Wolf Gaulitz präsentiert Mafiastreifen „Palermo flüstert“
Regisseur Wolf Gaudlitz präsentierte am Samstag im Tivoli sein poetisches Meisterwerk „Palermo flüstert“. Der 2001 uraufgeführte Film wurde frisch digitalisiert und erlebt zur Zeit in zahlreichen Programmkinos seinen zweiten Frühling.
„Palermo flüstert“ ist ein bestaunenswertes Dokument der Zeit. Vor 20 Jahren war in Palermo die Macht der Mafia noch ungebrochen. In Siziliens Metropole herrschte das Gesetz des Schweigens. Etwas gesehen und nichts gesagt zu haben, genügte häufig nicht. Am Anfang des Films steht ein Attentat. Piersanti Mattarella, der Bruder des italienischen Staatspräsidenten, wurde im Januar 1980 auf offener Straße ermordet. Gaudlitz will die Bluttat gesehen haben, wie er im Tivoli in knappen Sätzen berichtet. Im Film wird sein Platz am Fenster von einem Jungen namens Mimmo eingenommen. Er kannte die Namen der Mörder und sei damals aufs Land geflüchtet, wird von Gaudlitz suggeriert.
Nur im Flüsterton
Bei seiner Rückkehr nach Palermo geht Mimmo mit wissenden Augen durch die Stadt. Aus seiner Perspektive werden eine Vielzahl von Anekdoten erzählt, die im alten Palermo allenfalls im Flüsterton verbreitet wurden. „Hinter jedem Fenster hängt eine Geschichte“, heißt es im Film. Vorsicht ist überall geboten: „Wer schläft, sündigt nicht, wer betet, hält keine Waffe in Anschlag – die Sizilianer können beides“, vermutet Gaudlitz.
Es sind ganz wunderbar kuriose Typen, die der renommierte Filmemacher ihre Version der Wirklichkeit erzählen lässt. Da gibt es einen pittoresken Straßenfeger, einen beleibten, als Blütenverkäufer agierenden Mafiosi und einen durch die engen Gassen brausenden, einer Blondine nachstellenden Motorradfahrer. Diese ist übrigens der einzige Ruhepunkt im Film, liest sie doch ihre Modemagazine in der Stille und hält nur verstohlen nach ihrem blonden Traummann Ausschau.
Kolossale Wirkung
Bei manchen Geschichten wird auf dem Altar der Poesie eine Vielzahl origineller Pointen geopfert. So berichtet Gaudlitz über das Leben des Barons Giuseppe Di Stefano, der 40 Jahre in einer Nobelherberge verbrachte und seine Suite nie verließ. Der aus dem Off gesprochene, sprachgewaltige Text des Kaleidoskops wirkt so wie ein metaphernreiches Gedicht. Da Gaudlitz in Palermo über Jahre drehte, sind ihm auch einige großartige, unnachahmliche dokumentarische Szenen gelungen. Zu seinen Darstellern gehört Palermos amtierender Bürgermeister Leoluca Orlando, der als Uhrmacher auftritt. Er hat Gaudlitz zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Nach der Vorführung beantwortete der Filmemacher viele Fragen und versprach wiederzukommen. Vielleicht mit einem neuen Film über Palermo, der zur Zeit in Arbeit ist.