.
Obst- und Weinbauer Adolf Karcher (Oberachern) denkt an die Kirschenernte zurück. „Das war eine Schmiererei ohne Ende.“ Aufgrund der Nässe seien die Arbeiten kaum noch planbar gewesen. Zudem herrschten Idealbedingungen für die gefürchtete Kirschessigfliege. „In solchen Jahren wie jetzt sind früher Hungersnöte entstanden.“ Gut getan hätte das viele Wasser den Heidelbeeren. Die Zwetschgen seien einigermaßen davongekommen. Allerdings fänden sie trotz guter Qualität aufgrund der niedrigen Marktpreise jetzt oft den Weg ins Brennfass. Besonders krass sieht Karcher die Situation der Reben. „Der Pilzdruck war ganz enorm. Dem falschen Mehltau sind die Winzer kaum noch Herr geworden.“ ⇒mk