Kehl

30 Jahre Protest gegen die Müllverbrennungsanlage

Robert Schmidt
Lesezeit 4 Minuten
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05. Juli 2017

So viele Menschen gingen in Kehl zuletzt nur wegen der drohenden Schließung des Hallenbades auf die Straße: Am 13. Dezember 1987 demonstrierten mehr als 10 000 Kehler gegen eine in der Stadt geplante Müllverbrennungsanlage. ©Erich End

1987 war das Jahr des Kehler Widerstands. Kaum ein Thema hat die Bürger in all den Jahren so geeint wie der damalige Kampf gegen eine in der Stadt geplante Sondermüll-Verbrennungsanlage. Am Ende konnten die Gegner jubeln. Der Erfolg hat die Kehler bis heute geprägt.

»So eine Mobilisierung hat es in Kehl seitdem nicht mehr gegeben.« Der Kehler Grüne Wolfgang Maelger erinnert sich noch sehr gut an jenen 13. Dezember 1987, an dem mehr als 10 000 Menschen auf dem Marktplatz gegen die damals vom Land im Kehler Hafen geplante Sondermüllverbrennungsanlage demonstrierten. Der Tag war der Höhepunkt eines monatelangen Kampfes der Stadtbevölkerung gegen das Projekt. »Bei dem Thema gab es eine breite Solidarität in Kehl«, weiß Maelger, der damals selbst mit dabei war. Über alle Bevölkerungsgruppen hätten sich damals Menschen an der Demo beteiligt, auch aus Straßburg seien die Teilnehmer gekommen.

Das Archiv der Kehler Zeitung ist voll mit Artikeln zu dem Thema. Unter der Überschrift »Eine breite Front gegen die Sondermüll-Verbrennungsanlage« gab es am 15. Mai 1987 einen Überblick über die bisherigen Ereignisse. Dabei wurde daran erinnert, dass die damalige Landesregierung unter Lothar Späth (CDU) bereits seit Längerem den Bau eine solche Anlage plante – und zwar in Mannheim, Karlsruhe oder Kehl. Während die beiden erstgenannten Städte sich sofort gegen die Pläne gewehrt hatten, wuchs der Widerstand in Kehl erst nach und nach. Im Mai gab es erstmals eine Stellungnahme des Gemeinderates.

Die Kernaussage lautete damals: »Kehl ist als Standort für eine solche Anlage nicht vertretbar.«  Auf die Tagesordnung gekommen war das Thema auf Antrag der Fraktionen der SPD und der Grünen.

Die Basis setzt sich durch

Der damalige Stadtrat Gerd Baumer (Grüne) erinnert sich noch gut an die politisch höchst brisante Lage. Schon 1985 habe die Landesregierung von der Wirtschaft den Druck verspürt, dass Restmüll verbrannt werden soll. Umweltminister Erwin Vetter (CDU) habe versucht, andere Fraktionen für das Vorhaben einer Sondermüll-Verbrennungsanlage zu gewinnen. Während Vetter die damalige Grünen-Spitze im Land, bestehend aus Jürgen Trittin, Rezzo Schlauch und Fritz Kuhn, für sich gewinnen konnte, habe er die Rechnung ohne die grüne Basis in Baden-Württemberg gemacht. 

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Baumer, der seit 1984 für die Grünen im Kehler Stadtrat aktiv war, hat sich als einer der Ersten gegen das Projekt engagiert. Auf dem Landesparteitag 1986 in Freudenstadt hielt er eine flammende Rede gegen den Bau der Anlage. Kurz darauf sahen sich Schlauch, Kretschmann und Kuhn genötigt, sich dem ärgsten Kritiker des Vorhabens zu stellen und reisten nach Kehl.  Bei Gesprächen im damals neuen Parteiquartier in einer Holzhütte im Hinterhof der Galerie Esperanza hätten die drei ihn und seine grünen Mitstreiter allerdings nicht umstimmen können.

Bürgerinitiave entsteht

Aus dem organisierten Widerstand gegen die geplante Anlage wurde im Januar 1988 die »Bürgerinitiative gegen die Giftmüllverbrennung in Kehl e.V.«, die heute unter dem Namen Bürgerinitiative Umweltschutz Kehl e.V. fortbesteht. »Das war damals viel Arbeit«, erinnert sich Heiner Raulff, ein Vereinsmitglied der ersten Stunde. Nur 50 Leute seien bei der ersten Sitzung im »Kronenhof« dabei gewesen. Letztlich habe sich das Engagement aber gelohnt, schließlich habe die Landesregierung eingelenkt und die Pläne zum Bau der Müllverbrennungs-Anlage verworfen. 

Eine »bittere Pille«

Baumer sieht diese Erfolge zwar auch, blickt aber durchaus selbstkritisch auf die damalige Zeit zurück. Sicher habe man seinerzeit eine echte Sondermüllanlage verhindert, allerdings sei das Problem 15 Jahre später »durch die Hintertür« zurückgekommen. Die 2002 errichtete Biomasse-Anlage sei eine »bittere Pille« für die Grünen gewesen, würde doch dort auch Sondermüll verbrannt.

Parteikollege Maelger relativiert: »Das ist eine ganz andere Nummer.« Heute gebe es viel strengere Grenzwerte, Auffälligkeiten bei den Messwerten seien ihm nicht bekannt. Vielmehr habe sich 1987 nicht nur die grenzüberschreitende Zusammenarbeit  mit Frankreich verbessert, es sei auch eine »allgemeine Sensibilität gegenüber der Umwelt« entstanden. Maelger zieht ein positives Fazit: »Die Kehler Bevölkerung ist wach geblieben.« 

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