Anne Körkel aus Bodersweier bald Landwirtin des Jahres?
Geflügel hat bei Menschen, die sich bewusst ernähren wollen, aufgrund der vielen Skandale und der Haltungsbedingungen einen zweifelhaften Ruf. Anne Körkel aus Bodersweier tritt mit ihren »Ha(h)nauern« den Beweis an, dass es auch anders geht.
Geschäftig wuseln die vier Wochen alten Hühnervögel auf der Streuobstwiese hin und her, picken, scharren und rennen hektisch auf ihren mobilen Stall zu, als in der Ferne Motorradgeknatter zu hören ist. »Hühner sind schreckhaft und sie sind Herdentiere. Rennt eine zum Stall, rennen die meisten hinterher«, sagt Anne Körkel (32), die seit zwei Jahren Hähnchen in Freilandhaltung hält. Maximal 450 Tiere haben bei ihr ein schönes Leben, bevor es ihnen im Alter von 60 bis 70 Tagen an den Kragen geht. »Das tut schon weh«, gibt die studierte Agrarwissenschaftlerin zu. »Aber es beruhigt mich zu wissen, für wen ich meine Hähnchen produziere.«
Annes Ha(h)nauer gibt es nur auf dem Hof und nur auf Vorbestellung – und nur frisch. »Ich friere nichts ein«, sagt sie. »Wir informieren die Kunden, wann der Vermarktungstag ist, und dann kommen sie zu uns und holen ihr Hähnchen ab.« Auch die Marktscheune im Kinzigtal und ein bekanntes Kehler Restaurant gehören zu ihren Abnehmern. Da ihre Hähnchen doppelt so alt werden wie Tiere aus konventioneller Mast, sind sie auch schwerer: Von 1,6 bis 3 Kilogramm wiegen die schmackhaften Gesellen.
Neben dem Tierwohl legt Anne Körkel auch besonderen Wert auf Regionalität: Das Futter bezieht sie zu 85 Prozent aus dem landwirtschaftlichen Betrieb der Schwiegereltern. Auf das Label »Bio« verzichtet sie bewusst: »Mir sind die kleinen Kreisläufe wichtiger, das ist mit Bio nicht möglich. Außerdem weiß ich ja, was an die Futterpflanzen kommt.« Zudem versucht sie, komplett auf Medikamente zu verzichten und setzt stattdessen auf Tierbeobachtung. Eine Stunde am Tag ist sie mindestens bei ihren Hähnchen: »Man entwickelt ein Gespür dafür, wie es den Tieren geht«, sagt sie.
Der Liebe wegen hier
Anne Körkel stammt aus Lüneburg. Ins Hanauerland verschlug es sie der Liebe wegen. Ihren Mann hat sie bei den Deutschen Meisterschaften im Beetpflügen kennengelernt – sie war Niedersächsische Landesmeisterin, er der Champion aus Baden-Württemberg. Mit dem Federvieh ist sie vertraut: Ihre Eltern hielten auch Hühner, allerdings in einer klassischen Legebatterie, dreistöckig. »Zum Glück ist das heute nicht mehr erlaubt«, sagt sie.
Derzeit im Mutterschutz, war sie zuvor Pressesprecherin beim BLHV (Badischer Landwirtschaftlicher Hauptverband). Aus dieser Tätigkeit heraus reifte in ihr die Erkenntnis, dass man als Landwirt eine »Bringschuld« habe: »Wir müssen gerade in der Geflügelhaltung das Vertrauen der Verbraucher zurückgewinnen«, sagt sie. »Transparenz ist ganz wichtig.« Deshalb können auch jederzeit Besucher auf den Bodersweierer Kirschhof kommen und sie und ihre Hähnchen besuchen.
Mit ihrem Konzept hat sich Anne Körkel um den Ceres Award, den Preis für den besten Landwirt, beworben – und wurde in der Kategorie »Unternehmerin« nominiert. »Dass das so lief, ist ja gut«, sagt sie trocken. »Aber vor allem möchte ich damit junge Landwirte ermutigen, nach Alternativen zu suchen.«
Ihr Erfolg zeigt, dass man Nischen erfolgreich nutzen kann, ohne riesige Investitionen tätigen zu müssen. Für ihre Ha(h)nauer braucht sie nur einen mobilen Stall, Futter und etwas Land. Auf eine Förderung hat sie bewusst verzichtet: »Wenn sich diese Art der Hühnerhaltung nicht trägt, läuft etwas falsch«, sagt sie. Natürlich sind »Annes Ha(h)nauer« teurer als die Gummiadler aus der Supermarkt-Tiefkühltruhe, aber ihr Fleisch ist durch den höheren Muskelanteil fester und schmackhafter. »Das größte Lob ist für mich, wenn die alten Damen sagen: Die schmecken so wie früher«, sagt Anne Körkel.