Ehepaar Wegerich repariert im Auftrag China-Spielzeug
Siegfried Wegerich bringt im Kehler Hafen seit Jahrzehnten Spielsachen aus Fernost wieder zum Laufen. Dabei sind er und seine Frau in der Branche so bekannt, dass sogar das Miniatur-Wunderland in Hamburg Bestellungen bei ihnen bereits aufgegeben hat.
Das kleine Kettenfahrzeug macht keinen Pieps mehr – da kann Siegfried Wegerich noch so lange an Knöpfen und Hebeln der Funkfernbedienung in seiner Hand herumspielen. Irgendwo in Deutschland aber wartet – vermutlich – ein kleiner Junge darauf, dass sein Spielzeug bald wieder funktioniert. Und Wegerich soll es richten.
Der Mann, Mitte 60, graue Haare und Dreitagebart, rückt die gelbe Hornbrille auf der Nase zurecht und blickt nach oben zu einem Apparat mit einem guten Dutzend Drehreglern, der zu seiner Rechten auf einem Regalbrett an der Wand steht. Wieder drückt Wegerich die Knöpfe seiner Fernbedienung, als auf einem kleinen, grünen Monitor eine gezackte Sinuskurve ihre Form verändert: Der Oszillograph setzt Funkwellen in Bilder um. Die Fernbedienung, erkennt Wegerich, sei in Ordnung. Also muss die Fehlerquelle an anderer Stelle zu finden sein.
Das Innenleben
Mit einem Werkzeug hebt der Mann nun ganz vorsichtig die Kunststoffkarosserie des ferngesteuerten Spielzeuggefährts an. Darunter kommen vier Teile zum Vorschein: zwei Getriebe für den Antrieb, eine Platine mit darauf verlöteten Chips und ein Akku als Energiequelle. »Meistens riecht man es schon, wenn ein Halbleiter durchgeschmort ist, das stinkt dann nach Silikon«, sagt Wegerich, während sein Blick auf das lose Ende eines Kontakts fällt, das sich im Eifer des Spielgefechts gelöst haben muss und im Handumdrehen wieder dort sitzt, wo es hingehört: am Akku.
»Es gibt nichts, was sich nicht fixen lässt«
»Es gibt nichts, was sich nicht fixen lässt«, sagt Siegfried Wegerich. Jedenfalls wenn es sich dabei um funkferngesteuertes Spielzeug eines der großen Hersteller aus Fernost handelt und noch Ersatzteile zu bekommen sind. Eben auf die Reparatur von China-Toys hat sich der gelernte Hochfrequenztechniker, der unter anderem in Buchhaltung, Logistik und am Telefon von seiner Frau Sigrid unterstützt wird, mit seinem Klein-Unternehmen RCT im Kehler Hafen spezialisiert. Für Branchen-Giganten wie New Bright oder Nikko wickelt er Reparatur-Aufträge von Käufern aus ganz Deutschland und Frankreich ab. Außerdem verschickt er Ersatzteile und übernimmt die Musterung – so nennt man den Versand von Ansichtsexemplaren an interessierte Groß- und Einzelhändler.
Branchenweit bekannt
Der gebürtige Düsseldorfer hat sich 1979 selbstständig gemacht. Acht Jahre lang reiste er zehn- bis zwölfmal im Jahr nach Hongkong und Taiwan, um bei der Entwicklung von ferngelenktem Spielzeug zu helfen. »Vieles von dem, was da drin ist, stammt von mir«, sagt er nicht ganz ohne Stolz in der Stimme. Deshalb kennt er sich auch so gut aus.
Pro Jahr werden 15 000 Ersatzteile verschickt
Über das elsässische Molsheim führte das kinderlose Paar der Weg nach Kehl in eine unscheinbar wirkende Lagerhalle, die es aber in sich hat: Von hier aus werden pro Jahr 15 000 Ersatzteile verschickt, und es werden 5000 Auftragsreparaturen vorgenommen. Über einen Internet-Shop vertreiben die Wegerichs außerdem selbst diverses Elektronik-Spielzeug, Zubehör und Akkus, das sie im hinteren Teil der Werkhalle lagern.
Dort führt Sigrid Wegerich, von Haus aus Tiefbau-Ingenieurin, das Regiment. Schon an der Artikelnummer auf den Kartons könne sie erkennen, ob sich darin nun ein kleiner Spielzeug-Ferrari, ein Boot oder – für Freunde der Landwirtschaft – die Nachbildung eines Fendt-Schleppers befinde, sagt sie. »Die Nummern hat man irgendwann im Kopf.« Die Beschäftigung mit den maßstabgetreuen kleinen Modellen macht die Wegerichs auch in der großen Welt zu Experten: »Wenn wir unterwegs sind auf Feld und Flur, erkennen wir sofort jeden Traktor.«
Mittlerweile sind die Wegerichs in der Branche dermaßen bekannt, dass selbst Einrichtungen wie das Miniatur-Wunderland in Hamburg, die größte Modelleisenbahn-Anlage der Welt, schon in Kehl Bestellungen aufgegeben haben. Regelmäßig besucht das Ehepaar zudem große Spielwarenmessen wie die Ende Januar in Nürnberg. Wenn sie daran denkt, muss Sigrid Wegerich schmunzeln. »Dort treffen wir dann auf Herren in Nadelstreifen, die ernsthaft über Plastikenten diskutieren.«