Die Falkenhausenschule unterm Hakenkreuz
Die Falkenhausenschule in Kehl feiert am 18. Juli ihr 100-jähriges Bestehen. In einer sechsteiligen Serie, immer samstags, blickt die Kehler Zeitung auf die Entwicklung der Schule zurück. Heute: die Zeit der Weimarer Republik und des Dritten Reichs.
Nach dem Ersten Weltkrieg besetzten französische Soldaten Kehl und blieben bis 1930 in der Stadt. In dieser Zeit reifte bei Teilen der Kehler Bevölkerung die Überzeugung, dass Französischunterricht nicht nur für die Schüler, sondern auch für Erwachsene eine sinnvolle Sache sein könnte. So wurde beschlossen, dass neun Lehrer der Volksschule einen Französischunterricht erteilen sollten, darunter auch Lazarus Mannheimer, jüdischer Hauptlehrer an der Schule. Der Andrang überstieg offenbar die Kapazitäten dieser Lehrer.
Doch nicht nur die französische Besatzung hinterließ ihre Spuren im Alltag der Falkenhausenschule, auch die Inflation machte sich bemerkbar. Im März 1922 kosteten ein Brause- beziehungsweise Wannenbad im in der Falkenhausenschule befindlichen Volksbad zwischen 4,50 und 6 Mark. Ein Jahr später, zu Zeiten der Hyperinflation, wurde am 1. April 1923 festgelegt: »Wannenbad 500 Mark, Duschbad 400 Mark. Ausländer zahlen einen Zuschlag von 200 Prozent.« Dies war beileibe kein Aprilscherz, die Preise wechselten wöchentlich. Ein Brausebad kostete am 1. Juli 1800 Mark, am 6. Juli bereits 2500 Mark, am 15. Juli dann 5000 Mark und am 14. August ganze 25 000 Mark.
Auch die letzten Bauarbeiten am Schulgebäude wurden durch den wirtschaftlichen Ausnahmezustand um ein Vielfaches teurer als geplant. 1921 war die Falkenhausenschule – obwohl 1915 bezogen – immer noch nicht verputzt, weshalb man beschloss, den Putz 1922 aufzubringen. Während dieser Zeit waren viele Kehler bedürftig. Um sie zu unterstützen, wurde 1923 eine Notspeisung in der Falkenhausenschule eingerichtet.
Zu Ehren von Heinrich Pestalozzi wurde die Falkenhausenschule 1927 in Pestalozzischule umbenannt. Vier Jahre später erhielt die Schule auf Betreiben der NSDAP-Fraktion ihren ursprünglichen Namen zurück.
1930 war die NSDAP zum ersten Mal im Gemeinderat vertreten, und zwar gleich als stärkste Fraktion mit fünf von dreizehn Stimmen. Am 22. März 1933 wurde beschlossen, dass unter anderem die der Falkenhausenschule gegenüberliegende Gustav-Weis-Straße in Horst-Wessel-Straße umbenannt werden sollte. Wessel wurde von Goebbels als nationalsozialistischer Märtyrer gefeiert, nachdem er von einem Zuhälter erschossen worden war. Horst Wessel war in Berlin SA-Sturmführer gewesen.
Im Einklang mit dieser Entscheidung wurde ebenfalls im März 1933 festgelegt, dass nur noch national-treue Lehrer erwünscht waren. Der Gemeinderat wollte laut Protokoll »vermeiden, dass ein Lehrer nach Kehl versetzt wird, der national nicht vollständig zuverlässig ist«. In Kehl gab es bereits solche »zuverlässigen« Lehrer, die an der Falkenhausenschule unterrichteten und die ihre Schüler des Öfteren Soldatenlieder singen ließen, während sie durch die Großherzog-Friedrich-Straße marschieren mussten. Auch der spätere Oberschulrat Emil Gärtner war ein überzeugter Nazi. Er ließ sich als »Löwe vom Hanauerland« feiern. Gärtner war schon lange NSDAP-Mitglied, als er im Juli 1930 einen Verweis vom badischen Unterrichtsminister erhielt, der seinen Beamten die aktive Betätigung in der Partei verbot. Er wurde in den Zwangs-Ruhestand versetzt, nachdem er sich nicht hatte belehren lassen. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurde Gärtner wieder eingestellt und an die Falkenhausenschule versetzt. Dort arbeitete er von April bis August 1933. Über seine Lehrertätigkeit hinaus machte er fleißig Propaganda für die NSDAP. Er hielt wohl bis 1937 rund 2000 Reden.
Seit 1912 war auch Lazarus Mannheimer Lehrer an der Falkenhausenschule, er war im Vorstand der israelitischen Gemeinde, war Mitglied des Bürgerausschusses und der Deutschen Staatspartei. Er und seine Frau Regina waren höchst angesehene Kehler Bürger. Nach der Machtergreifung der Nazis wurde Mannheimer in »Schutzhaft« genommen und verlor wenig später seine Zulassung als Lehrer. Sein Sitz im Bürgerausschuss wurde ihm ebenfalls entzogen.
Am Morgen nach der Reichspogromnacht 1938 wurde er zusammen mit allen männlichen Kehler Juden zwischen 16 und 60 Jahren verhaftet. Sie wurden misshandelt, gedemütigt und durch die Straßen getrieben. Danach wurden sie in das Konzentrationslager Dachau gebracht und nach einigen Wochen schwerster Demütigungen wieder entlassen. Die Freiheit währte nicht lange: Lazarus Mannheimer und seine Frau Regina, die in ihrer Verzweiflung Kehl verlassen hatten und seit 1939 in Karlsruhe lebten, wurden am 22. Oktober 1940 erneut verhaftet und in das Lager Gurs nach Frankreich deportiert. Zwei Jahre später brachte man das Ehepaar nach Auschwitz, wo die beiden, vermutlich 1942, ermordet wurden.