Sasbachwalden

Sasbachwalden ist bereit für neue Flüchtlinge

Matthias Heidinger
Lesezeit 6 Minuten
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16. April 2016
Willkommenskultur in Sasbachwalden: Um die Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft am Murberg kümmert sich von Beginn an Heidi Spinner.

(Bild 1/3) Willkommenskultur in Sasbachwalden: Um die Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft am Murberg kümmert sich von Beginn an Heidi Spinner. ©Archivfoto

 »Ich habe meinen Frieden mit der Flüchtlingsunterbringung geschlossen«, sagt Valentin Doll. Seine Empörung hatte sich nie gegen die Asylbewerber, sondern gegen das Regierungspräsidium (RP) Freiburg gerichtet, das sich das ehemalige Hotel Bel Air gegen geltendes Gesetz einverleibt habe. Dolls Befürchtungen hätten sich nur zu einem geringen Teil bewahrheitet, sagt der Bürgermeister im ARZ-Gespräch. 

Da Doll gut mit der Polizei vernetzt ist, wusste er von den unsäglichen Gerüchten, die fast immer Diffamierungen von Flüchtlingen zum Inhalt hatten. Er ging ihnen nach und konnte eigentlich jedes Gerücht zerschlagen, wie er sagt. Am Anfang war laut Doll wichtig, dass die Fehlalarme aufhören und der Bustransfer der Flüchtlinge funktioniert.

Dass Doll sich immer für die Bel-Air-Bewohner einsetzte, bestätigt auch Ursula Bengel (Foto). Die Schauspielerin und Regisseurin hat sich wie kaum sonst jemand in Sasbachwalden für die Flüchtlinge im Bel Air engagiert – so sehr, dass sie eine Erkältung verschleppte und dann mit doppelseitiger Lungenentzündung für sieben Wochen außer Gefecht war. Ihre Weltoffenheit ist anerzogen, »mein Gerechtigkeitssinn ist auch sehr ausgeprägt«, erzählt sie der ARZ.

Sie begann, im rasch gegründeten Helferkreis um Gemeinderätin Heidi Spinner für die Murberg-Flüchtlingsunterkunft mitzuarbeiten, als im September die Nachricht kam, dass im Bel Air 500 Flüchtlinge untergebracht werden: »Da wusste ich: Ich muss sofort da hoch und mich schützend vor diese Menschen schmeißen, weil garantiert die Stimmung kippen wird.« Sie fuhr zum Brandrüttel und half, wo Hilfe nötig war. Dabei hatte sie bald viele »aufopferungsvolle Ehrenamtliche« an ihrer Seite, sagt sie. Da Bengel es gewohnt ist, große Veranstaltungen mit Hunderten Akteuren zu lenken, begann sie, ihr Organisationstalent einzubringen. 

»Jeder kann helfen«, sagt die 55-Jährige, man müsse nur seine Scheu oder Bequemlichkeit überwinden. Die gebürtige Koblenzerin berichtet von rührenden Begegnungen, von bewegenden Momenten mit Flüchtlingen, aus denen feste Freundschaften entstanden.

Flüchtlinge, die verlegt wurden, hätten Bengel oft berichtet (man blieb per WhatsApp in Kontakt), dass sie Sasbachwalden und das Bel Air vermissen – nicht nur wegen der dortigen Ausstattung der Zimmer mit Bad. »Fast jeder sagte mir, dass er seit Sasbachwalden nicht mehr so respektvoll behandelt worden sei«, erzählt Bengel. Gemeint seien die Dorfbewohner, auf die Bengel mächtig stolz ist, und auch die Betreiberfirma Unicare, für die Bengel seit Herbst arbeitet. Diesem Respekt sei mit Respekt begegnet worden. »Seit September habe ich als Frau mit den asylsuchenden Männern nicht eine einzige unangenehme Situation erlebt«, unterstreicht Bengel.

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»Wir waren im Bel Air auf so einem guten Weg, haben so viel Vertrauen aufgebaut, dass es sehr schade ist, dass jetzt diese Unterbrechung gekommen ist«, sagt die Regisseurin. Kurz vor der vorläufigen Bel-Air-Schließung Ende März war sie dabei, neben dem Deutschunterricht für Erwachsene auch Lehrer für einen Grundschulunterricht in der Unterkunft zu organisieren. Deutsch, Englisch, Rechnen, Musik und Sport in einem bereits gestifteten Klassenzimmer sind in Planung. Auch ein Spielplatz, Musiktherapie oder ein Kindergarten schweben Bengel vor. Die Anima Tierwelt wird tiergestützte Therapie anbieten. Es gibt bereits im Bel Air Ärzte, die täglich vorbeischauen, Therapeuten, eine Hebamme, eine Krankenschwester. »Woanders hausen Flüchtlinge in Containern und Zelten und hier steht so ein gutes Haus leer«, bedauert Bengel. Deshalb schreibt sie jetzt auch viele Politiker und Entscheidungsträger an, um für den Fortbestand zu werben – im Namen der Firma Unicare.

Es sei den Verantwortlichen im Haus gelungen, aufkommende Aggressionen und Frustrationen einzudämmen, die Bewohner auf Regeln hinzuweisen. »Bei uns war Frieden, wir haben auch darauf hingearbeitet«, sagt Ursula Bengel. Deshalb war sie vor den Kopf gestoßen, als der Betreiberfirma Unicare, die mit mehr als 20 Mitarbeitern vor Ort war, Mitte März gekündigt wurde. Bis Ende April ist die Firma noch vor Ort. Wie das RP auf ARZ-Anfrage mitteilt, wurde der Betreiberfirma aus rein wirtschaftlichen Gründen gekündigt. Der Auftrag, das Bel Air zu betreiben, werde wieder neu ausgeschrieben, wie es Usus sei. Valentin Doll hat Unicare eine positive Referenz geschrieben, wie er sagt, ebenso die Pfarrgemeinde, das Gymnasium Achern und die Antoniusschule, zählt Bengel auf.

Würde das Bel Air auch künftig mit Flüchtlingen belegt, wird Sasbachwalden vorerst erspart, Wohnungen für die sogenannte Anschlussunterbringung bereitzustellen – eine kommunale Aufgabe. Früher oder später komme das aber, ist sich Doll sicher. 

Der Bürgermeister und auch Bengel vermuten, dass das Bel Air wieder belegt werden wird. Der bisherige RP-Verantwortliche, Thomas Hosp, steht laut RP wieder bereit. Allerdings sei noch nicht klar, wann wieder Flüchtlinge einziehen werden. Wie berichtet, überlegt sich auch der Ortenaukreis, Teile des Bel Air zur Unterbringung zu nutzen.

Das Anna-Leimbach-Haus in Karlsruhe-Durlach beherbergt 300 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge: Menschen mit Handicap, Hochschwangere, Homosexuelle, alleinreisende Frauen, religiös Verfolgte oder Schwersttraumatisierte. Das Haus soll im Oktober geschlossen und abgerissen werden. Da böte sich eine Einrichtung im Bel Air an, dann wäre die etwas abgeschiedene Lage sogar von Vorteil für diese eher Ruhe und Fürsorge suchenden Bewohner. Das findet Ursula Bengel. Bürgermeister Doll und Mitglieder des Runden Tisches kennen die Idee ebenfalls. Beim RP heißt es zu diesem Vorschlag der Firma Unicare, dass noch darüber zu beraten sei. Doll sähe es grundsätzlich gerne, wenn die Belegung nicht mehr so oft wechseln würde wie zuletzt. 

Wenn das Bel Air leer bliebe, würde wahrscheinlich niemand in Sasbachwalden weinen, außer Ursula Bengel und ihren Mitstreitern vielleicht. Und dennoch müsste sich Bürgermeister Doll fast wünschen, dass es in der zumindest offiziell für fünf Jahre angemieteten Immobilie weitergeht. Schließlich werden ihm die zum Stichtag 30. Juni dort lebenden Flüchtlinge beim Finanzausgleich angerechnet. 

Der scheidende Bürgermeister spricht sich nun für eine weitere Nutzung des Bel Air aus, die aber zeitlich auf wenige Jahre begrenzt sein sollte. Auch andere Gemeinden seien irgendwann an der Reihe, sagt er. Wichtig ist Doll auch, wie das RP das Bel Air zurücklassen wird. Da gebe es noch vieles zu besprechen.
 

Stichwort

Murberg

Die Flüchtlingsunterkunft am Murberg in Sasbachwalden »läuft geräuschlos«, sagt Bürgermeister Valentin Doll. Um die dort vom Ortenaukreis untergebrachten rund 20 Asylbewerber kümmert sich auch ein Helferkreis aus dem Dorf. Ihn organisiert Gemeinderätin Heidi Spinner, wofür Doll sehr dankbar ist. hei

Hintergrund

Akzeptanz ist heute größer

Die Akzeptanz der Flüchtlingen im Dorf ist in Sasbachwalden heute größer als noch im September. Dazu beigetragen haben viele Begegnungen im Kleinen, der Runde Tisch, aber auch einige Eisbrecheraktionen, wie Ursula Bengel und Valentin Doll schildern.

Der Bürgermeister war bei einer Nikolausfeier im Bel Air, wo man sich herzlich begegnete. Zu Weihnachten beschenkten manche Flüchtlinge die Einwohner mit Naschereien, im Winter schippten Flüchtlinge den Nachbarn den Schnee beiseite, der Fußballverein ließ Flüchtlinge mitkicken. All das ließ Eis brechen.

Internationale Aufmerksamkeit erzielte das Chorprojekt »Auch du kannst singen« mit dem SWR, bei dem Einheimische (auch Valentin Doll) mit Flüchtlingen musizierten, der SWR drehte dazu einen Film. Nach dessen Ausstrahlung erhielt Doll rund 30 E-Mails von Zuschauern, die von der Aktion tief bewegt waren, gar Tränen in den Augen gehabt hätten. Manche wollen nun hier Urlaub machen.hei

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