Pfarrerin und ein Priester tauschten in Achern die Kanzel
Ein außergewöhnliches ökumenisches Projekt gab es jetzt in Achern.
Die evangelische Pfarrerin in der katholischen Liebfrauenkirche, der katholische Priester in der evangelischen Christuskirche – mit dem Kanzeltausch rückten die beiden Acherner Christengemeinden Gemeinsamkeiten im Hören auf die Bibel und im Feiern des Gottesdienstes in den Mittelpunkt.
Martin Karl, katholischer Pfarrer, startete in der Christuskirche mit einem liebes- und erotikintensiven Text aus dem Hohelied des Alten Testaments. Die Glaubensurkunde des Judentums und der Christenheit lasse nichts Menschliches außen vor.
»Tiefe Gefahren«
Die lebendige und herzhafte Sprache und die anrührenden Inhalte der Liebeslieder dürften und sollen nicht nur auf die Beziehung zwischen Gott und Gottesvolk verstanden werden, seien in ihrem Eigenen wertzuschätzen. Im Hohelied zeige sich jedoch auch, dass Gottes Geschichte mit seinem Volk keine Frage von Moral und Anstand sei, vielmehr von Sehnsucht und Leidenschaft gekennzeichnet, vielfach ein höchst intensives Drama: »Der Schöpfer wartet immer auf den Funken und das Feuer im Gegenüber.«
Sensibel und berührend sprach Pfarrerin Renate Müller-Krabbe über die wechselseitige Suche der Liebenden im Hohenlied, klammerte bei aller liebesfrohen Sinnlichkeit die Gefahren der tiefen und intimen Liebe nicht aus. »Smartphone, permanente Öffentlichkeit und Zurschaustellen wie vielfach praktiziert, bringen tiefe Gefahren.« Letztlich, so die Pfarrerin, sei die Liebe ein tiefes Geschenk, das auch den geschlossenen Raum brauche. Der Seele zeige sich in der Tiefe und mit allen Sinnen, wer der Richtige ist. »Geben Sie der Liebe mit allen Sinnen Raum und hören Sie, was Ihnen die Seele sagt.«
Musikalische Lichter entzündeten Organistin Susanne Fink mit einer »Entrada« von Henry Purcell und der von Christoph Klövekorn dirigierte evangelische Kirchenchor unter anderem mit dem Lied »Ich bete an die Macht der Liebe«. Das Trio Jan Münchenberg (Violine), Anna Münchenberg (Cello) und Frank Hodapp (Cembalo) brachte in der katholischen Kirche zwei leicht gespielte Sonaten von Antonio Vivaldi und Georg Friedrich Händel zu Gehör.
Bitten, auch ums Gelingen ökumenischen Miteinanders, gehörten dazu. Am Ende des Kanzeltauschs stand der von allen Pfarrern gesprochene Segen und das auch in ökumenischer Interpretation hoffnungsstarke Lied »Strahlen gibt es viele, doch nur ein Licht. Glieder gibt es viele, doch nur ein Leib.«