Oberkirch

Rentner auf 450-Euro-Basis zurückholen?

Franziska Jäger
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06. Juni 2015
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(Bild 1/2) Damit die Maschinen in Zeiten des demografischen Wandels am Laufen bleiben: Noch kann die Papierfabrik Koehler aus Oberkirch Fachkräfte aus der Region rekrutieren und hat eine niedrige Fluktuationsrate. Aber wie andere Wirtschaftsunternehmen muss auch Koehler schon heute Konzepte entwickeln, um auch in Zukunft Mitarbeiter zu gewinnen. © Rüdiger Knie

Die extrem niedrige Geburtenrate wird Studien zufolge zum Standortproblem in Deutschland. So sei in den nächsten zwei Jahrzehnten mit einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zu rechnen. Ältere Menschen müssen noch länger arbeiten und haben besondere Bedürfnisse am Arbeitsplatz. Die ARZ hat nachgefragt, wie Unternehmen im Renchtal reagieren.

Erdrich Umformtechnik in Renchen

Von den Auswirkungen, die der Geburtenrückgang auf die Wirtschaft hat, wird auch die Erdrich-Gruppe aus Renchen-Ulm  nicht verschont bleiben. Geschäftsführer Nicolas Erdrich zeigt sich jedoch gelassen angesichts dessen, was bis 2030 prognostiziert wird. Der Automobilzulieferer investiere jetzt schon viel in Punkto Personalbeschaffung.

Das fängt bei Kooperationen mit der Hochschule Offenburg an: Dort finanziert das Unternehmen den Studiengang  »Materialwirtschaft« mit. Auch Lehrtätigkeiten an der Hochschule ermöglichen den direkten Kontakt zum Nachwuchs. Mit Erfolg: »Pro Jahr kommen etwa zwei bis drei Absolventen zu uns«. Doch das reicht sicher nicht, um vor allem Fachkräfte auszubilden. »Wir gehen in Schulen und auf Messen, um die Schüler direkt anzusprechen.«

Nach der Ausbildung springt immer mal wieder der eine oder andere ab. »Die wollen natürlich auch was anderes sehen.« Ein »Nachteil« sei die Ausbildung bei Erdrich selbst. »Unsere Ausbildung ist sehr gut, mit der Konsequenz, dass die Jungen nach ein paar Jahren Berufserfahrung bei uns abgeworben werden, weil zum Beispiel ein besseres Gehalt lockt.« Erdrich meint hier Firmen wie den Automobilzulieferer »Luk« in Bühl.

Ausländische Fachkräfte und Auszubildende sind immer wieder Thema bei Erdrich, aber bei den direkten Nachbarn treten Probleme auf. »Wir machen auch Aktionen im Elsass, aber oft können die Franzosen kaum Deutsch«, bedauert Nicolas Erdrich. Ein weiteres Problem: In Frankreich hat die Ausbildung nicht denselben Stellenwert wie in Deutschland.

Auf ältere Arbeitnehmer wird Erdrich deshalb auch in Zukunft mehr zählen müssen. Gesundheitsbeauftragte schauen regelmäßig mit dem Arzt, ob Arbeitsplätze optimiert werden müssen. Es gäbe dabei keinen Bereich extra nur für Ältere, so Erdrich. Vielmehr werde jeder Arbeitsplatz individuell angepasst.

Rentner ins Unternehmen zurückholen, ist bei Erdrich nicht ausgeschlossen. »Das geht dann in die beratende Richtung«, sagt Nicolas Erdrich. So sei ein ehemaliger technischer Leiter heute als Berater eingesetzt. Auf Honorarbasis.

Ernst Umformtechnik in Zusenhofen

Jens Boeuf ist Ausbilder bei Ernst Umformtechnik in Zusenhofen. Er kann im Moment nicht über einen Mangel klagen, aber »es gibt definitiv weniger Bewerber als früher«, sagt er. »Es ist für jedes Unternehmen eine Herausforderung, Nachwuchs zu bekommen«, weiß er.

Viele Schüler aber gingen auf weiterführende Schulen, Realschüler orientierten sich in Richtung Wirtschaftsgymnasium. Ein Problem hat Boeuf deshalb schon jetzt. Ihm fehlen Werkzeug- und Industriemechaniker. Deshalb nimmt Boeuf auch Umschüler, »die schon Ende 20 sind«. Auch bei Ernst zieht es einige Facharbeiter nach ein paar Jahren im Betrieb in die weite Welt. Vor allem Fortbildungen als Techniker oder Meister seien bei den Jungen angesagt. »Und alle Industriemechaniker, die dann fertig sind, können wir nicht übernehmen«, sagt Boeuf.

Boeuf weiß auch, dass ein Betrieb umso attraktiver ist, je mehr außerhalb der Arbeit angeboten wird. »Wir haben ein ziemlich großes Programm, was Gesundheitsmanagement und Sport angeht: Wassergymnastik im Winter, Yoga, Rückenschule. Im Sommer hält eine Mountainbikegruppe die Mitarbeiter fit.« Fit sein müssen vor allem ältere Mitglieder, denn sie werden jetzt schon von Ernst eingeplant.

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»Direkt Rentner zurückgeholt haben wir noch nicht, aber das wird so kommen«, ist sich Boeuf sicher. »Wir haben unsere Mitarbeiter, die bald das Rentenalter erreichen, schon gefragt, ob sie Interesse hätten.« Wie das dann aussehen könnte: Die Freiwilligen kommen wochenweise als Aushilfe. »Auf 450-Euro-Basis«, sagt Boeuf.

Was die Altersstruktur bei Ernst angeht, spricht Boeuf von einer »glücklichen Lage«. »Unser Altersdurchschnitt ist ziemlich niedrig, liegt zwischen 40 und 50 Jahren.«

Papierfabrik August Koehler in Oberkirch

Auch die Koehler Paper Group hat im vergangenen Jahr ein Gesundheitsmanagement eingeführt und bietet Gesundheitstage, Ergonomieberatung durch den Betriebsarzt, Sportveranstaltungen und Fitnessstudiokooperationen an.

Koehler beschäftigt bei Bedarf und Interesse auch Mitarbeiter im Rentenalter weiter, um »von dem Wissen und der Arbeitskraft profitieren zu können«, wie es aus der Personalabteilung des Unternehmens heißt. So würden Mitarbeiter auch nach Eintritt ins reguläre Rentenalter dem Unternehmen in Teilzeit zur Verfügung stehen.

In der Pressestelle von Koehler reagiert man beim Stichwort »Demografischer Wandel« etwas vorsichtig. »Das Thema wird generell zu hoch gekocht«, meint etwa Pressesprecher Stephan Schwietzke. »In der Praxis ist das nicht so gravierend, wir konnten bisher noch alle Stellen besetzen und auch Auszubildende haben wir ausreichend.« Noch kann Koehler aus der Region rekrutieren und hat eine niedrige Fluktuationsrate.

Doch auch bei Koehler werden mittelfristig zahlreiche Fachkräfte zeitgleich in Rente gehen, weshalb nach neuen Mitarbeitern außerhalb des Unternehmens Ausschau gehalten wird. »Wir können nicht alle Stellen durch interne Kandidaten nachbesetzen«, heißt es aus der Personalabteilung.

Progresswerk (PWO) in Stadelhofen

Der demografische Wandel ist auch beim Automobilzulieferer Progresswerk Thema. Stellen, insbesondere die mit hohen Anforderungen und Qualifikationen, werden schwerer zu besetzen sein.  »Auch im Bereich Ausbildung wird der Wettbewerb um den Gewinn von Auszubildenden immer stärker«, erklärt PWO-Vorstand Bernd Bartmann.

PWO hat bereits Rentner zurückgeholt, »wenn Not am Mann war«. Arbeitnehmer allerdings bis 70 Jahre arbeiten zu lassen, macht für Bartmann nur teilweise Sinn. »Dort, wo die körperlichen oder mentalen Anstrengungen besonders hoch sind, kommen Mitarbeiter altersbedingt an ihre Grenzen.«

PWO beschäftigt auch ausländische Fachkräfte. »In den Bereichen IT haben wir damit gute Erfahrungen gemacht.«

In der dritten Folge am 13. Juni geht es um Wohnraum und Immobilienpreise.

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