Neue Fakten zur Rheinkorrektion im Museum Rheinau
Überraschend viel Neues erfuhren die Gäste bei der Vernissage der Sonderausstellung »Die Rheinkorrektion – 175 Jahre Rheindurchstich bei Freistett« am Montagabend im Museum Rheinau. Die Ausstellung ist beim Jahrmarkt am 4. November von 11 bis 17 Uhr sowie sonntags bis zum Frühjahr zu sehen.
»Ich habe bereits beim Vorgespräch sehr viel Interessantes gelernt, das mir so nicht bewusst war«, führte Stefan Hagemeister, Vorsitzender des Museumsvereins, am Montag in die Vernissage ein. Für ihn sei bisher Gottfried Tulla für die Rheinbegradigung verantwortlich gewesen, um Land zu gewinnen und Seuchen zu bekämpfen. Dass eine ziemlich andere Geschichte dahinter steht, habe ihn sehr überrascht. »Auch für unsere Stadt ist das ein hochinteressantes Thema, das große Auswirkungen auf deren Entwicklung hatte«, fügte Hausherr Bürgermeister Michael Welsche hinzu.
Schon vor Tulla gebändigt
Helmut Volk aus Freiburg, Forstwissenschaftler der forstlichen Versuchsanstalt Baden-Württemberg, beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit der Rheinkorrektion und den Auewäldern. »Da wurden so viel unrichtige Sachen verbreitet, dass es einfach notwendig war, dies zu erforschen und alte Dokumente nochmal neu zu lesen«, erklärte er. Denn die These, das Gottfried Tulla der Bändiger des Rheins war und die Rheinauen vor der Rheinbegradigung sich selbst erneuernde Urwälder gewesen sein sollen, stimme so nicht. Der Rhein sei zumindest im Elsass bereits vor Tulla gebändigt gewesen und die Rheinauen glichen durch intensive Nutzung eher einem Kahlschlag.
Seit dem Mittelalter waren Faschinen (Reisig) und Weiden die wichtigsten Nutzungen auf den Rheininseln und dem Uferbereich des Rheins. Die plantagenartig angepflanzten Faschinen dienten dem Dammbau, dem Uferschutz sowie dem Bau von Festungen und Erdwerken in den vielen Kriegen. Letztere ließen der Bevölkerung wenig Zeit, sich um den Dammbau zu kümmern, was zu verheerenden Überschwemmungen führte.
Vor der Rheinkorrektion übte Frankreich nach 1881 einen großen Einfluss auf die ganze Rheinaue der Stadt Rheinau aus. Im Gemeindearchiv von Diersheim fand Volk ein altes Gesetz eines Straßburger Intendanten zur Bewirtschaftung der Rheininseln, Ufer und der Aue. Von einem unberührten Urwald sei man weit weg gewesen, sagte Volk. Aber das habe man alles nicht gewusst, weil man nach dem Krieg die französischen Archive nicht nutzen konnte, erklärte der Fachmann, der sich sein Wissen aus der Biliotheque Nationale und dem Kriegsarchiv in Paris aneignete.
1788 kein wilder Strom
Weiter berichtete Volk von der Verlegung des Rheins nach Baden und zeigte dazu auf zwei Karten den Landschaftsvergleich von 1720 zu 1840. Darauf war gut zu erkennen, dass französische Bauwerke den Rhein nach Osten, in Rheinau nach Diersheim, Freistett und Helmlingen drückten. Dadurch dehnte Frankreich sein Hohheitsgebiet aus und Badische Rheingemeinden zwischen Basel und Karlsruhe verloren Inseln, Äcker und Wälder. Bereits 1788 war der Rhein kein Wildstrom mehr.
Fünf Jahre vor der Korrektion (1838) waren die Vorbereitungen weit vorangekommen. Im Elsass und in Baden waren die Uferdämme vollständig ausgebaut. Die Rheinkorrektion war ein deutsch-französisches Gemeinschaftswerk. Der 1,5 Kilometer breite Rhein von 1838 wurde auf 250 Meter begrenzt. Erst um 1890 war alles fertig. 1924 endete die Zeit der Faschinenplantagen und die Rheinauer begannen mit dem Aufbau der Auewälder als Hochwald. Nach 180 Jahren sind 2018 die Hochwälder der Aue fertig, eine anerkannte Vielfalt an Bäumen kennzeichnet die heutige Rheinaue.
Für Schulklassen werden nach Absprache gerne Sonderführungen angeboten.