Wie es den Gastronomen in Appenweier und Renchen geht
Gasthäuser in Appenweier und Renchen sind kreativ im Krisenmodus und bieten Speisen zum Abholen an. Das wird zum Glück gut angenommen. Alle lechzen aber nach Lockerungen.
„Erstmal standen wir unter Schock“, erzählt Karl-Heinz Lott. Als die Corona-Pandemie zur Realität wurde, wussten er und seine Frau Mona nicht, wie sie damit umgehen sollten: Sie waren fast erleichtert, dass die Regierung ihnen die Entscheidung abnahm. Somit musste der mehr als 100 Jahre alte „Engel“ in Nesselried Tür und Tor schließen.
„Ab dem zweiten Schließwochenende haben wir einen Abholservice organisiert“, sagt Karl-Heinz Lott. Aktuell gibt es Spargel- und Schmorgerichte. Die Kunden holen das per Mail oder telefonisch vorbestellte warme Essen im Zehn-Minuten-Takt ab.
Es freut Karl-Heinz Lott, dass das Angebot, das es freitags bis sonntags gibt, so gut angenommen werde: „Viele aus der Umgebung kennen uns und zeigen sich solidarisch. Unsere Stammkunden halten uns die Treue. Und das ist schön.“
Trotzdem sei das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Neben dem Oster- und Kommuniongeschäft fehlen Familienfeste und die Hoteleinnahmen. Für seine Mitarbeiter hat er Kurzarbeit angemeldet. Seine Aushilfen kann er gar nicht beschäftigen, bedauert er.
Starker Zusammenhalt
„Unter uns Kollegen gibt es ein gutes Netzwerk. Wir tauschen uns aus, geben uns gegenseitig Tipps und halten zusammen“, erklärt Lott. Trotz allem ist der Nesselrieder zuversichtlich geblieben: „Da knabbern wir noch lange dran. Ein langer Weg liegt vor uns, aber irgendwann wird wieder Außengastronomie möglich sein. Irgendwie werden wir durch die Krise kommen“.
In Renchen-Ulm kennt eigentlich jeder die Vesperwirtschaft Stiegler. Chefin Simone Riebel liegen die vielen Stammgäste am Herzen. Sie war eine der ersten, die mit dem Abholservice begann, anfangs auch unter der Woche. Inzwischen gibt es freitags und am Wochenende Schnitzel oder Wurstsalat auf Bestellung. Sonntags wechselt die Karte. Die Kunden sind dankbar.
„Wir können uns aktuell noch über Wasser halten dank der Soforthilfe, der Kurzarbeit und der Solidarität der Kunden und Banken“, erklärt Riebel. Die Gastronomin hat das Gefühl, dass die Politik ihre Branche nicht im Stich lässt. Ihre geringfügig Beschäftigten haben es allerdings schwer. Riebel hofft, dass sie bis Ende Mai wieder öffnen kann. Eine längere Schließung würde auch für sie problematisch werden. „Wir leben von einer Woche zur nächsten“, sagt sie. Dabei hat sie erst 2019 das Gasthaus übernommen und dadurch noch zusätzliche Kosten.
Der Wirtin ist eines positiv aufgefallen: „Das Zusammenleben im Dorf ist besser geworden. Die Leute kaufen bewusst bei regionalen Händlern ein, um Solidarität zu zeigen.“
Im Herzen von Appenweier steht der Hanauer Hof, ein Familienbetrieb in vierter Generation. Die Familie Ernst hat sich nach anfänglicher Skepsis für den Abholservice entschieden, der dankbar angenommen werde. Täglich von 17 bis 20 Uhr wird im Zehn-Minuten-Takt frisch zubereitetes Essen ausgegeben.
„Man muss sich den Gegebenheiten anpassen und kreativ werden“, weiß Hugo Ernst. Über soziale Medien oder auf der Website kann man die wechselnde Speisekarte einsehen und telefonisch, per Mail oder WhatsApp bestellen. Das knapp 100-jährige Familienunternehmen hält Hotelzimmer, Restaurant und eine Bar im Kellergewölbe bereit. Momentan herrscht dort Leere. Hugo Ernst musste für seine Angestellten Kurzarbeit anmelden.
Wieder Gartenwirtschaft
Er hofft auf einen Sommer, in dem unter Vorkehrungen außen bewirtet werden kann. Erst in sechs bis neun Monaten rechnet Ernst mit Normal-Betrieb. Froh ist er über die schnelle Unterstützung durch das Land. Dennoch ärgert er sich über den Beschluss der Bundesregierung, dass der ermäßigte Steuersatz für Speisen von sieben Prozent nur für ein Jahr gilt. „Das ist eine Frechheit“, sagt der Gastronom. Dies sei nicht vorausschauend und generell ungerecht.
Auch im Gasthaus Drei Könige in Erlach sind die Lichter aus. Gearbeitet wird nur noch in der Küche und bei der Ausgabe. Silvia und Rainer Hetzel machen das alleine. „Die wenigen Tage, bevor die offizielle Schließung raus war, lief der Betrieb schon sehr schlecht“, erinnert sich Silvia Hetzel. Sie und ihr Mann erstellten ein Konzept für den Abholservice dienstags, donnerstags und am Wochenende, druckten Flyer.
Starker Zusammenhalt
„Inzwischen bin ich regelmäßig auf Facebook und Instagram, das hat mir meine Nichte gezeigt“, verrät Silvia Hetzel. Zuerst war sie skeptisch, ob der Service angenommen wird. Doch auch hier ist die Solidarität hoch. Stammgäste halten ihr die Treue. Sogar viele unbekannte Gesichter nähmen den Service an, freut sie sich. Dennoch sei dieser Abholservice in keiner Weise mit dem normalen Betrieb zu vergleichen. Zwei Angestellte sind in Kurzarbeit, eine arbeitet noch in der Küche. Die sieben geringfügig Beschäftigten sind wie überall derzeit ohne Arbeit.
Eigentlich kann die Chefin es kaum erwarten, endlich ihre Kunden wieder im Gasthaus zu begrüßen, anstatt ihnen am Eingang das Essen zu reichen. Aber noch kann sie sich das nicht so richtig vorstellen. Trennwände aus Plexiglas, Bedienen mit Mundschutz und Handschuhen, wenn möglich ohne zu sprechen, keine Salzstreuer oder Blumen auf den Tischen, Speisekarten auf dem Smartphone und kurze Verweildauer der Gäste? Sieht so bald die Gastronomie aus? „Essen gehen solle ein Freizeitvergnügen sein. Ist es das mit solchen Sicherheitsvorkehrungen wirklich noch?“, fragt sich Silvia Hetzel.
Steuerentlastung
Gastronomiebetriebe werden steuerlich entlastet. Die Mehrwertsteuer für Speisen wird laut Beschluss der Bundesregierung vom 1. Juli 2020 bis 30. Juni 2021 von 19 auf 7 Prozent gesenkt. Für Gerichte, die der Gast mitnimmt, fielen schon bisher nur sieben Prozent an.