Berührender musikalischer Abgang

(Bild 1/2) Die Harmonie Leutesheim legte zum Abschluss einer Ära ein fulminantes Konzert hin. ©Stephan Hund
Um die 350 Leute, darunter der Kehler Oberbürgermeister Wolfram Britz, kamen am Samstag in die Mehrzweckhalle Leutesheim, um dem Jahreskonzert des Blasorchesters Harmonie Leutesheim beizuwohnen und zugleich seinen Dirigenten Dieter Baran zu ehren, der sich nach 47 Jahren an diesem Abend von seinem Ensemble verabschiedete.
Nebst der fulminanten musikalischen Darbietung war die Veranstaltung mit Danksagungen, Lobpreisungen und auch humorvollen Reden gespickt. Diese würdigten die Aktivität von Baran und weckten Erinnerungen aus der Vergangenheit mit ihm.
Feinfühlig und fördernd
Auf der Bühne zitterten die Stimmen einiger Orchestermitglieder, als sie davon sprachen, was Baran für sie und ihre Entwicklung als Musiker bedeutete – neun davon waren sogar von Anfang an dabei. Aber „sehr viele von uns waren noch nicht mal geboren“, als der Berliner Profimusiker die Stelle 1976 annahm und eine neue Ära für den Verein eröffnete, hieß es.
Baran machte aus dem Orchester, das wohl nur Polkas und Märsche spielen konnte, ein gut geschultes Ensemble, mit hochwertigen Instrumenten ausgerüstet, das ein immenses Repertoire aus allen Epochen und Stilrichtungen makellos und ohne einen falschen Ton ausführen kann.
Es gab wertschätzende Worte auch über Barans Art zu arbeiten: Er habe das Ensemble stets feinfühlig und zugleich fördernd behandelt „Nie, nie hat Dieter einen von uns ausgenommen oder bloßgestellt“, hieß es – „und das soll bei einem Profidirigenten wirklich was heißen!“
Es waren über drei Stunden voller Schönheit, Berührtheit, Musikhochgenuss und Wehmut zugleich. Die „Harmonie“ bot ein Puzzle aus unterschiedlichen Stilrichtungen der letzten Jahrzehnte: Rock- und Popklassiker, Filmmusik und Konzertmärsche – von „Albastum“ von Stijn Roels und „Crossbreed“ von Thiemo Kraas, über Ennio Morricones „Spiel mir das Lied vom Tod“, Paul Simons‘ „The Sound of Silence“, „Best of Joplin“ (Scott Joplin), „Bohemian Rhapsody“ von Queen bis zu Udo Jürgens. Daraufhin „Candyman“ von Christina Aguilera, die „Ballade pour Adeline“ von Paul de Senneville und „Puppet on a String“ von P. Coulter/ B. Martin. Und nicht zuletzt französische Musik mit „Vive la France!“ (Arrangement von F. Bernaerts) und „Music“ von John Miles.
Eine wunderbare Bereicherung waren die Soli der Gastpianistin Tatjana Schlegel, von Alina Fimeyer (Saxophon) und Matthias Merget (E-Gitarre).
Stehende Ovationen
Der Applaus dauerte minutenlang an, im Stehen, mit stürmischem Zujubeln. Bei der Zugabe „It’s Time To Say Good Bye“ von Sartori explodierten die Emotionen: im Publikum zündete man Kerzen an, gehobene Arme wedelten Lichter zum Abschied.
Die Orchestermitglieder inszenierten für ihren Leiter unvergessliche Momente: Sie ernannten ihn zum Ehrenmitglied des Vereins und spielten für ihn „Thank You For The Music“ von Abba, währenddessen er sich zum Publikum gesellen durfte.
Nachdem auch die letzten Töne der allerletzten Zugabe in der vor Spannung knisternden Luft verklungen waren – Baran verließ die Bühne schon, bevor das Stück zu Ende war – gingen unter einem Tsunamiapplaus die Musiker in die Umkleidekabine zu ihm. Die Frauen mit weißen Rosen in der Hand – Umarmungen und mehrmals „ein dreimal Hoch!“ für ihren geliebten Dirigenten.
„Erste und letzte Liebe“
Umarmungen und diskret abgewischte Tränen… Panta rhei – alles fließt, alles stirbt und erneuert sich. Die Musik bleibt aber, „meine erste Liebe und die letzte“, so der gefeierte Dirigent.