Ministranten erinnern sich an Lausbubengeschichten
Der Zufall führte in Kappelrodeck einstige Ministranten nach 50 Jahren wieder zusammen. Bei einem Treffen erinnerte man sich an alte Lausbubengeschichten.
»Ohne uns Messbuben hätte der Herr Pfarrer weder Wein noch Wasser bekommen.« Ein halbes Jahrhundert nach dieser Zeit als Ministranten im »Achertäler Dom« sprudelten bei einem Treffen im Gasthaus Warteck die Erinnerungen an diese »wunderschöne Zeit«, als Ministranten noch Lausbuben sein durften, im Osterfeuer ein China-Kracher los ging und in der Sakristei kräftig vom Messwein probiert wurde.
Rauchfaß-Akrobatik
»Der Fritzel hat gesagt, dass ich 50 Pfennige bekomme, wenn ich bei einem Hochamt das Rauchfass kreisen lasse«, erzählte Roland End, der auf diesen Deal mit Fritz »Fritzel« Müller einging und das unter Volldampf stehende Rauchfass im hohen Bogen kreisen ließ. »Damals stand der Pfarrer noch mit dem Rücken zum Altar, deshalb konnte er es nicht sehen«, so der Messbub von einst, der dann aber nach dem Gottesdienst vom Mesner an den Ohren gezupft wurde.
Ein Hauch von Feuerzangenbowle und Lausbubengeschichten aus alten »Kappler« Zeiten wurde lebendig, als die »Minis« von einst in gemütlicher Runde zusammen saßen und Erinnerungen austauschten. Wie jene, die aus heutiger Sicht unglaublich erscheint: So diente einer der Buben bereits in der Frühmesse am Sonntag, ging dann nach Hause und freute sich seines Lebens. Doch der »Herr Pfarrer« ging davon aus, dass der Junge nochmals um 10 Uhr ministrierte. Als er zehn Minuten vor Beginn immer noch nicht in der Sakristei erschienen war, machte sich der Pfarrer bereits festlich gekleidet im Messgewand »zum vermeintlichen Verweigerer«, klingelte an der Haustür und forderte von der Mutter den Knaben. Die muss über den »hohen Besuch« so versteinert gewesen sein, dass sie ihren Sohn herausgab, der vom Pfarrer abwechselnd an Haaren und Ohren zur Kirche gezogen wurde.
Schabernack getrieben
Klar wurde in unbeobachteten Momenten vom Messwein gekostet und manch ungeweihte Hostie verspeist. Die jüngeren Messdiener hatten Respekt vor den älteren und wenn in der Sakristei wieder einmal Feuer unter dem Dach war, hielten alle zusammen wie Pech und Schwefel. »Wenn man bei den Messdienern durch war, konnte man auch das Leben bestehen«, meinte Fritz Müller, der wie alle anderen noch die Kirchensprache Latein lernen und dem Priester beim »Stufengebet« antworten und dabei hellwach sein musste.
Bei einer Sternsinger-Aktion machte sich eine Gruppe von Haus zu Haus und wer die »Kappler« Gastfreundschaft kennt, weiß, dass sie sich auch bei flüssigen Sachen nicht »lumpen« lassen. Kein Wunder, dass sich beim Weg bis hoch hinauf auf den Iberg und den Wolfersberg ein »Räuschel« einstellte. Nun hatten die »Drei Könige« aber so tief ins Glas geschaut, dass sie die edlen Gewänder als Schlitten benutzten und darauf hinunter Richtung Steinebach rutschten.
Zufall führte zum Wiedersehen
Vor 20 Jahren war Herbert Wechinger im Kleinwalzertal in Urlaub und wie durch eine Fügung traf er den früheren Vikar Karl Wenzel, unter dem der »Bub« Herbert diente. Der mittlerweile verstorbene Wenzel lud den Kappelrodecker zu sich nach Liggeringen am Bodensee ein und als Herbert Wechinger ins Pfarrhaus kam, sah er ein altes Bild an der Wand. Darauf war Vikar Wenzel umringt von Jungen zu sehen, die auf den Stufen zum Hauptportal standen. Kurzum, Herbert Wechinger war auf besagtem Bild zu sehen, er fotografierte es ab und so kam das Bild vom Dezember 1964 mit den Namen der Ministranten auf der Rückseite wieder nach Kappelrodeck.
Hier blieb es lange Jahre mehr oder weniger unbeachtet, bevor Herbert Wechinger das besagte Foto im Herbst 2017 Fritz Müller zeigte und dieser Kontakt mit dem damaligen Obermessdiener Hermann Weber und »Schriftführer« Hartmut Klein aufnahm. Dann ging alles wie von selbst, es kam zu einem ersten Treffen im »Warteck«, weitere Ministranten auf dem Foto wurden identifiziert und Termine für weitere Treffen vereinbart. sp