Kehl

Burkini-Abstimmung: »Kein gutes Signal!«

Martin Egg
Lesezeit 4 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
13. Mai 2016
Mehr zum Thema

©pixabay

Weltanschauung, Hygiene, Gleichberechtigung: Die Diskussion über eine Neufassung der Bädersatzung entwickelte sich am Mittwochabend im Kehler Gemeinderat zum echten Politikum.  

Mit 13 zu 7 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) hat sich der Kehler Gemeinderat am Mittwochabend gegen den Antrag von Stadtrat Klaus Heß (Freie Wähler) ausgesprochen, einen Passus in die Bädersatzung aufzunehmen, der Badekleidung, die den Körper insgesamt verhüllt, künftig ausschließt (die Kehler Zeitung berichtete gestern). Dabei ging es um den sogenannten Burkini, Badeanzüge wie sie von vielen muslimischen Frauen getragen werden. Im Vorfeld hatte sich der Auenheimer Ortschaftsrat für ein Burkini-Verbot ausgesprochen – eine Forderung, die Ortsvorsteherin Sanja Tömmes am Mittwoch auch im Gemeinderat vertrat – allein aus hygienischen Gründen, wie sie immer wieder betonte. Schließlich seien ja auch Badeshorts nicht erlaubt, und man wisse ja nicht, »was die Damen unter den Burkinis tragen«. 

Drei Burkinis gesichtet
Es sei aber »ganz offensichtlich, dass der eigentliche Grund für die Ablehnung ein rein weltanschaulicher ist«, bewertete Stadtjustiziar Klaus Poßberg die entstandene Debatte und warnte: »Weltanschauungswächter darf die Stadt nicht sein!« 
Man solle »auf Burkinis erst reagieren, wenn es entsprechende Probleme gibt«, empfahl der Auenheimer Stadtrat und SPD-Fraktionsvorsitzende Werner Müll. Tatsächlich wurden laut Baubürgermeister Harald Krapp, der in seiner Funktion als Betriebsleiter der Technischen Dienste das Wort ergriff, im vergangenen Jahr nur drei Frauen in diesen Badeanzügen gesichtet. Krapp sprach in diesem Zusammenhang deshalb von einer »Phantom-Diskussion«. 

Wolfgang Maelger, Sprecher der Fraktion Grüne/Frauen/Jugend, verwies angesichts der nicht nur in Kehl geführten Debatte auf eine »Gesellschaft im Wandlungsprozess«. In Bezug auf Badekleidung halte er die bestehende Satzung jedoch für »ausreichend«. Man solle die Entwicklung abwarten, schloss er sich inhaltlich Müll an. Eine durchaus differenzierte Haltung dazu vertrat Maelgers Fraktionskollegin Marina Nohe: »Ich finde es ganz schrecklich, dass Frauen sich verhüllen müssen. Das hat nichts mit Religion, sondern mit dem patriarchalischen System zu tun.« Ein Burkini-Verbot sei dennoch nicht das Richtige: »Wir würden damit nicht nur Frauen ausschließen, sondern auch Kinder.« Jeder solle zum Baden das anziehen dürfen, was »hygienisch vertretbar« sei. Eine Regelungsbedürftigkeit sehe sie nicht.

»Burkini nein!« 
Erst müsse eine Studie zeigen, dass sich durch Burkini die Wasserqualität nicht verschlechtere, entgegnete der Fraktionschef der Freien Wähler, der Mediziner Claus-Dieter Seufert. Aus hygienischen Gründen müsse man deshalb sagen: »Burkini nein!« Der Verwaltungsrechtler und SPD-Stadtrat Hans-Jürgen Sperling mahnte: »Wir greifen hier in Grundrechte ein. Das müssen wir begründen, und das können wir nicht.« Ein Burkini-Verbot sei deshalb »rechtlich nicht möglich.«
In seiner Fraktion sei man zum Thema unterschiedlicher Meinung, betonte CDU-Chef Richard Schüler. Er persönlich finde aber, man solle aus hygienischen Gründen Burkini ausschließen. Einen entsprechenden Antrag zog Schüler jedoch wieder zurück, nachdem auch OB Vetrano seine Bedenken zum Ausdruck gebracht hatte. An Schülers Stelle trat daraufhin der Freie Wähler Heß. 

- Anzeige -

»Kein gutes Signal« sei das, quittierte OB Vetrano die Abstimmung an sich, die nicht zuletzt die Zerrissenheit des Gemeinderats in der Burkini-Frage zum Ausdruck brachte. Einstimmigkeit hingegen zeigte der Rat bei der Abstimmung in einer anderen Frage: dem Rauchverbot in Kehler Freibädern. Rauchen wird künftig nur noch in speziell gekennzeichneten Bereichen erlaubt sein. Auslöser dieser Debatte war die Zunahme von mit Kohle beheizten »Shisha«-Wasserpfeifen, die Tömmes im Auenheimer Freibad festgestellt hatte. »Ich habe hier aber auch wieder ein kleinwenig das Gefühl, dass es was mit Weltanschauung zu tun hat«, wandte sich Krapp an die Ortsvorsteherin und wies sie im gleichen Atemzug zurecht: Tömmes habe im März sowohl ein Burkini- als auch ein Shisha-Verbot ausgesprochen. Krapp: »Das liegt nicht in Ihrem Verantwortungsbereich!«

Auch auf Facebook sorgte dieses Thema für Zündstoff. Der Landtagsabgeordnete der Alternative für Deutschland (AfD) Stefan Räpple kommentierte sogar, dass er in Erfahrungen bringen möchte, welche Abgeordneten gegen ein Burkini-Verbot gestimmt haben, um die Namen dann auf seiner Homepage zu veröffentlichen.

 

Hintergrund

Diskussion auf Facebook

Das Abstimmungsergebnis über ein Burkini-Verbot in Kehler Bädern hat in den sozialen Medien schon kurz nach Bekanntwerden heftige Reaktionen provoziert. Der entsprechende Post auf der Facebook-Seite der Kehler Zeitung wurde seit Mittwochabend 60-mal geteilt und hat bereits knapp 15 000 Leser erreicht. Auffällig ist die hohe Zahl von Meinungsäußerungen mit mehr als 400 Kommentaren. Deren Stoßrichtung ist eindeutig: Die weit überwiegende Mehrheit spricht sich für ein Burkini-Verbot aus. 

Unter den Kommentatoren sind auch prominente Namen: 

◼ Die Auenheimer Ortsvorsteherin Sanja Tömmes schreibt unter anderem: »Welch eine Ohrfeige für den Auenheimer Ortschaftsrat.« (...) »NUR 7 Zustimmungen, 3 Enthaltungen und der große Rest ein NEIN zum Verbot der Burkinis. Ich bin fassungslos!« (...) 

 Stefan Räpple (AfD), Landtagsabgeordneter für Kehl, kündigt an, die Namen von »Nein«-Sagern ins Internet zu stellen: »Ich werde versuchen, die Abgeordneten die dagegen gestimmt haben in Erfahrung zu bringen und deren Namen auf meiner Homepage zu veröffentlichen. Dies soll eine Entscheidungsgrundlage darstellen für die kommende Gemeinderatswahl in Kehl.«

◼ Räpples ehemaliger Wahlkreis-Mitbewerber, der Grüne Norbert Hense, reagiert prompt: »Herr Räpple, schreiben Sie zur nächsten Kommunalwahl, dass ich für Burkinis gestimmt hätte! Mir ist es nämlich egal, wie sich jemand zum Schwimmen/Baden kleidet. Das ist dem Einzelnen selbst überlassen.« 

Kommentar

Politischer Flurschaden

Bis zuletzt wollte der Kehler Oberbürgermeister ein Votum über die Burkini-Frage verhindern. Völlig zurecht: Toni Vetrano war bewusst, welcher immense politische Flurschaden die Abstimmung verursachen würde – und zwar völlig unabhängig von ihrem Ausgang. 
Ein Verbot (aus »hygienischen« Gründen) der Ganzkörperbadeanzüge, wie sie von vielen muslimischen Frauen getragen wird, tat schlichtweg keine Not. Frauen, die in Vollverschleierung ins Wasser steigen, sind in Kehl extrem selten und deshalb auch kein hygienisches Problem. Dass es hier primär um weltanschauliche Fragen geht, das hat die Mehrheit des Gemeinderats auch erkannt und entsprechend abgestimmt. 
Der Antragsteller jedenfalls – das zeigt die aufgeflammte öffentliche Debatte – hat der Kehler Kommunalpolitik und ihren Vertretern einen Bärendienst erwiesen. Soweit hätte es nicht kommen dürfen!

@ Wie ist Ihre Meinung? Schreiben Sie an
martin.egg@reiff.de  

Mehr zum Thema

Weitere Artikel aus der Kategorie: Kehl

Rund 30 Schausteller werden in diesem Jahr wieder beim Ostermarkt dabei sein. Neben dem charakteristischen Riesenrad wird es ein Kinderkarussell, Boxautos und viele weitere Fahrgeschäfte geben.
vor 20 Stunden
Osterstimmung in Kehl
Ein farbenfrohes Programm bietet die Kehler Innenstadt an zwei Wochen rund um Ostern. Ein Highlight ist dabei mit Sicherheit der Ostermarkt vom 30. März bis zum 6. April.
Die in Warmhalteboxen verpackten Mahlzeiten werden ins Auto geladen. Unter dem Hauptgericht befindet sich eine erhitzte Metallplatte.
27.03.2024
Serie Senioren in Kehl (11)
Jeden Tag eine warme Mahlzeit frei Haus, das bieten die „Essen auf Rädern“-Dienste an. Wie das Ganze funktioniert, haben wir uns einmal angeschaut.
Erhabene Momente mit Varduhi Toroyan (Sopran), Qetoura Brinkert (Barockoboe) und Antoine Bergossi (Cembalo).
27.03.2024
Kehl
In der Kehler Christuskirche boten studierende Sänger Instrumentalisten des Conservatoire de la musique et de la danse und der Académie Strasbourg ein tolles Konzert mit Barockmusik.
Die Nominierungskandidaten der Freien Wähler Kehl (alphabetisch): Samuel Ackermann, Manuela Boesinger, Carlos De Oliveira Albuquerque, Juksel Dogan, Michael Eisenbeiß, Eva Erhardt, Robert Fautz, Anette Fien, Noor Halitim, Klaus Heidt, Markus Heidt, Horst Heitz, Kieffer Stephan, Markus Kleinhans, Kerstin Köbel, Gisela Kubitschek-Müller, Günter Predhel, Matthias Müll, Markus Murr, Sarah Parafinski-Grün, Kai Reimold, Diana Rupp, Jörg Schwing, Luca Senke, Martina Sommer-Müll und Willi Weißhaar.
27.03.2024
Kehl
"Für die am 9.Juni anstehende Kommunalwahl sind wir bestens vorbereitet", teilen die Freien Wähler Kehl mit, die nun ihre Liste mit Kandidaten für den Gemeinderat bekanntgegeben haben.
Am vergangenen Wochenende präsentierte die Theatergruppe aus Sand die Komödie "Hausarzt gesucht!" 
27.03.2024
Kultur
Die Theatergruppe Sand begeisterte mit neuem Stück: "Hausarzt gesucht!"
Lebensgroße Handpuppen in Tierform erzählten eine charmante Geschichte. 
27.03.2024
Kultur
Ortenauer Puppen-Parade: Ein volles Haus bescherte die charmante Komödie „Sag mal, geht’s noch?“ des Theaters Zitadelle dem Willstätter Bürgersaal.
Gründungsvorsitzende und Initiatorin des Clubs Ilse Teipelke begrüßte die Gäste zu deren Erheiterung als Voltaire verkleidet.
26.03.2024
Kehl
Im Kulturcafé wurde am Sonntag das zehnjährige Bestehen des Clubs Voltaires gefeiert. Zahlreiche Mitglieder erinnerten an die Anfänge der Gründung.
Matto Barfuss tauchte komplett ins Leben einer Gepardenfamilie ein. Seine Dokumentation  "Gepardenmensch" machte den Naturfilmer aus Freistetter berühmt.
26.03.2024
Kehl
Naturfilmer und Künstler Matto Barfuss begeisterte am Samstag im ausverkauften Theater der 2 Ufer mit seiner Multivisionsschau „Wild und weit – 30 Jahre Afrika“ das Publikum.
26.03.2024
Ortenau-Check
Ortenau-Check der Mittelbadischen Presse: In der Stadt am Rhein besteht besonders hohes Umfrageinteresse. Noch bis 20. April kann teilgenommen werden.
Ein Mann beim Rauchen eins Joints: Viel mehr Menschen als in den Vorjahren nahmen 2023 wegen ihres Cannabiskonsums Kontakt mit der Kehler Drobs auf. 
26.03.2024
Soziales
Drobs-Jahresbericht: Seit sich das Land aus der Finanzierung zurückgezogen hat, muss die Kehler Drogenberatungsstelle ihre Kosten in immer höherem Maß selbst decken.
Neuer Vorstand des Musikvereins Eckartsweier (von links). Lena Kimmer, Holger Baas, Laura Hetzel, Daniel Baas,Sandra Janschick, Isabell Hänicke, Gerhard Bolz, Petra Baas, Elisabeth Nagel, Nicole Rothweiler, Andreas Mehne, Melanie Maier, Nicole Albrecht und Thorsten Göpper. 
26.03.2024
Blasmusik
Der Musikverein Eckartsweier hat seine Hauptversammlung abgehalten. Auch Ehrungen standen auf der Tagesordnung der Veranstaltung.
Mit Fotos aus der damaligen Zeit ließ Trägervereins-Vorsitzender Albert Guhl die Anfänge der Tafel wach werden. Er ist von Anfang an dabei, als 1999 mit dem „Dorf-Lädele“ die Tafel-Ära in Kehl begann.
25.03.2024
Kehl
OB Wolfram Britz kam mit Glückwünschen zum 25-jährigen Bestehen und für das neue Domizil. Begonnen hat die Erfolgsgeschichte 1999 mit dem „Dorf-Lädele“.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • HYDRO liefert etwa Dreibockheber für die Flugzeugwartung. 
    26.03.2024
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl fustionieren
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl schließen sich zusammen. Mit diesem Schritt befinden sich die Kompetenzen in den Bereichen Ground Support Equipment (GSE) und Aircraft- & Engine Tooling unter einem Dach.
  • Alle Beauty-Dienstleistungen bietet die Kosmetik Lounge in Offenburg unter einem Dach.
    26.03.2024
    Kosmetik Lounge Offenburg: Da steckt alles unter einem Dach
    Mit einer pfiffigen Geschäftsidee lässt Elena Plett in Offenburg aufhorchen. Die staatlich geprüfte Kosmetikerin denkt "outside the box" und hat in ihrer Kosmetik Lounge ein außergewöhnliches Geschäftsmodell gestartet.
  • Konfetti, Flitter und Feuerwerk beschließen die große Preisverleihung im Forum-Kino in Offenburg. Die SHORTS feiern 2024 ihr 25. Jubiläum. 
    26.03.2024
    25 Jahre SHORTS – 25 Jahre Bühne für künftige Filmemacher
    Vom kleinen Screening in 25 Jahren zum gewachsenen Filmfestival: Die SHORTS der Hochschule Offenburg feiern Jubiläum. Von 9. bis 12. April dreht sich im Forum-Kino Offenburg alles um die Werke junger Filmemacher. Am 13. April wird das Jubiläum im "Kesselhaus" gefeiert.
  • Das LIBERTY-Team startet am Mittwoch, 27. März, in die Afterwork-Party-Saison. 2024 finden die Veranstaltungen in Kooperation mit reiff medien statt. 
    22.03.2024
    Businessaustausch jetzt in Kooperation mit reiff medien
    Das Offenburger LIBERTY startet mit Power in die Eventsaison: Am Mittwoch, 27. März, steigt die erste XXL-Afterwork-Party mit einem neuen Kooperationspartner. Das LIBERTY lädt zusammen mit reiff medien zum zwanglosen Feierabend-Businessaustausch ein.