Von Oberkirch aus den Sternen ganz nah
„Die Sternwarte ist ein Herzensprojekt der Familie“, erzählt Fanny Marie Freiin von Schauenburg auf dem Weg zur Sternwarte, die vor knapp vier Jahren auf dem „Köpfle“ des Oberkircher Ortsteils Gaisbach erbaut wurde. Ihr Vater, Ulrich Freiherr von Schauenburg, habe bereits in den 90er Jahren den Traum eines eigenen Observatoriums in der Heimat gehegt und einen Bauantrag gestellt. „Er war früher Pilot und daher den Sternen und dem Universum schon immer sehr nah“, erzählt sie weiter. „Aber man baut ja nicht einfach mal so ein Observatorium.
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Es sollten zwei Jahrzehnte vergehen, bis die Sternwarte errichtet wurde. Beim Bau waren, abgesehen von der Kuppel, nur Firmen aus der Region beteiligt. „Die Kuppel haben wir aus Amerika eingeschifft“, erklärt von Schauenburg. „Monatelang haben wir den Container auf dem Handy beobachtet – und dann stand er plötzlich in unserem Hof.“ Im August 2017 wurde die Kuppel per Kran auf das Observatorium gesetzt, wenig später auch das Teleskop auf der schwingfreien Betonsäule montiert. Es ist ein Schmidt-Cassegrain-Teleskop (kurz: SCT), also ein Spiegelteleskop. Zwei Spiegel befinden sich darin: Der Primärspiegel bündelt das einfallende Licht und wirft es zum Sekundärspiegel zurück. Dieser wiederum lenkt das Licht zur Mitte des Primärspiegels und somit zum Okular, durch das der Betrachter nun ein reelles Bild des Himmels sieht.
Stürmische Zeiten
Bei einer einmaligen Montierung und anschließenden Inbetriebnahme des Teleskops blieb es allerdings nicht. „Der Sturm ‚Sabine‘ hob im Jahr 2019 die Kuppel an, wodurch Wasser ins Innere des Teleskops geriet“, erklärt Ulrich Freiherr von Schauenburg. „Ich habe mich selbst nicht an die Reparatur getraut, also musste es wieder nach München zum Hersteller ‚Celestron‘.“ Dort seien unter anderem die Spiegel gereinigt worden.
In den letzten Jahren sei das Projekt jedoch neben der Gastronomie gelaufen und habe daher nicht immer im Fokus gestanden. „Corona hat in dieser Hinsicht etwas Positives ausgelöst“, erklärt Fanny Marie Freiin von Schauenburg. „Mit der Schließung der Gastronomie ist unser Sternwarten-Projekt wieder mehr in Schwung gekommen.“ An Weihnachten habe ihre Familie durch das Teleskop die Andromedagalaxie beobachtet. „Das ist die Galaxie, die der Milchstraße – und somit der Erde – am nächsten gelegen ist“, weiß von Schauenburg, die Naturwissenschaften an der TU Berlin studiert.
Kamera schaut durch
Dort, wo man normalerweise mit Okularen durch das Teleskop schaut, befindet sich beim Teleskop des Marienobservatoriums jedoch eine Kamera, die das Durchschauen übernimmt. „Das ist viel wissenschaftlicher und die Aufnahme wird direkt auf den Computer übertragen“, erklärt Elias Baumann, der gerade sein Abitur am HFG macht und sich mit der Technik der Sternwarte auskennt. „Unsere Kamera ist eine Schwarz-Weiß-Kamera“, erklärt er weiter. „Das hat im Vergleich zu einer Farbkamera den Vorteil, dass Sachen sichtbar gemacht werden können, die sonst nicht sichtbar sind – Nebel wie die Andromedagalaxie oder eine Supernova zum Beispiel.“ Denn eine Farbkamera, so Baumann, vereint die Information der Farben bereits bei der Aufnahme, während eine SW-Kamera ein Bild mit jedem Farbfilter – rot, grün, blau – aufnimmt. Diese Bilder werden dann in einem Fotobearbeitungsprogramm zusammengeführt und es entsteht ein Farbbild mit höherer Auflösung.
Ferngesteuertes Teleskop
Um Aufnahmen von Himmelskörpern machen zu können, muss das Teleskop zuerst darauf ausgerichtet werden. Baumann: „Über eine kostenlose Planetariumssoftware wähle ich am PC ein Objekt, einen Stern, als Ziel aus. Die Daten werden an das Teleskop übermittelt und es richtet sich in Echtzeit nach dem Objekt aus.“
In den letzten zwei Monaten sei viel an dieser Fernsteuerung per Computer gearbeitet worden, aber sie sei noch nicht final. „Unser Ziel ist es, dass Schulklassen, Lehrkräfte und Studierende das Teleskop problemlos von allen Rechnern fernsteuern und somit den Himmel beobachten können“, ergänzt von Schauenburg.
Ein Pilotprojekt mit der TU Berlin soll in den kommenden Wochen zeigen, was dafür noch nötig ist. Immerhin sei die Sternwarte etwas, das nie aufhört, sich weiterzuentwickeln. „Und wenn Corona vorbei ist“, schließt sie, „wollen wir unser Projekt richtig zeigen – nicht nur über die Website und Zeitungsartikel.“
Für Schüler und Studenten
Die Sternwarte auf dem „Köpfle“ ist für Bildungszwecke gemacht. Lehrkräfte, Schüler und Studenten haben deshalb die Möglichkeit, das Marienobservatorium für Forschungen und Unterrichtsstunden zu nutzen. Besichtigungen vor Ort sind aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie nicht möglich, aber Interessierte können dennoch über die Website www.sternwarte-oberkirch.de Kontakt aufnehmen oder den Himmel über Oberkirch bei Nacht betrachten. ted