Aktionstag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen in Kehl
Kehl. Pinke Schuhe und orangefarbene Tafeln machen während des Wochenmarkts am Freitag auf ein Phänomen aufmerksam, das immer mehr zunimmt: Femizide – Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts, meist verübt vom Partner beziehungsweise Ex-Partner oder durch ein anderes Familienmitglied. Jeden dritten Tag stirbt so in Deutschland eine Frau – erschossen, erstochen, mit dem Kissen erstickt, mit dem Auto überfahren. Vor der Friedenkirche wurden in einer schwer zu ertragenden Litanei die Namen der in diesem Jahr getöteten Frauen und der Tathergang vorgelesen.
97 Namen, 97 Frauen, die sterben mussten, weil sie sich trennen wollten, weil sie es wagten, eine eigene Meinung zu haben, oder auch nur, weil das Gegenüber Macht demonstrieren wollte. „Wir dürfen, wir wollen nicht wegschauen und still sein“, sagt Juliane Peters, Leiterin des Frauen- und Mütterzentrums (FMZ), das die Plakataktion initiiert hat. „Diese Morde passieren auch in Kehl.“
Präsenz zeigen
Vor der Friedenskirche stehen der Verein Frauen helfen Frauen, die Soroptimistinnen Offenburg-Ortenau, die Fachberatungsstellen Pink und FreiJa des Diakonischen Werks, die Caritas, der Weiße Ring und Mitglieder des Fachausschusses „Gewalt in der Familie“ der Bürgerstiftung Kehl (BSK). „Wir wollen Präsenz zeigen und die verschiedenen Beratungsangebote vorstellen“, sagt Lisa-Marie Fischer vom Verein Frauen helfen Frauen, der in Offenburg das Frauenhaus betreibt. Die Caritas als Anlaufstelle für Probleme in verschiedenen Lebenslagen sei dabei, weil bei Beratungsgesprächen manchmal auch das Thema Gewalt in der Familie aufploppe, sagt Caritas-Mitarbeiterin Natalie Strickfaden: „Da ist es gut, vernetzt zu sein, um den Frauen schnell helfen zu können.“
Auch Barbara Tonnelier, Vorsitzende der Bürgerstiftung, betont die Notwendigkeit des Netzwerks: „In den letzten sechs Wochen haben wir in zwei Fällen finanziell geholfen, als sich Hilfsorganisationen an uns wandten“, berichtet sie. Es sei frustrierend, wie oft die Behörden Hilfe verweigerten: „Sie handeln rechtlich sicher korrekt, aber es erbittert mich, dass in solchen Notfällen Ehrenamtliche einspringen müssen.“ Das Problem der häuslichen Gewalt sei beileibe nicht auf sozial Schwache oder Bürger aus anderen Kulturen beschränkt: „Das geht quer durch alle Schichten“, sagt sie. So hinter mancher gutbürgerlicher Fassade lebe eine gedemütigte, geschlagene Frau, die nicht den Mut findet, ihren Peiniger zu verlassen.
Viele Facetten
Gewalt gegen Frauen hat viele Facetten. Die Fachberatungsstelle Pink kümmert sich um Sexarbeiterinnen, FreiJa hilft Frauen, die von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung betroffen sind.
Im Kulturhaus wurde im Rahmen des Aktionsmonats eine von FreiJa konzipierte Ausstellung zum Loverboy-Phänomen gezeigt: Die Täter gaukeln jungen Mädchen die große Liebe vor, bringen sie in eine soziale und emotionale Abhängigkeit und zwingen sie in die Prostitution.
Nicht nur deshalb ist auch die Prävention ein wichtiges Thema. Der Verein Frauen helfen Frauen geht mit dem Präventionsprogramm „Klare Kante“ in Schulen, um zu vermeiden, dass es überhaupt zu Gewaltvorfällen kommt. Kinder und Jugendliche sollen in den Schulveranstaltungen frühzeitig für die eigenen Grenzen sensibilisiert werden, um mögliche Grenzverletzungen schneller erkennen und Übergriffe benennen zu können.