Nach häuslichem Zechgelage musste einer ins Krankenhaus
Noch kein Urteil gab es am Donnerstag in der Verhandlung gegen einen 55-Jährigen aus einer Umlandgemeinde, der sich wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht Achern verantworten musste. Zu widersprüchlich waren die Sichtweisen, wie sich die Tat Mitte Mai 2018 zugetragen haben soll.
Die Staatsanwaltschaft ging von Schlägen und Tritten gegen den Geschädigten aus. Der nicht vorbestrafte Angeklagte gab zwar zu, ihn in seiner Wohnung angegangen zu sein, weil er ihn für einen Einbrecher hielt. Die sehr schweren Gesichtsverletzungen des Opfers seien aber erst beim gemeinsamen Sturz die Steintreppe hinunter entstanden. Bis zum Fortsetzungstermin am 30. Januar soll ein Sachverständiger klären helfen, ob Verletzungen dieser Art von einem Treppensturz herrühren können.
Opfer ist verstorben
Erschwert wird die Wahrheitsfindung vor allem dadurch, dass der Geschädigte inzwischen krankheitsbedingt verstorben ist. Dazu kam eine „Verschwörungstheorie“, so Rechtsanwalt Jörg Decker als Verteidiger des Angeklagten, nach der sein Mandant sein Opfer in Absprache mit dem Vermieter krankenhausreif geprügelt haben soll, um dem einen unbequemen Mieter vom Hals zu schaffen.
Für die Staatsanwaltschaft legte Tanja Himmelsbach dem Angeklagten zur Last, in der Nacht zum 18. Mai 2018 den Geschädigten ins Gesicht geschlagen und auf ihn eingetreten zu haben. Zumindest zwei Tritte an den Kopf führten zu lebensbedrohlichen Verletzungen, darunter eine Gesichtsfraktur und einer Trümmerfraktur des Nasenbeins. Eine Notoperation und die Intensivstation folgten.
An Alkohol gewöhnt?
Der Tat war ein Zechgelage vorausgegangen, der Angeklagte hatte 1,6 Promille knapp drei Stunden nach der Tat. Die neue Acherner Strafrichterin Swantje Schreier fragte nach seinem Verhältnis zum Alkohol. Er trinke ganz selten, beteuerte er. Laut Protokoll der Blutentnahme habe er allerdings keine Auffälligkeiten gezeigt, was bei dem hohen Wert auf eine Gewöhnung an Alkohol schließen lasse.
Der Angeklagte sagte aus, mit dem Geschädigten und zwei weiteren Bewohnern nach der Arbeit getrunken zu haben. Der Geschädigte habe ihn angewidert, da er wie so oft menschenverachtende Gewaltphantasien erzählt habe. Er sei dann gegangen und nach Mitternacht durch Geräusche wach geworden. Er habe einen Mann in seiner Küche erkannt und sei auf ihn losgegangen. Er habe kein Erinnerungsvermögen zum weiteren Ablauf und den Geschädigten erst erkannt, nachdem man gemeinsam die acht Stufen einer Steintreppe heruntergestürzt war. Getreten habe er auf keinen Fall, da er barfuß war, den Umfang der Verletzungen habe er nicht erkannt. Später habe er festgestellt, dass der Bildschirm seines Computers auf dem Boden stand, wahrscheinlich wollte ihn der Geschädigte stehlen, so seine Vermutung.
Ein Polizist berichtete als Zeuge von Gesprächen mit dem Opfer. Der habe die Diebstahlabsicht vehement bestritten. Er habe nur nach dem Angeklagten schauen wollen, da der gleich wiederkommen wollte. Der Geschädigte habe auch ein Komplott des Angeklagten mit dem Vermieter vermutet, zumal er nach dem Vorfall zunächst den Vermieter telefonisch verständigt hatte, statt den Krankenwagen zu rufen.
Überall war Blut
Ein weiterer Polizist, der am Tatort war, schilderte die sehr schweren Verletzungen und zeigte, wo überall Blut gefunden wurde – auf der Treppe relativ wenig, erinnerte er sich.
Einen Mitbewohner konfrontierte Richterin Schreier mit seiner polizeilichen Aussage, er habe den Angeklagten zum Vermieter sagen hören, den sei er jetzt los, er habe ihm in die Fresse getreten. Das habe er sinngemäß gehört, erinnerte er sich jetzt und bestätigte das auf Nachfrage der Verteidigung mehrmals.
Immer wieder Stress
Der Vermieter berichtete vom Anruf des Angeklagten, es gebe einen Notfall in seiner Wohnung. Er sei sofort von Karlsruhe aus hingefahren und habe auch gleich den Notarzt alarmieret. Der Angeklagte sei schwer alkoholisiert gewesen, ein Gespräch mit ihm habe er nicht geführt und verwahrte sich gegen die Unterstellung, etwas mit der Tat zu tun zu haben. Mit dem Opfer als Mieter habe es immer wieder Stress gegeben, wegen Alkohol und Ruhestörung, deshalb habe er ihm auch Abmahnungen geschickt. Als er nach dem Tod des Geschädigten dessen Wohnung räumte, habe er einen Fernseher gefunden, den Wochen zuvor ein anderer Mieter als gestohlen gemeldet hatte.
Von der Staatsanwältin kam die Anregung, ein medizinisches Gutachten einzuholen, das Aussagen zu den Verletzungen und zum Treppensturz ermöglicht. Nach aktuellem Stand werde sie weiter Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung erheben. Verteidiger Decker beantragte, bis zum Fortsetzungstermin ein solches Gutachten einzuholen.