Ortshistoriker erinnern an Flüchtlinge in Gamshurst
Um die Situation von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen nach 1945 ging es am Freitag bei einem Vortrag des Vereins für Ortsgeschichte im Gasthaus Pflug. Dabei wurde deutlich, dass die Neuankömmlinge auch in Gamshurst keinen leichten Stand hatten.
Auf Basis der Forschungen, die der frühere Ehrenvorsitzende Werner Bühler angestellt hatte, beleuchtete Edgar Gleiß, der Vorsitzende des Vereins für Ortsgeschichte, die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als über zwölf Millionen Menschen auf der Flucht nach Deutschland waren. Bewohner in deutschsprachigen Teilen Osteuropas wurden enteignet und in ein zerstörtes Deutschland vertrieben, oder schlimmstenfalls nach Sibirien deportiert. Die große Flucht begann 1944/1945. Bei Schnee und eisiger Kälte flohen Millionen Menschen aus Ost- und Westpreußen, Schlesien, Neumark und Pommern Richtung Westen des Deutschen Reiches.
Deutschland lag nach dem Krieg in Trümmern und musste vieleMenschen aufnehmen. Während viele Städte zerbombt waren, gab es Dörfer, deren Infrastruktur noch intakt waren. So wurden Zwangszuweisungen angeordnet, um Wohnraum zu schaffen.
Über das Landratsamt in Bühl wurden Ankommende den Dörfern zugewiesen. Bürgermeister und Gemeinderat mussten entscheiden, wo es freie Zimmer gab, oder wer diese schaffen musste. In den alten Fachwerkhäusern im Ort gab es im Obergeschoss kaum isolierte Zimmer, die genutzt werden konnten. Den ersten Flüchtlingsfamilien mit bis zu drei Kindern wurden zwei Zimmer ohne Küche zugemutet. Wasser gab es im Hof, die Toilette war bestenfalls ein Plumpsklo im Freien.
Im August 1949 erreichten die ersten 60 Flüchtlinge Gamshurst. Bis Ende 1951 kamen wöchentlich Züge an, die Menschen aus Lagern in Norddeutschland in den Südwesten brachten. Der damalige Bürgermeister Ignaz Bühler stieß oft auf Widerstand, wenn Familien oder Einzelpersonen aufgenommen werden sollten.
Anfang 1950 waren in Gamshurst 104 Flüchtlinge untergebracht. Den Höchststand von 158 Personen hatte man im August 1951 erreicht, danach ging die Zahl wieder zurück. Ein Großteil kam aus West- und Ostpreußen sowie Jugoslawien, aber auch aus Schlesien, Pommern oder Ungarn.
Schwierige Situation
Wer keine Kochmöglichkeit hatte, bekam in Gaststätten, zum Beispiel dem früheren Engel, ein bezahltes Mittagessen. Zum Heizen gab es Holzzuteilungen an Bedürftige. Der »Rössel«-Saal diente als Sammelquartier für Ankommende, wenn Wohnungen noch nicht bezugsfertig waren. Die ablehnende Haltung Ortsansässiger gegen die Zwangszuweisungen war deutlich zu spüren: Aufzeichnungen belegen, dass neben verbalen und körperlichen Attacken gegen Bürgermeister oder Mieter auch mal die Axt erhoben wurde.
Abschließend erinnerte Gleiß an spätere Situationen wie nach der Wende 1989, als Flüchtlinge und Spätaussiedler in die Bundesrepublik kamen. Aus dem Grundverständnis der eigenen Geschichte habe man hierzulande die humanitäre Einstellung zu helfen. Doch dafür werde als Gegenleistung die Bereitschaft und der Wille erwartet, sich schnell zu integrieren.