Mädchen die Identität geraubt: SWR berichtet aus der Illenau
57 von der SS geraubte Mädchen aus Polen wurden einst in der Illenau festgehalten. Sie sollten später Kinder für Hitler gebären. Darüber berichtet der SWR in einem Beitrag für Instagram.
Halina aus Lodz wird 1942 in der Acherner Illenau ein „deutsches“ Mädchen mit dem Namen Helene. Der Namenswechsel ist nur ein Teil dessen, was Halina erleben und erleiden muss und von Olivia Mannßhardt in einem kleinen SWR-Film erzählt wird.
Olivia Mannßhardt ist seit Februar 2024 Mitarbeiterin des Stadtarchivs. Sie hat sich intensiv mit den Geschichten Halinas und der anderen Acherner „Ost-Mädchen“ befasst. Sie wurden im Zweiten Weltkrieg von der SS in Polen geraubt. 57 waren ab September 1942 in der Illenauer Schule bei Lehrerin Klara Keit. Die wegen arischer Merkmale ausgewählten Mädchen sollten später Kinder für Hitler und sein Reich gebären. Insgesamt wurden etwa 20.000 Kinder während des Zweiten Weltkriegs in Polen verschleppt.
Vor der Kamera
Am Mittwoch wurde ein Teil der Geschichte Halinas fürs Aufnahmeteam lebendig. „Meine Aufregung hat sich rasch gelegt“, sagt Olivia Mannßardt. „Die Leute vom SWR haben es gut gemacht. Die Drehs vor den Hauptgebäuden und vor dem ehemaligen Haus der unruhigen Männer, wo die Kinder untergebracht und eingeschlossen waren, waren sehr interessant“, fasst sie zusammen.
In den Wochen davor hatte sie die Geschichte der „geraubten Mädchen“ erforscht. Der Anruf vom SWR war am 1. Oktober gekommen. Im Format „My Hidden History“ werden Menschen unter 30 Jahren mit dem persönlichen Geschichtsthema gefilmt. Ein ganzer Tag wird am Originalschauplatz aufgenommen. Nach der Bearbeitung in Karlsruhe steht dann das sogenannte Reel für den Instagram-Kanal SWR-Kultur. Olivia Mannßhardt rückte Halina in den Mittelpunkt. Die war mit acht Jahren in Polen für die Eindeutschung ausgesucht und geraubt worden.
Die Eltern waren verstorben. Halina lebte bei den Großeltern und kam gegen den eigenen Willen und ohne Wissen der Großeltern und ohne jegliche Vorbereitung kahlgeschoren in die Illenau.
Vom ersten Tag an waren Kontakte nach Hause und die polnische Sprache bei Strafe verboten. Die Mädchen wurden unter anderem an sogenannten Heimatabenden politisch indoktriniert.
Lügen erzählt
Viel schlimmer war für das Mädchen sicher zu hören, dass ihre Familie tot sei. Dass das gelogen war, erfährt sie erst Jahre später. Nach der Schulzeit kommt Halina im Herbst 1943 auf einen Bauernhof in Oberachern zu einer „guten Familie“, dort geht sie dann auch zur Erstkommunion.
Nach dem Ende des Kriegs 1945 steht für Halina wie für fast alle anderen Kinder oder Jugendlichen der Rückweg nach Polen an. „In Lodz“, so Mannßhardt, „wurde sie als Nazi-Kind und als dumme Deutsche verschrien. In der Schule hat man sie wegen ihrer mangelhaften Polnischkenntnisse und des deutschen Akzents wieder separiert“.
Jahrelange Behandlungen waren unter anderem die Folge des doppelten Identitätsraubs. „Halina war in den 1990er Jahren noch einmal in Achern. Danach ist der Kontakt leider abgerissen.“