Ein Blick in die Jägerseele
Schwarzhumorige Plauderstunde zwischen zwei Hubertusbrüdern ließ die Zuschauer des Theaters der 2 Ufer in die Abgründe schauen, die den Jäger in jedem selbst offenlegten.
Eine glanzvolle Premiere feierte am Freitagabend bei milden Septembertemperaturen die bissige und preisgekrönte Komödie „Waidmannsheil“ von Susanne Hinkelbein im voll (auf Abstand) besetzten Hof der Alten Kaffeerösterei des Theaters der 2 Ufer im Kehler Hafen. Den beiden Waidmännern Walter Wolf als Rudolf und Herbert Leidenheimer als Gustav waren die Rollen des volkstümlichen Schwanks à la Monty Python im Hanauer Dialekt regelrecht auf den Leib geschrieben. Freunde des schwarzen Humors kamen voll auf ihre Kosten, und zu Lachen gab es bei dem äußerst kurzweiligen Abend genug.
„Ist es womöglich gar nicht sicher, dass wir zivilisierte und emphatische Menschen sind“, fragte Ruth Dilles, Regisseurin und Intendantin des Theaters, zur Begrüßung in die Runde. In der schwarzen Komödie schwadronieren zwei Jäger über alles Mögliche und Unmögliche, und was die beiden von sich geben, geht auf keine Rehhaut. Dabei bat Dilles die Jäger unter den Zuschauern, das Stück nicht persönlich zu nehmen, denn die Autorin habe sicher eher die Jäger in jedem Einzelnen im Sinn, schmunzelte sie verheißungsvoll.
Schuss in der Waldidylle
Der Jägerchor erklingt, und ein Schuss fällt in die ansonsten mit Vogelgezwitscher erfüllte friedliche Waldidylle auf dem Theaterhof, als Gustav und Rudolf, zwei Jäger, die nicht unterschiedlicher sein können, durchs Publikum schleichend aufeinander treffen. Sie erklimmen den Hochsitz und lassen beim Warten auf den Wildschweinbraten im Zwielicht der Abenddämmerung ihren dunklen Phantasien freien Lauf. Auf komische und makabre Weise durfte das Publikum in Abgründe schauen, die nicht zuletzt den Jäger in jedem selbst offenlegten, und es im wonnigen Grausen erschauern ließ. Die Stimmung der schwarzhumorigen Plauderstunde schwankte zwischen komödiantischen Schwank und alptraumhaften Gewaltphantasien.
Was ihr waidmännisches Handwerk angeht, gelingt den beiden Hubertusbrüdern allerdings nicht sonderlich viel. Sie verpassen mehrere unter dem Hochsitz durchlaufende Sauen und ballern stattdessen in die feindlich dünkende Umwelt. Dabei beobachten sie gespannt eine Gruppe Kletterer, ob nicht doch noch einer abstürzt, feixen über das Rösle vom Hirschenwirt aus Auenheim, das beim Pilze suchen erst in ein Fangeisen gerät und sich dann dem Retter Veit aus Marlen annähert; philosophieren darüber, ob ein Wildschwein nicht zu schlau ist, um eindeutige Spuren unter ihren Hochsitz zu legen und verdächtigten Gustavs Nachbarin Hilde, Böses über ihn erzählt zu haben. Nach dem „Psychogequatsche“ versucht Rudolf Gustavs Gefühle zu erschießen und jagt ihm dabei einen gehörigen Schrecken ein, bevor die beiden zu guter Letzt versehentlich eine Rotte von sechs spazieren gehenden Hochzeitsgästen erlegen.
Ein gewisser Abschuss diene der Hege, wofür die Jäger die Verantwortung tragen, stellt Gustav fest und rechtfertigt den Abschuss mit dem nicht eingehaltenen Mindestabstand und dem Nichtragen von Masken. Lang anhaltender Applaus war der wohlverdiente Dank für das gelungene und sehenswerte Stück mit seinen beiden mitreißenden Theater-Urgestein-Darstellern der Studiobühne.
Schuss ins Schwarze
Autorin Susanne Hinkelbein, die selbst schon Regisseurin und Intendantin bei verschiedenen Theatern war, stattete zu dem Stück „8 Frauen“ dem Theater der 2 Ufer im Vorfeld einen Besuch ab und war von der Arbeit des Theaters begeistert. Dilles, die eine Vorliebe für hintergründige Komödien hat, stieß beim Lesen auf das hintergründige Stück mit den beiden skurrilen Figuren und fand es so spannend, dass sie es selbst aufführen wollte. „Was diese beiden Männer im grünen Häs als zwei schießwütige Kanaillen, die nicht gerade eine Werbung für die jagende Zunft sind, ohne Schonung von sich geben, ist für die Zuschauer ein Schuss ins Schwarze“, lachte sie.
Stimmen aus dem Publikum: Heidi und Günter-Franz Müller aus Kehl: „Erst einmal ist es wunderbar, dass es wieder Theateraufführungen gibt, und die besondere Atmosphäre im Hof des Theaters der 2 Ufer war allein schon einen Besuch wert. Die beiden Waidmänner waren wenig geübt im Umgang mit dem Gewehr, dafür waren sie gut darin, über andere Leute herzuziehen und schreckten auch vor echten oder vermeintlichen Menschenmorden vom Hochsitz herunter nicht zurück. Wer mit schwarzem Humor umzugehen versteht, hatte seine Freude daran. Angesichts der mörderischen Fantasie der beiden Waidmänner mussten wir jedenfalls oft und herzlich lachen.“
Klaus Gras aus Kehl: „Bis auf die Szene, wo die komplette Hochzeitsgesellschaft erschossen wird, war der schwarze Humor erträglich. Der ständige Wechsel – ‚Gib doch mol das Glas her!‘ – war zum Schmunzeln. Erstaunlich, was Waldi Wolf und Herbert Leidenheimer alles auswendig aufgesagt haben. Das war großartig!“
◼ Weitere Vorstellungen sind am Freitag, 2. Oktober, und Samstag, 3. Oktober, um 20 Uhr sowie Sonntag, 4. Oktober, um 19 Uhr.