Der Korker Helmut Schneider über den Beruf des Wagners
Im dritten Teil der Serie zum Handwerksmuseum Kork lesen Sie heute über die Ausstellung des ausgestorbenen Berufs Wagner.
»Ab 1960 ist der Beruf des Wagners ausgestorben«, beginnt Helmut Schneider, ehrenamtlicher Leiter des Handwerkmuseums, die kurze Führung durch die Ausstellung. Der Fortschritt wurde den Wagnern im 20. Jahrhundert zum Verhängnis: »Wagenräder wurden mit Reifen ersetzt«, erzählt Schneider. Dabei war die Herstellung dieser Räder ein wichtiger Teil des Berufes – quasi die Meisterleistung eines Wagners – die viel Feingefühl erforderte: »Es war eine schwierige Arbeit – alles musste absolut genau sein.«
Ein Beispiel dafür war das Schnitzen der einzelnen Teile des Rades auf dem »Schnitzbock«. Der Wagner konnte sich auf diesen einer Bank ähnelnden Bock setzen und das zu schnitzende Holzstück in den »Gemeinderat« klemmen. Stieß man den »Gemeinderat« an, wenn nichts eingeklemmt war, machte dieser eine nickende Bewegung, daher die Namensgebung, sagt Schneider: »Die Gemeinderäte nicken ja auch immer.« Waren die Teile passend geschnitzt, konnte man sie zusammenstecken und festschlagen. Das Holz für die Wagen kam jedoch nicht wie bei den Fachwerkhäusern aus dem Schwarzwald, sondern aus der Rheinebene. »Die Räder waren in der Regel aus Hartholz – also meistens Eichenholz«.
Bevor das Rad für die Straße geeignet war, musste erst noch der Schmied die Metallschicht »aufschrumpfen«. Damit das Rad auf den damals unebenen Straßen nicht auseinander fiel, wurde das Metallband vom Schmied etwas zu eng angefertigt. Im nächsten Schritt wurde dieses erhitzt und passend auf das Rad gezogen. Im Wasser schrumpfte dann das Metallband und fertig war das Wagenrad – eine Zusammenarbeit aus zwei Berufen, die heute als ausgestorben gelten und nur noch von Spezialisten ausgeübt werden.
Nicht nur Konstruktion
Die Wagenkonstruktion war aber nicht der einzige Bestandteil der Arbeit: Auch die Buchführung gehörte zu den Aufgaben eines Wagners. Dieser stellte nämlich am Ende jedes Jahres den Bauern die Rechnung für seine Wagen aus.
Zwei solcher Bücher sind im Handwerksmuseum ausgestellt. Führt Schneider mal wieder eine Schulklasse durch die Sammlung, erlaubt er sich bei den Schriften immer einen kleinen Spaß: »Ich bitte die Schüler,, die Rechnungen vorzulesen.« Geschrieben sind die Bücher aber noch in Sütterlin, einer Schrift aus dem Jahre 1911. Lesen können die Schüler die Schrift also nicht.
»Macht nichts, ihr habt ja einen Lehrer dabei«, fährt Schneider dann fort. Doch selbst dieser hat oftmals zu kämpfen mit der sehr geschwungenen Schrift. Schneider selbst musste die Schrift noch in der Schule lernen, wie er berichtet.
»Ein vielseitiger Beruf«
Hans Lubberger war einer der letzten Wagner im Ortenaukreis. Der Korker folgte seinem Großvater und Vater in den Familienbetrieb der Wagnerei. »Es war damals ein vielseitiger und wichtiger Beruf«, erklärt Schneider.
»In jedem größeren Dorf gab es einen Wagner. Der Wagner sorgte auch für die Fortbewegung damals«. Hans Lubberger zog es in die Gastronomie, nachdem die Nachfrage an Wagnern in den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts anfing zu sinken. Von ihm stammt der Großteil der ausgestellten Werkzeuge und Konstruktion. Heute gehört der Familie Lubberger der Gasthof »Schwanen« in Kork.