Achern / Oberkirch
Zeitzeugen berichten von den Leiden des letzten Kriegsjahres
15. Oktober 2004
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Von Menschen, die in Achern Freunde verloren, weil in ihren Adern ein Achtel jüdischen Blutes floss, oder von den grausamen Schicksalen der Flüchtenden in den Wirren des Jahres 1945 handelt das neue Buch von Gerhard Lötsch. Es heißt »Krieg und Friede – Achern und das Jahr 1945« und erscheint Ende kommender Woche.
Achern. Für sein neues Buch ist der Acherner Historiker Gerhard Lötsch über einen hohen Berg gestiegen. Der ehemalige Pfarrer, Jahrgang 1930, hat den Untergang Nazideutschlands in Pforzheim und im nur scheinbar sicheren Erzgebirge selbst miterlebt. Beim Zusammentragen der Augenzeugenberichte ist Lötsch bewusst geworden, »wie viel ich von dem damals Erlebten verdrängt habe und wie es doch mein Leben bestimmt hat«. Er hat ein Buch gegen das Vergessen geschrieben, in dem die Anonymen noch einmal zu Wort kommen.
Himmler auf Hohritt
»Krieg und Friede – Achern und das Jahr 1945« ist eine Sammlung von Berichten von Achernern oder von Menschen, die nach Achern kamen. Wie etwa Reichsführer SS Heinrich Himmler, der am 3. Januar 1945 in Sasbachwalden eine Rede hielt, dessen Stichwortkonzept noch erhalten ist – im Gegensatz zu den Protokollen des Acherner Gemeinderates von 1933 bis 1945. Die wurden alle herausgerissen, wie OB Reinhart Köstlin gestern bei der Buchvorstellung erzählte. Viele könnten Geschichte erst verstehen, wenn sie anschaulich werde, meinte Köstlin, deshalb lobte er Lötschs »wichtigen Beitrag zur Heimatgeschichte«.
Für Lötsch war die Arbeit an dem 120-seitigen Buch nicht leicht, obwohl es nicht seine persönliche Geschichte ist. Aber als Pfarrer hat er viele Menschen beerdigt, die ihre Lebensgeschichten mit ins Grab nahmen. »Die unglaublichsten Schicksale stehen in dem Buch gar nicht drin«, sagt der Autor. Bis auf zwei Ausnahmen hatte er stets die Erlaubnis, die Berichte auch zu veröffentlichen. Das war ihm wichtig.
Lötsch kommentiert nicht. Die Texte sprechen für sich. Sie zeigen, dass das Leid groß war, deuten an, dass das Kriegsende mehr Befreiung als Niederlage war, weisen auf frühe Auseinandersetzungen mit der Schuldfrage hin. Lötsch glaubt, dass die Zerstörung Acherns am 7. Januar ’45 eine Reaktion auf einen letzten Vorstoß der deutschen Armee wenige Tage zuvor gewesen ist.
Am Donnerstag, 21. Oktober, wird Gerhard Lötsch ab 20 Uhr im Bürgersaal aus seinem Buch vorlesen. Das Buch gibt es laut Hauptamtsleiter Hans-Peter Vollet am Tag danach in den drei Acherner Buchhandlungen sowie in der Geschäftsstelle der ARZ für nur 15 Euro (dank Sponsoren) zu kaufen. Verleger ist die Stadt Achern, die zunächst 1000 Exemplare herstellen ließ.