Willstätt

Bis zu 20 Rehkitze werden totgemäht

Florian Würth
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20. Juni 2015
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©Erna Bäuerle Archiv

Das junge Reh hatte Glück. Um Haaresbreite ist es der großen Mähmaschine entkommen, die sich unaufhaltsam ihren Weg durch die Wiese bahnt. Mit hohen Sprüngen macht sich das Kitz aus dem Staub. Sein kleiner Artgenosse hingegen hat es nicht geschafft. Sein zerstückelter Körper bleibt im gemähten Gras zurück.

Diese Szene, die sich vor einigen Tagen auf einer Wiese des Willstätter Ortsteils Legelshurst abgespielt hat, ist kein Einzelfall. Der Deutschen Wildtier Stiftung zufolge sterben in Deutschland jährlich 500 000 Wildtiere beim Mähen von Grünland. Nicht nur Rehe, sondern auch Feldhasen, Amphibien und Reptilien. Besonders sind brütende Vögel betroffen, von denen viele auf der Roten Liste gefährdeter Arten stehen.

Das Rehkitz musste beim jüngsten Unfall nicht lange leiden. Immerhin, denn der schnelle Tod ist bei solchen Unfällen keine Selbstverständlichkeit. Oft liegen die Tiere schwerverletzt auf dem Boden, schreien erbärmlich und müssen von Menschenhand erlöst werden. »Rehkitze haben in den ersten Lebenswochen den Reflex, sich bei drohender Gefahr zu ducken«, erklärt Förster Georg Weis, der in Legelshurst zugleich zur Jagd geht. So wird den Tieren eine Überlebensstrategie zum Verhängnis, die sich in der Natur jahrtausendelang bewährt hat. Ausgewachsene Tiere hingegen fliehen, wenn sie bedroht werden.

Es sind moderne Zeiten in der Landwirtschaft. In den vergangenen Jahrzehnten sind die Gefährte immer schneller, die Mähwerke immer breiter geworden. Zeitdruck und ökonomische Zwänge sind Teil des Berufs. Das Gras hat etwa die beste Futterqualität, wenn es recht früh,  je nach Witterung schon in der ersten Maihälfte, geschnitten wird – mitten in  der Brut- und Aufzuchtszeit zahlreicher Tierarten.  Gleichzeitig ist es für die Bauern am einfachsten, von außen nach innen zu mähen. So werden die Wildtiere jedoch eingekesselt und können nicht fliehen. Unfälle sind deshalb keine Ausnahme, sondern eher die Regel. Jeder Landwirt dürfte schon einmal ein Reh »vermäht« haben, wie es im Jargon heißt. Förster Georg Weis sagt, im Legelshurster Jagdrevier (das mit 1650 Hektar, davon sind etwa 200 bis 300 Hektar Wiesen, vergleichsweise groß ist) würden ihm pro Jahr fünf bis zehn Unfälle mit Rehkitzen gemeldet. Schätzungsweise kommen ihm zufolge noch einmal fünf bis zehn Kitze pro Jahr hinzu, die nicht gemeldet werden.

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Eine effektive Möglichkeit, die Zahl der Mähunfälle zu reduzieren, ist die rechtzeitige Vergrämung der Tiere. Im Idealfall verständigt der Landwirt einen Tag vor dem Mäheinsatz den jeweils zuständigen Jagdpächter. »Dann suche ich abends mit dem Hund das Feld ab«, erzählt Förster Weis. »Wenn ich ein Kitz finde, bringe ich es aus der Gefahrenzone. Die Rehgeiß folgt ihm dann nach.« Aber wie viele Landwirte machen sich diese Mühe? Vor zwei Jahren schockte der Fall eines Hausacher Landwirts die Öffentlichkeit. Er hatte unter den Augen von Zeugen zwei Rehkitze »vermäht«, obwohl er vor dem Einsatz gewusst hatte, dass sich diese noch im hohen Gras befinden mussten. Wenn man der Einschätzung von Manfred Bannwarth glaubt, spiegeln diese Vorkommnisse nicht die Normalität wider. Bannwarth ist der Vorsitzende des Maschinenrings Ortenau, der seinen Sitz in Willstätt-Legelshurst hat. Der Verein verleiht unter anderem landwirtschaftliche Maschinen und vermittelt Saisonarbeitskräfte. »Ich bin mir sicher, dass sich die Mehrheit daran hält«, sagt Bannwart über die wünschenswerten Vergrämungsmaßnahmen. Sein Verein gebe auch entsprechendes Infomaterial an die Landwirte weiter.

Reinhard Schäfer, Landwirt aus Legelshurst, kümmert sich nach eigenen Angaben sehr gewissenhaft um die korrekten Maßnahmen: »Ich gebe einen Tag vor dem Mähen den Jägern Bescheid, dann stellen sie blinkende Baustellenlichter aufs Feld.« Seiner Meinung nach ist das für einen Bauern machbar. Spontanes Mähen sei dann jedoch eher schwierig. Auch von innen nach außen zu mähen findet Schäfer gut und richtig, vor allem bei Grundstücken, die eine quadratische Form haben – da ist der Mittelpunkt am besten zu finden.
Wildunfälle beim Mähen entstehen in einem Spannungsfeld des sich verschärfenden Wettbewerbs auf dem Agrarsektor und der Bereitschaft der Beteiligten, auf die Tiere Rücksicht zu nehmen. Für manche Wiesenflächen, etwa in Vogelschutzgebieten, gibt es Regeln. Zum Beispiel, dass das Mähen erst ab Mitte Juni erlaubt ist. Auf viele andere Flächen trifft das das jedoch nicht zu.

Hoffnungen ruhen auch auf technischen Verbesserungen  – wie Wärmesensoren, die versteckte Tiere frühzeitig erkennen können. Aber auch hier gilt: Die Technik wird nur dem helfen, der den Willen hat, sie einzusetzen – und den Zusatzaufwand nicht scheut.

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