Viel bürokratischer Ärger rund ums Bel Air
Die Flüchtlingsunterkunft Bel Air am Brandrüttel mit seinen bis zu 750 Bewohnern bereitet Sasbachwaldens Bürgermeister Valentin Doll jede Menge bürokratischen Ärger. Doll kämpft kurz vor Ende seiner letzten Amtszeit dafür, dass die Gemeinde entschädigt und nicht zu sehr belastet wird.
Bürgermeister Valentin Doll hat die sehr kurzfristige Umnutzung des ehemaligen Hotels Bel Air zur Bedarfsorientierte Erstaufnahmestelle (BEA) am 5. September von Beginn an als rechtswidrig tituliert. Schließlich geschah dies ohne Zustimmung der Gemeinde. Das Regierungspräsidium (RP) Freiburg, das die Flüchtlingsunterkunft führt, will, so Sprecher Markus Adler auf Anfrage der ARZ, einen Antrag auf Nutzungsänderung stellen.
Dieser Bauantrag wird derzeit von einem vom Land beauftragten Architekturbüro vorbereitet und innerhalb der kommenden Wochen eingereicht. Vorgespräche mit Baurechtsbehörde und Gemeinde haben bereits stattgefunden, so Adler. Dieser Antrag wird am Brandrüttel erwartet, schon zweimal haben sich Anwohner in der Gemeinderatssitzung danach erkundigt.
Drei bis fünf Jahre
Beantragt wird dabei die vorübergehende Nutzungsänderung der betroffenen Gebäudeteile von Hotel und Ferienwohnungen in eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge. Nach Aufgabe der Nutzung als Unterkunft (maximal drei bis fünf Jahre, wie es heißt) soll wieder die alte Baugenehmigung gelten, so dass die Nutzung als Hotel wieder aufgenommen werden kann.
Mit der Nutzungsänderung werden zugleich kleinere bauliche Änderungen mit beantragt, die aus Brandschutzgründen erforderlich werden, etwa Fluchttreppen, so Adler weiter.
Anlage für soziale Zwecke
Der Bauantrag wird über die Gemeinde Sasbachwalden an die untere Baurechtsbehörde beim Landratsamt Ortenaukreis gestellt. Der Antrag wird erforderlich, weil an eine Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft andere baurechtliche Anforderungen zu stellen sind als an ein Hotel und Ferienwohnungen, erklärt der Pressesprecher des RP. Zum einen handelt es sich bauplanungsrechtlich nicht mehr um einen Beherbergungsbetrieb, sondern um eine Anlage für soziale Zwecke. Also müsse auch eine (befristete) Befreiung vom Bebauungsplan beantragt werden. Zum anderen sind auch bauordnungsrechtlich andere Anforderungen zu stellen, insbesondere zu den Rettungswegen. Daher wird auch ein Brandschutz-Gutachten mit eingereicht werden.
Gemäß des Erlasses der obersten Baurechtsbehörde kann bei der Umnutzung von Gebäuden zur Flüchtlingsunterbringung der Bauantrag auch nachgereicht werden. Damit reagiert das Ministerium auf die aktuelle Notlage. Fristen gelten zwar nicht, so Markus Adler, jedoch sollte der Bauantrag zeitnah gestellt werden. Für dessen Bearbeitung gelten die üblichen Fristen von drei Monaten ab Vorlage der vollständigen Unterlagen.
»Ich werde einen Teufel tun, diesen Antrag anzunehmen«, sagt Bürgermeister Doll im ARZ-Gespräch. Der Grund: Erkennt die Gemeinde die nachträgliche Nutzungsänderung an, ist sie auch schadenersatzpflichtig. Die 700 Flüchtlinge scheinen den Wert der Immobilien in dem relativ überschaubaren Bereich am Brandrüttel zu mindern. Von einem geplatzten Hausverkauf hat die Mittelbadische Presse bereits berichtet (ARZ vom 22. Oktober). Doll fordert das Verursacherprinzip ein: Wenn das RP für die Wertminderung sorgt, soll es auch Anwohner entschädigen.
Dazu hat die ARZ Markus Adler befragt: Nach Auffassung der höheren Baurechtsbehörde beim RP ist die Nutzungsänderung für einen befristeten Zeitraum eindeutig genehmigungsfähig. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass die Nutzungsänderung vom Landratsamt abgewiesen wird. Eine eventuelle Wertminderung von Grundstücken fließe in die baurechtliche Beurteilung im Rahmen der Baugenehmigung nicht ein.
Nicht zu befürchten
Dennoch hätten die Anwohner das Recht, sich zum Bauantrag zu äußern und gegebenenfalls den Rechtsweg zu beschreiten. »Da die Nutzung nur vorübergehend geändert wird, sind dauerhafte Wertminderungen allerdings nicht zu befürchten«, sagt Adler.
Finanzausgleich und Meldepflicht
Bürgermeister Valentin Doll muss sich auch wegen des Finanzausgleichs (FAG) und der Änderung des Meldegesetzes sehr für die Interessen Sasbachwaldens einsetzen. Jede Gemeinde erhält im FAG Geld vom Land pro gemeldetem Einwohner. Da das 2500-Seelen-Dorf Sasbachwalden durch die BEA um ein Viertel angewachsen ist, möchte Doll auch ein Viertel mehr Geld. Allerdings gilt der Stichtag 30. Juni. Da waren die Flüchtlinge aber noch nicht da. Da müssen Lösungen her, sagt Doll.
Seit dem 1. November gilt nicht mehr das Landes-, sondern das Bundesmeldegesetz. Nach aktueller Rechtslage müsste die Gemeinde jeden ankommenden Flüchtling binnen zwei Wochen und ebenso jeden abreisenden ins System eintragen.
Das stellt die Gemeindeverwaltung vor schier unlösbare Aufgaben, da im Bel Air ständig Flüchtlinge ankommen und abreisen. Viele von ihnen sind noch nicht einmal registriert und kaum einer von ihnen wird eigens beim Meldeamt im Dorf vorbeischauen, um sich abzumelden. Immerhin ist die elektronische Übermittlung der Daten von der zuständigen Meldebehörde nach Sasbachwalden gestattet.
Valentin Doll dazu: »Wenn die glauben, dass ich deswegen mehr Personal im Meldeamt einstelle, haben die sich getäuscht. Die wollen, das wir uns still und brav verhalten, das werden wir aber nicht.«