Kehl

50 Jahre Eingemeindung: Bittere Pille für Auenheim

Von unserer Redaktion
Lesezeit 6 Minuten
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24. January 2025
Bei der Bürgeranhörung im Jahr 1974 sprachen sich 97,5 Prozent der Auenheimer gegen die Eingemeindung aus. 

(Bild 1/2) Bei der Bürgeranhörung im Jahr 1974 sprachen sich 97,5 Prozent der Auenheimer gegen die Eingemeindung aus.  ©Ortsverwaltung Auenheim

Serie zur Gemeindereform, Teil 4: Auenheims Ortsvorsteherin Sanja Tömmes erzählt, dass Auenheim einst eine wohlhabende Gemeinde war. Daher stellten sich die Bürger vor 50 Jahren auch gegen die Eingemeindung zu Wehr.

Im Rahmen der Gebietsreform begann die Eingemeindung zu Kehl am 1. Juli 1971 mit zwei Gemeinden. Am 1. Januar 1975 und damit vor 50 Jahren kamen Auenheim, Bodersweier, Leutesheim und Zierolshofen hinzu. Grund genug für die Redaktion der Kehler Zeitung, die Ortsvorsteher zu Wort kommen zu lassen und in einer Serie eine kleine Bilanz zu ziehen. Heute erzählt Sanja Tömmes, Ortsvorsteherin von Auenheim, wie sie über die Eingemeindung denkt.

50 Jahre Gemeindereform: Sind Sie zufrieden mit dem Gebilde, das Anfang der 1970er-Jahre als „Große Kreisstadt Kehl“ entstanden ist?

Insgesamt bin ich mit der Entwicklung von Kehl und seinen Ortsteilen zufrieden. Die Eingemeindung hat zweifellos viele Vorteile gebracht, aber es gab auch Herausforderungen. Wichtig ist mir, dass wir uns auf die gute Entwicklung der Gesamtstadt gemäß dem 2021 beschlossenen Stadtentwicklungskonzept konzentrieren und dieses auch aktiv umsetzen. Die dort vorgeschlagenen Kooperationsräume bieten viel Potenzial. Wir als “Ort”-schaftsrat setzen uns tatkräftig für die Entwicklung von Auenheim ein und tragen immer wieder die Belange unseres Ortes in den Gemeinderat und die Verwaltung ein. Dabei ist es uns ein wichtiges Anliegen, Probleme benennen zu dürfen. Denn nur so können wir sie anpacken und lösen.

Haben Ihre Vorgänger aus heutiger Sicht damals gut verhandelt?

Leider kann man nicht von Verhandlungen sprechen – es war eher eine „Zwangseingemeindung“. Bei einer Bürgeranhörung im Jahr 1974 sprachen sich 97,5 Prozent der Auenheimer gegen die Eingemeindung aus. Bürgermeister Albert Heidt setzte sich zwar für die Eigenständigkeit ein, aber der Druck von Stuttgart war letztlich zu groß. Besonders bitter für die Auenheimer und sicher auch die umliegenden Dörfer war, dass kleinere Gemeinden – etwa im Kinzigtal – ihre Selbstständigkeit bewahren konnten. Auenheim musste als wohlhabende Gemeinde ohne Schulden diese Eingemeindung akzeptieren. Zum Beispiel liegen 15 Prozent der Hafenfläche auf der Auenheimer Gemarkung.

Was ist nach Ihrer Einschätzung gut gelaufen?

Zeitzeugen berichten, dass die Zusammenarbeit mit Kehl auch nach der Eingemeindung gut funktionierte und Vorschläge sowie Anhörungen der Ortschaften respektiert wurden. Die Zuständigkeit des Ortschaftsrats und der Ortsvorsteher ist klar in der Hauptsatzung geregelt. Allerdings müssen wir manchmal explizit auf diese Satzung hinweisen, um unsere Rechte durchzusetzen. Dies zeigt, dass die Ortschaftsverfassung nicht immer problemlos anerkannt wurde und wird.

Was hätten Sie sich anders vorstellen können?

Es ist schwer zu sagen, wie sich alles entwickelt hätte, wenn sich die Auenheimer wie Goldscheuer frühzeitig an den Verhandlungstisch gesetzt hätten. Hätten wir Forderungen in den Eingemeindungsvertrag aufgenommen, wäre vielleicht vieles im Vertrag verankert worden, was uns heute eine bessere Grundlage für den Erhalt von Einrichtungen wie Schwimmbad oder Bauhof geboten hätte. Andererseits liegt es immer im Ermessen des Gemeinderats, wie sich die Hauptsatzung ändert und welche Rechte den Ortschaften zukommen. Ich denke, der damals angestrebte, aber leider gescheiterte Zusammenschluss der Nordgemeinden hätte eine ausreichend starke Basis für eine eigenständige Gemeinde beziehungsweise einen Kooperationsraum geschaffen.

Wie ist nach Ihren Erfahrungen die Zusammenarbeit zwischen Gemeinderat und Ihrem Ortsteil?

Die Zusammenarbeit ist grundsätzlich konstruktiv. Der Gemeinderat hat die Gesamtstadt im Blick, und dazu gehören auch alle Ortsteile. Derzeit sind sechs der 26 Gemeinderäte aus Auenheim, drei davon sind auch im Ortschaftsrat. Aber das bedeutet nicht, dass der Ortschaftsrat in einer privilegierten Position ist. Unsere Anliegen werden genauso wie die der anderen Ortsteile behandelt, wobei die Priorisierung von der Haushaltslage abhängt. Entscheidend ist die persönliche Präsenz der Gemeinderäte sowohl in der Kernstadt als auch in den Ortsteilen. Nur so können Verwaltungsvorlagen besser nachvollzogen und Entscheidungen getroffen werden.

Und wie läuft es zwischen Zentralverwaltung und der Ortsverwaltung?

Die Zentralverwaltung leistet viel, doch auch die Ortsverwaltungen haben einen großen Arbeitsaufwand. Besonders bei Fachthemen, die bei uns seltener vorkommen, wünschen wir uns mehr Unterstützung. Vieles läuft gut, aber leider gibt es auch Fälle, in denen Anfragen aus verschiedenen Gründen nicht schnell genug bearbeitet werden. Entscheidungsprozesse sind oft langwierig, wodurch der Ortschaftsrat und seine Beschlüsse manchmal in Frage gestellt werden. Ich hoffe, dass wir künftig verstärkt in Kooperationsräumen arbeiten können, wie es im Stadtentwicklungskonzept vorgesehen ist. Mit Leutesheim haben wir bereits eine sehr gut funktionierende Verwaltungseinheit.

Was wünschen Sie, was besser werden sollte im Verhältnis Gemeinderat, Kernstadt und Ortsteile?

Ich wünsche mir mehr Transparenz und Verbindlichkeit in der Kommunikation. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Haushaltsmittel zunächst für die Pflichtaufgaben wie die Instandhaltung von Schulen, Kindergärten, Straßen und der Kläranlage eingesetzt werden. Leider wurden die Ortsteilmittel, die der Oberbürgermeister nach seiner Wahl den Ortschaften und der Kernstadt zugeteilt hatte, bereits gekürzt. Diese waren ein sehr effektives Instrument für die unbürokratische und schnelle Umsetzung von dringend notwendigen Maßnahmen.

Wo ist in Ihrem Ort in den nächsten fünf Jahren der dringendste Handlungsbedarf?

Die ärztliche Versorgung in Auenheim muss gesichert werden. Dafür braucht es geeignete funktionale Räumlichkeiten. Die Sanierung der Grundschule muss bis Ende 2025 abgeschlossen sein. Außerdem die Sanierung des Farrenstalls: Diese Maßnahme wurde seitens der Verwaltung seit 2012 mehrfach verschoben, da andere Projekte als dringlicher eingestuft wurden.

Dringend ist auch die Schaffung von 76 Pflegeapartments im Ortskern und zuletzt der Erhalt des Vereinslebens und die Förderung von Gemeinschaftseinrichtungen, um den sozialen Zusammenhalt inner- und außerhalb der Dorfgemeinschaft zu stärken.

Was meinen Sie, wie sieht die Zukunft in 25 Jahren aus? Gibt es beim 75. Jahrestag noch die Ortschaftsverfassung in der jetzigen Form?

Das ist schwer vorherzusagen. Die zunehmende Zentralisierung kann dazu führen, dass die Ortsteile immer weniger Mitspracherecht haben werden. In 25 Jahren wird hoffentlich eine deutliche Reduzierung der Bürokratie erreicht worden sein, wodurch Abläufe effizienter und schneller werden. Dadurch könnten die heute bestehenden Strukturen und Angebote in den Ortschaften möglicherweise überflüssig werden. Letztendlich zählt nur, was die Bürger wollen und benötigen. Die Verwendung der Steuergelder richtet sich nach ihren Bedürfnissen und Prioritäten, die sich in 25 Jahren von den heutigen unterscheiden werden.

NÄCHSTEN Samstag lesen Sie: was Manfred Kropp, Ortsvorsteher von Bodersweier, zur Eingemeindung vor 50 Jahren sagt.

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