Geschichte

65 Jahre komplette Rückgabe von Kehl

Redaktion
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07. April 2018

Beschriftete Wand »Kehl den Kehlern!«. ©Stadt Kehl

Der Tag der Rückgabe des letzten Teilabschnitts der Stadt von Frankreich an Deutschland jährt sich am Sonntag, 8. April, zum 65. Mal.

Rückblick auf den 23. November 1944: Im Laufe des Vormittags gelingt es den Alliierten, Straßburg nach vierjähriger Besatzung durch die Deutschen zu befreien. Während ein französischer Soldat den Münsterturm erklimmt und dort die Trikolore aufpflanzt, zerrt die Gestapo in Kehl neun französische Widerstandskämpfer aus dem Gefängnis, schleppt sie ans Rheinufer, ermordet sie, wirft ihre nackten Leichen in den Rhein. Zugleich drängt eine Menschenmasse über die Rheinbrücke nach Kehl. Das Artilleriefeuer aus Straßburg ist bis nach Kehl zu hören. Am frühen Nachmittag werden der Kehler Bahnhof und der Kehler Hafen direkt beschossen. Die deutsche Polizei läuft wenig später durch die Innenstadt und klingelt an den Haustüren: Alle Kehler werden aufgefordert, ihre Stadt zu verlassen. Kehl steht unter französischem Beschuss.

Unterschlupf bei Fremden

Ohne zu ahnen, wie lange sie fort müssen, machen sich die Kehler Familien meist zu Fuß auf den Weg aus der Stadt. Viele kommen bei Bekannten und Verwandten unter, die weiter von der Grenze entfernt wohnen, mancher findet bei Fremden Unterschlupf. Erst knapp einen Monat später ordnet die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt die Überführung in die Aufnahmestelle nach Überlingen an. Nach Kriegsende müssen die Geflüchteten Überlingen wieder verlassen und werden auf den damaligen Kreis Kehl verteilt. Kehl selbst bleibt jedoch für die Bevölkerung unerreichbar, nur Sundheim und der Kronenhof sind seit April 1945 wieder zugänglich.

Nachdem Straßburg während des Krieges von den Deutschen besetzt worden war, hatte Hitler Kehl zu einem Teil Straßburgs erklärt. Vor allem durch britisch-amerikanische Luftangriffe, nach der Befreiung Ende 1944 aber auch durch deutsche Bomber, waren in Straßburg viele Gebäude zerstört worden. Viele Kriegsheimkehrer und ehemals Evakuierte fanden ihre Wohnungen zertrümmert vor. So kommt man in Straßburg auf den Gedanken, diese Obdachlosen in Kehl unterzubringen. Grenzzäune werden errichtet, die ganze Stadt wird mit Stacheldraht umzäunt. Kehl wird auch verwaltungsmäßig zu einem Teil Straßburgs. Die Straßen erhalten neue französische Namen. Die Falkenhausenschule wird eine rein französische Schule, es eröffnen französische Geschäfte. 

Geplünderte Wohnungen

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Um Häuser oder Wohnungen in Kehl wieder herzurichten, fehlt den Franzosen Geld und Material. Die neuen Bewohner finden dort nicht die komplett eingerichteten Wohnungen vor, welche die Kehler zurückgelassen haben. Diese waren nach der Evakuierung von deutschen und später von französischen Soldaten geplündert worden. Kehler dürfen in dieser Zeit ihre Stadt nur mit einem Passierschein betreten. Diesen erhalten nur Personen, die im Stadtgebiet arbeiten. Abends müssen sie die Stadt aber wieder verlassen.

Etappenweise Rückgabe

Erst das Washingtoner Abkommen vom 8. April 1949 sichert den Deutschen die etappenweise Rückgabe ihrer Stadt zu. Es wird eine Rückgabe innerhalb von vier Jahren vereinbart. Dies lässt den Franzosen die Chance, in Straßburg Wohnraum für die rund 7000 in Kehl lebenden Heimkehrer zu schaffen. Im Eiltempo werden dort in der Cité de Rotterdam Hochhäuser hochgezogen, die heute noch stehen. Für die französischen Kehler, die sich in Kehl wohlfühlen, die glauben, eine neue Heimat gefunden zu haben, ist die Vereinbarung im Washingtoner Abkommen ein Schock.

Ein Schock

Für die nach und nach heimkehrenden Kehler ist der Zustand ihrer Häuser ein ebensolcher: Manche sind komplett abgetragen, weil, was von ihnen übrig war, in Kehl oder auch in Frankreich als Baumaterial verwendet worden war. Die Wohnungen sind verwohnt, dort, wo das Erdgeschoss nicht mehr intakt war, hatten die französischen Bewohner nicht selten ihre Nutztiere, wie Hühner und Ziegen, gehalten. Die Wohnungen sind abgewohnt und in der Regel so gut wie leer. Einen wirklichen Plan zum Wiederaufbau hat auch die Stadtverwaltung nicht. Gemeinsam versucht man nach jeder der 42 Teilrückgaben, die Stadt so rasch wie möglich wieder bewohnbar zu machen. 
Beginnend im Süden in nordwestliche Richtung bis zur Rheinbrücke wird am 29. Juli 1949 das erste Gebiet, die Sölling-Siedlung, freigegeben. Im Westen hingegen ist Kehl weiterhin eine französische Stadt, die Stück für Stück kleiner wird. Straßenzug um Straßenzug wird der das deutsche vom französischen Kehl hermetisch abtrennende Stacheldraht in Richtung Rhein versetzt. Genau vier Jahre später, am 8. April 1953, wird der letzte Grenzzaun entfernt und Kehl liegt nach achtjähriger Besatzung endgültig wieder in Händen einer deutschen Verwaltung. Für die einen ist es eine langersehnte Heimkehr, für die anderen ein tragischer Abschied.
 

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