Lebensfreude der 20er Jahre mit den Parkettschmeichlern
Dem Acherner Tivoli wurde am Sonntagabend eine neue Rolle zuteil. Sie passte zu diesem Saal, dessen Bühne von dicken Vorhängen eingerahmt ist und einem ganzen Orchester Platz bietet. Die Parkettschmeichler waren zu Gast.
16 versierte Musiker, darunter eine Dame, gaben am Sonntag im Tivoli das Bild einer längst vergangenen Zeit voller Eleganz und Contenance ab. Zumindest so lange man sich auf das Auge verlässt, das hier gut gekleidete Mannen in weißen Hemden und ebensolchen Sakkos zeigte, eine schwarzen Fliege nebst roter Nelke am Revers. Die Dame, Bettina Feigenbutz, überzeugte im champagnerfarbenen Charleston-Kleid mit Stirnband.
Die Instrumente wurden durchweg virtuos bedient und Tenorsänger Christian Bäuerle vervollständigte diesen Auftritt ganz wunderbar. Süffisant nennen sie sich die Parkettschmeichler und ganz sicher juckte es viele der Anwesenden zu Foxtrott, Swing oder Tango im ausverkauften Tivoli in den Beinen.
Schnell gewachsen
Ein Auftritt bei der Kappler Fasnacht war einst die Initialzündung gewesen, sagte der Leiter der Parkettschmeichler, Thomas Feigenbutz. Mit Musikern aus den umliegenden Vereinen hatte man bald ein Orchester zusammen, das Lieder der 20er und 30er arrangierte.
Also, Licht aus und Spot an, in diesem Fall eine Schwarzweiß-Fotografie auf der Kinoleinwand im Hintergrund. Elegant räkelt sich darauf eine Dame auf einem nietenbesetzten Lederdiwan. »Ich hab ein Diwan-Püppchen, süß und herzlich wie Du, genau wie Du.« Die Texte, man möge sie nicht vertiefen, gab Feigenbutz vor, sie würden wohl keine feministische Zensur überstehen. Nach dem Ersten Weltkrieg in unsteten Zeiten stand die Moral nicht im Fokus, wohl aber Lebensfreude im Augenblick.
Unbedarft scheinen die Lieder an der Oberfläche zu schwimmen und doch bergen sie spürbar eine große Sehnsucht in sich. Am besten die Augen schließen und sich tragen lassen von Christian Bäuerles Gesang, der die Donna Clara aufleben lässt, die Veronika und ihren Lenz, den Max, wenn er den Tango tanzt. Herrliche alte Lieder voller Widersprüche und Gemeinheiten, voller Liebreiz und Ironie.
Langsamer Walzer
»Ich tanze mit Dir in den Himmel hinein« wird kurzerhand zum langsamen Walzer für Bettina Feigenbutz und Christian Bäuerle. Ein Blick in die Zuschauerreihen lässt lächelnde Gesichter sehen von Menschen, die sich vielleicht selbst an ihre Vespa-Fahrt an der Amalfiküste erinnern, den Sonnenaufgang in Capri, oder die Frage beantworten: »Haben Sie schon mal im Dunkeln geküsst?«
Wunderbar führt Thomas Feigenbutz nicht nur sein Orchester, in dem jeder Einzelne seinen eigenen Auftritt haben darf. Er schafft einen herzerfrischenden Spagat zwischen den frivolen und romantischen Elementen. Das Publikum nahm dies gerne an.