Nach der Wahl: "Wohin steuert Deutschland?"
Vor der Wahl ist nach der Wahl. Bereits in dieser Woche, kündigte Wahlsieger Olaf Scholz (SPD) an, wolle seine Partei in Sondierungsgespräche mit Grünen und FDP über eine mögliche Ampelkoalition gehen. Aber auch sein bei der Bundestagswahl am Sonntag unterlegener Herausforderer Armin Laschet (CDU) hatte nach Bekanntgabe der Abstimmungsergebnisse noch einen Anspruch auf das Bundeskanzleramt erhoben, obwohl die Union im kommenden Bundestag weniger Sitze gewonnen hat als die Sozialdemokraten.
In der Geschichte der Bundesrepublik wäre ein „Minderheiten-Kanzler“ kein Einzelfall. Bereits Willy Brand (SPD) zog nach der Wahl 1969 auf diese Weise und mit den Liberalen als Mehrheitsbeschaffer ins Kanzleramt ein. Auch bei der Wahl Helmut Schmidts 1976 lag die SPD einige Prozentpunkte hinter der Union zurück.
Wie geht es also im Bund weiter? Von einer SPD-geführten „Groko“ über die „Ampel“ bis „Jamaika“ mit CDU/CSU als stärkstem Partner liegen derzeit jedenfalls rein rechnerisch viele Koalitionsoptionen auf dem Tisch.
"Die SPD hat die Bundestagswahl gewonnen"
Eine Frage bedarf für den SPD-Gemeinderat Markus Singrün jedenfalls keine Beanwortung mehr – die nach dem künftigen Kanzler: „Die SPD hat die Bundestagswahl gewonnen. Daher leiten wir auch einen klaren Auftrag zur Regierungsbildung ab.“ Singrüns Herz schlägt für die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen. Eine solche Konstellationstehe für eine „gute und stabile Regierung“. Zwischen Grünen und SPD bestehen nach Ansicht Singrüns die „größten Schnittmengen“, Grüne und FDP hingegeben hätten sich während des Wahlkampfs „inhaltlich eher voneinander entfernt. Wenn jetzt aber in den anstehenden Sondierungsgesprächen beide Parteien ernsthaft versuchen, sich anzunähern und Gemeinsamkeiten zu ergründen, könnte dies eine enorme Kraft entwickeln“. In einer Ampelkoalition sieht der Acherner Sozialdemokrat „das einzige mögliche Regierungsbündnis, welches den Wunsch nach Veränderungen in weiten Teilen unserer Gesellschaft widerspiegelt“.
Kein Laschet-Freund
Für Singrüns Gemeinderatskollegen Karl Früh, Vorsitzender der CDU-Fraktion bildet der Ausgang der Bundestagswahl eine „Katastrophe“. Den „Absturz“ seiner Partei lastete er gestern gegenüber der Acher-Rench-Zeitung vor allem dem Kanzlerkandidaten Armin Laschet an und nicht den Leistungen in der Regierungszeit Angela Merkels: „In einer Zeit der Pandemie und der damit einhergehenden persönlichen Einschränkungen kommt nun mal eine typisch rheinische Frohnatur beim Wähler nicht an. Darüber hinaus hat der Mann auch bis zum Schluss keinen Fettnapf ausgelassen.“ Früh findet noch drastischere Worte, die nicht darauf hindeuten, dass er sich den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten als künftigen Kanzler noch vorstellen kann: „Ich bin überzeugt, dass wenn man Laschet die letzten drei Monate eingesperrt hätte, wäre ein Ergebnis für eine CDU-geführte künftige Bundesregierung wahrscheinlich gewesen.“
Koalition oder Opposition?
Für Acherns Grünen-Fraktionschef Martin Siffling scheint es fraglich, ob sich seine Partei überhaupt an einer wie auch immer gearteten Koalition beteiligen soll. Man brauche „jetzt Wandel und die Lösung dringender Probleme“. Unsicher ist er sich, ob die Grünen diese Ziele „als Juniorpartner antiquierter Parteien, als Kompromiss-überzeichneter Mehrheitsbeschaffer oder als starke Opposition“ erreichen können. „Eine grüne Institution, welche die Aufgaben der Regierenden klar benennt und Missstände anmahnt sowie gleichzeitig schlüssige Lösungskonzepte vorschlägt, kann in ihrer Wirkung bedeutend größer sein, als im Drei- oder Vier-Parteien-Konsens jede Gesetzesinitiative zu zerreiben, grün anzustreichen oder stromlinienförmig in die Gesellschaft einzuführen.“ Siffling ist überzeugt: „Eine Jamaika-Koalition wird mit vier Parteien am Kompromiss erstarren.“ Und wie sieht es mit einer Ampel aus? Die, sagt der Grüne, „wäre für mich denkbar, aber wirklich nur der Situation geschuldet und eine sehr anstrengende Alternative, um etwas zu bewegen“.
"Nicht zu jedem Preis"
Und was denkt man bei der FDP als möglichem „Zünglein an der Waage“ über die Koalitonsfrage? Christian Satta, Vorsitzender der Acherner Liberalen: „Wir Freien Demokraten sind der festen Überzeugung, dass es nach der Bundestagswahl kein „Weiter so“ geben darf. Die Bürgerinnen und Bürger haben entschieden, es muss einen Politikwechsel geben. Somit kann eine weitere Große Koalition keine Option für unser Land sein. Wir gehen als eigenständige Kraft in die möglichen Koalitionsverhandlungen und stehen für unsere Positionen aus unserem Wahlkampf ein. Unser Ziel ist es Verantwortung zu übernehmen. Aber nicht zu jedem Preis. Falls es zu einer neuen Bundesregierung unter FDP Beteiligung kommen sollen, dann auch nur unter der Voraussetzung, dass diese eine liberale Handschrift trägt. Womöglich ist es am sinnvollsten zunächst die Gemeinsamkeiten oder auch die Hürden mit den Grünen auszuloten. Dann werden die weiteren Gespräche zeigen, ob es zu einer Ampel Koalition kommen wird oder es auch zu Verhandlungen mit der CDU kommt.“