„Der Hölle entkommen...“
Die 70 noch in Kehl und dem Hanauerland lebenden jüdischen Bürger wurden am 22. Oktober 1940 gemeinsam mit allen 6 500 badischen, pfälzischen und saarländischen Jüdinnen und Juden auf Befehl der beiden NS-Gauleiter und Reichstatthalter von Baden und Saarpfalz, Robert Wagner und Josef Bürckel, ins Konzentrationslager Gurs nach Südfrankreich abgeschoben.
Sie wurden von Nazi-Schergen aus ihren Wohnungen geholt und in neun Eisenbahnzügen in das Vichy-Frankreich gebracht. Gurs sollte für sie der Vorhof zur Hölle von Auschwitz werden.
Viele der Deportierten hatten das 60. Lebensjahr bereits überschritten, sie starben bald an Krankheit und Entkräftung. Ganze Epidemien von Infektionskrankheiten rafften auch viele Jüngere dahin. Bis März 1941 erlagen in Gurs 1050 Menschen diesen qualvollen Verhältnissen, neun von ihnen stammten aus Kehl und dem Hanauerland.
Aus Stadt und Landkreis Kehl waren die ältesten Deportierten Fanny Bensinger geb. Ledermann aus Bodersweier (84 Jahre), Josef Wertheimer (82) und Rosa Bensinger geb. Bloch (81), beide aus Kehl. Sie starben im Lager Gurs.
Die jüngsten Deportierten waren Heinz Adler aus Lichtenau (2 Jahre), Günther Jakob Bodenheimer aus Bodersweier (6) und Alfred Hellmann aus Kehl (9). Diese drei Kinder konnten mit Hilfe der Rettungsorganisation OSE das Lager verlassen und wurden in die USA gebracht. Alle ihre Eltern wurden 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Der 22. Oktober jährte sich 2020 zum 80. Mal. Der Gedenktag mit Veranstaltungen musste aber wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Nunmehr lädt der Arbeitskreis 27. Januar, der sich der Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit aus den nationalsozialistischen Verbrechen verpflichtet fühlt, zu einer Gedenkveranstaltung am 22. Oktober um 19 Uhr in den Zedernsaal der Stadthalle Kehl ein.
Mutige Rettungsaktionen
Gezeigt wird der Dokumentarfilm „Der Hölle entkommen… Kinder von Gurs überleben im Versteck“ von Dietmar Schulz, der mit bisher unbekannten Dokumenten, seltenen Filmaufnahmen und Zeitzeugenberichten von selbstloser Hilfe und Rettungsaktionen berichtet.
Dank mutiger Retter konnten mehr als 400 Kinder und Jugendliche, oft buchstäblich in letzter Minute, der Hölle entkommen. Eine der Rettungsaktionen, bisher wenig bekannt, ist erstmals filmisch dokumentiert.
Berichtet wird auch, dass es dank der humanitären Arbeit von französischen und schweizerischen Hilfsorganisationen gelang, nicht nur die Lebenssituation im Lager zu verbessern, sondern auch Kinder aus dem Lager zu holen und zu retten.
Nach der Filmvorführung steht der Autor zu einem Gespräch zur Verfügung, das von Stadtarchivarin Ute Scherb geleitet wird. Im Anschluss berichtet Karl Britz über das Schicksal des damals 6-jährigen Günther Bodenheimer.
Der Film ist Teil des Begleitprogramms zur Wanderausstellung „Gurs 1940“, die vom 23. Oktober bis 30. Januar auch im Ritterhaus in Offenburg gezeigt wird.