Burkini-Abstimmung: »Kein gutes Signal!«
Weltanschauung, Hygiene, Gleichberechtigung: Die Diskussion über eine Neufassung der Bädersatzung entwickelte sich am Mittwochabend im Kehler Gemeinderat zum echten Politikum.
Mit 13 zu 7 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) hat sich der Kehler Gemeinderat am Mittwochabend gegen den Antrag von Stadtrat Klaus Heß (Freie Wähler) ausgesprochen, einen Passus in die Bädersatzung aufzunehmen, der Badekleidung, die den Körper insgesamt verhüllt, künftig ausschließt (die Kehler Zeitung berichtete gestern). Dabei ging es um den sogenannten Burkini, Badeanzüge wie sie von vielen muslimischen Frauen getragen werden. Im Vorfeld hatte sich der Auenheimer Ortschaftsrat für ein Burkini-Verbot ausgesprochen – eine Forderung, die Ortsvorsteherin Sanja Tömmes am Mittwoch auch im Gemeinderat vertrat – allein aus hygienischen Gründen, wie sie immer wieder betonte. Schließlich seien ja auch Badeshorts nicht erlaubt, und man wisse ja nicht, »was die Damen unter den Burkinis tragen«.
Drei Burkinis gesichtet
Es sei aber »ganz offensichtlich, dass der eigentliche Grund für die Ablehnung ein rein weltanschaulicher ist«, bewertete Stadtjustiziar Klaus Poßberg die entstandene Debatte und warnte: »Weltanschauungswächter darf die Stadt nicht sein!«
Man solle »auf Burkinis erst reagieren, wenn es entsprechende Probleme gibt«, empfahl der Auenheimer Stadtrat und SPD-Fraktionsvorsitzende Werner Müll. Tatsächlich wurden laut Baubürgermeister Harald Krapp, der in seiner Funktion als Betriebsleiter der Technischen Dienste das Wort ergriff, im vergangenen Jahr nur drei Frauen in diesen Badeanzügen gesichtet. Krapp sprach in diesem Zusammenhang deshalb von einer »Phantom-Diskussion«.
Wolfgang Maelger, Sprecher der Fraktion Grüne/Frauen/Jugend, verwies angesichts der nicht nur in Kehl geführten Debatte auf eine »Gesellschaft im Wandlungsprozess«. In Bezug auf Badekleidung halte er die bestehende Satzung jedoch für »ausreichend«. Man solle die Entwicklung abwarten, schloss er sich inhaltlich Müll an. Eine durchaus differenzierte Haltung dazu vertrat Maelgers Fraktionskollegin Marina Nohe: »Ich finde es ganz schrecklich, dass Frauen sich verhüllen müssen. Das hat nichts mit Religion, sondern mit dem patriarchalischen System zu tun.« Ein Burkini-Verbot sei dennoch nicht das Richtige: »Wir würden damit nicht nur Frauen ausschließen, sondern auch Kinder.« Jeder solle zum Baden das anziehen dürfen, was »hygienisch vertretbar« sei. Eine Regelungsbedürftigkeit sehe sie nicht.
»Burkini nein!«
Erst müsse eine Studie zeigen, dass sich durch Burkini die Wasserqualität nicht verschlechtere, entgegnete der Fraktionschef der Freien Wähler, der Mediziner Claus-Dieter Seufert. Aus hygienischen Gründen müsse man deshalb sagen: »Burkini nein!« Der Verwaltungsrechtler und SPD-Stadtrat Hans-Jürgen Sperling mahnte: »Wir greifen hier in Grundrechte ein. Das müssen wir begründen, und das können wir nicht.« Ein Burkini-Verbot sei deshalb »rechtlich nicht möglich.«
In seiner Fraktion sei man zum Thema unterschiedlicher Meinung, betonte CDU-Chef Richard Schüler. Er persönlich finde aber, man solle aus hygienischen Gründen Burkini ausschließen. Einen entsprechenden Antrag zog Schüler jedoch wieder zurück, nachdem auch OB Vetrano seine Bedenken zum Ausdruck gebracht hatte. An Schülers Stelle trat daraufhin der Freie Wähler Heß.
»Kein gutes Signal« sei das, quittierte OB Vetrano die Abstimmung an sich, die nicht zuletzt die Zerrissenheit des Gemeinderats in der Burkini-Frage zum Ausdruck brachte. Einstimmigkeit hingegen zeigte der Rat bei der Abstimmung in einer anderen Frage: dem Rauchverbot in Kehler Freibädern. Rauchen wird künftig nur noch in speziell gekennzeichneten Bereichen erlaubt sein. Auslöser dieser Debatte war die Zunahme von mit Kohle beheizten »Shisha«-Wasserpfeifen, die Tömmes im Auenheimer Freibad festgestellt hatte. »Ich habe hier aber auch wieder ein kleinwenig das Gefühl, dass es was mit Weltanschauung zu tun hat«, wandte sich Krapp an die Ortsvorsteherin und wies sie im gleichen Atemzug zurecht: Tömmes habe im März sowohl ein Burkini- als auch ein Shisha-Verbot ausgesprochen. Krapp: »Das liegt nicht in Ihrem Verantwortungsbereich!«
Auch auf Facebook sorgte dieses Thema für Zündstoff. Der Landtagsabgeordnete der Alternative für Deutschland (AfD) Stefan Räpple kommentierte sogar, dass er in Erfahrungen bringen möchte, welche Abgeordneten gegen ein Burkini-Verbot gestimmt haben, um die Namen dann auf seiner Homepage zu veröffentlichen.
Diskussion auf Facebook
Das Abstimmungsergebnis über ein Burkini-Verbot in Kehler Bädern hat in den sozialen Medien schon kurz nach Bekanntwerden heftige Reaktionen provoziert. Der entsprechende Post auf der Facebook-Seite der Kehler Zeitung wurde seit Mittwochabend 60-mal geteilt und hat bereits knapp 15 000 Leser erreicht. Auffällig ist die hohe Zahl von Meinungsäußerungen mit mehr als 400 Kommentaren. Deren Stoßrichtung ist eindeutig: Die weit überwiegende Mehrheit spricht sich für ein Burkini-Verbot aus.
Unter den Kommentatoren sind auch prominente Namen:
◼ Die Auenheimer Ortsvorsteherin Sanja Tömmes schreibt unter anderem: »Welch eine Ohrfeige für den Auenheimer Ortschaftsrat.« (...) »NUR 7 Zustimmungen, 3 Enthaltungen und der große Rest ein NEIN zum Verbot der Burkinis. Ich bin fassungslos!« (...)
◼ Stefan Räpple (AfD), Landtagsabgeordneter für Kehl, kündigt an, die Namen von »Nein«-Sagern ins Internet zu stellen: »Ich werde versuchen, die Abgeordneten die dagegen gestimmt haben in Erfahrung zu bringen und deren Namen auf meiner Homepage zu veröffentlichen. Dies soll eine Entscheidungsgrundlage darstellen für die kommende Gemeinderatswahl in Kehl.«
◼ Räpples ehemaliger Wahlkreis-Mitbewerber, der Grüne Norbert Hense, reagiert prompt: »Herr Räpple, schreiben Sie zur nächsten Kommunalwahl, dass ich für Burkinis gestimmt hätte! Mir ist es nämlich egal, wie sich jemand zum Schwimmen/Baden kleidet. Das ist dem Einzelnen selbst überlassen.«
Politischer Flurschaden
Bis zuletzt wollte der Kehler Oberbürgermeister ein Votum über die Burkini-Frage verhindern. Völlig zurecht: Toni Vetrano war bewusst, welcher immense politische Flurschaden die Abstimmung verursachen würde – und zwar völlig unabhängig von ihrem Ausgang.
Ein Verbot (aus »hygienischen« Gründen) der Ganzkörperbadeanzüge, wie sie von vielen muslimischen Frauen getragen wird, tat schlichtweg keine Not. Frauen, die in Vollverschleierung ins Wasser steigen, sind in Kehl extrem selten und deshalb auch kein hygienisches Problem. Dass es hier primär um weltanschauliche Fragen geht, das hat die Mehrheit des Gemeinderats auch erkannt und entsprechend abgestimmt.
Der Antragsteller jedenfalls – das zeigt die aufgeflammte öffentliche Debatte – hat der Kehler Kommunalpolitik und ihren Vertretern einen Bärendienst erwiesen. Soweit hätte es nicht kommen dürfen!
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