Bundestagsabgeordnete Karin Binder informiert in Kehl
Sozial, gerecht, Frieden für alle – mit diesem Slogan wirbt die Partei Die Linke um Wähler. Wie sich die Kandidatin der Partei, Karin Binder, damit beim Straßenwahlkampf positioniert, haben wir in Kehl beobachtet.
Eine Woche vor der Wahl drängen sich die Info-Stände der Parteien auf dem Kehler Wochenmarkt. Viele Gemeinderäte kommen im Laufe des Vormittags vorbei, um ihre jeweiligen Mitstreiter zu besuchen – sofern sie nicht sowieso schon da sind, um Wahlkampf zu machen.
Kandidat kam abhanden
Am Stand der Linken dagegen kämpft mit der Karlsruherin Karin Binder eine Bundestagsabgeordnete um Wählerstimmen. »Eigentlich wollte ich nach zwölf Jahren im Parlament aufhören«, sagt die 60-Jährige. »Doch dann ist dem Ortenaukreis der Kandidat abhanden gekommen.« Der Lahrer Linke-Gemeinderat Lukas Oßwald war im Mai aus gesundheitlichen Gründen von allen politischen Ämtern zurückgetreten. »Und weil man so schnell keinen neuen Kandidaten aus dem Ärmel schütteln konnte, wurde ich als ›alte Häsin‹ gefragt, ob ich einspringen kann.«
Engagierte Diskussionen
So steht Karin Binder an diesem Freitag auf dem Kehler Wochenmarkt – und lernt die örtlichen Besonderheiten kennen: »Mir sin von driebe«, antworten ihr zwei Elsässerinnen, denen sie den Wahl-Flyer entgegenhält. Er dürfe in Deutschland nicht wählen, erklärt der Nächste, »Oh no, I’m Swedish« wehrt der Dritte ab. Rund 70 Prozent der Menschen, die sie hier anspricht, sind nicht wahlberechtigt, schätzt sie. Umso engagierter sind die Diskussionen, wenn sie auf einen potenziellen Wähler trifft.
Viel Sachkenntnis
Dass sie den Politikbetrieb kennt und viel Sachkenntnis hat, merkt man schnell. Altersversorgung, Leiharbeit, Grundsicherung, soziale Gerechtigkeit – das sind ihre Themen. Mit einer jungen Muslimin diskutiert sie über Religionsfreiheit und den Islam – und empfiehlt ihr als Erstwählerin, den Wahl-O-Mat zu nutzen. Flugs zückt sie ihr Tablet, um ihr die Seite im Internet zu zeigen.
Erschwerte Umstände
Karin Binder kämpft unter erschwerten Bedingungen. Als Städterin und überzeugte ÖPNV-Nutzerin besitzt sie keinen Führerschein – und seit der Sperrung der Rheintalbahn ist es für sie viel schwieriger, ihren Wahlkreis zu erreichen. Statt einer halben Stunde braucht sie meist dreimal so lang. »Ich versuche, die Termine zu bündeln, damit ich nicht immer hin und her fahren muss«, sagt sie. »Das ist schon anstrengend. Ich muss ja auch immer viel Zeug mitschleppen.« Auch wenn sie sich gründlich in die Themen und Probleme ihres Wahlkreises eingearbeitet hat, musste sie sich erst an den ländlichen Zuschnitt gewöhnen: »In einen Landkreis zu kandidieren ist anders als in einer Stadt, es ist vielfältiger.« Es stehen mehr offizielle Termine an, Besuche von Gemeinden und Einrichtungen, Zeitungsinterviews, Podiumsdiskussionen. Da bleibt weniger Zeit für persönliche Kontakte mit Wählern – was für sie sehr wichtig ist, »um das Gefühl zu kriegen, was los ist«.
Um 13 Uhr packen die Marktbeschicker zusammen, die politischen Mitbewerber sind längst schon weg. Eigentlich hatte die Linke-Kandidatin im Anschluss einen Besuch auf dem Landfahrer-Platz geplant, aber ihre Kontaktperson hatte kurzfristig abgesagt. »Das ist schade«, sagt sie. »Ich habe den Eindruck, dass es gerade hier in der Region Vorbehalte gegen Sinti und Roma gibt.« Ohne Bezugsperson möchte sie aber nicht dorthin, um nicht als Eindringling zu erscheinen. Wähler hätte sie dort ohnehin nicht getroffen, doch darum geht es ihr bei diesem Besuch nicht. »Die Linke legt den Fokus auf die Menschen, die in prekären Verhältnissen leben«, sagt sie. »Es interessiert mich einfach, wie es denen geht, die dort wohnen.«