Frauen im Rechtspopulismus
Neun Prozent aller Wählerinnen haben in Deutschland die AfD gewählt, in Frankreich liegt der Zuspruch für den Front National noch höher. Was Frauen an populistischen Parteien finden, die mit der Gleichstellungspolitik nichts am Hut haben, spürte die Politikwissenschaftlerin Birgit Meyer in einem Vortrag nach.
Kehl. Der Rechtspopulismus ist überall in Europa auf dem Vormarsch. Während in Frankreich der 1972 gegründete Front National bei der letzten Präsidentschaftswahl 25 Prozent der Wählerstimmen holen konnte, lag die AfD in Deutschland bei der Bundestagswahl bei 13 Prozent – nur vier Jahre nach ihrer Gründung. Einst als wirtschaftsliberale Anti-Euro-Partei angetreten, fährt die AfD heute einen offen nationalistischen, fremdenfeindlichen Kurs. Die Gleichstellung von Mann und Frau und eine Genderpolitik werden von beiden rechtspopulistischen Parteien abgelehnt. Eine Genderideologie sei wider der menschlichen Natur und per se verfassungsfeindlich, heißt es gar bei der AfD. Dennoch ziehen beide Gruppierungen Frauen an: Der FN hat 39 Prozent weibliche Mitglieder, bei der AfD sind es immerhin 15 Prozent.
Weibliche Führungsfiguren
Was bei allen Unterschieden in der Entstehung und der Organisationsform auffällt, sind die weiblichen Führungsfiguren an der Spitze beider Parteien, die in ihrer Lebensweise so gar nicht dem traditionalistischen Frauentyp entsprechen, der in den Parteiprogrammen propagiert wird. So ist Marine Le Pen zweimal geschieden, hat drei Kinder weitgehend allein großgezogen und lebt in einer außerehelichen Partnerschaft. Die fünffache Mutter Frauke Petry lebt in einer Patchworkfamilie, Alice Weidel hat eine lesbische Beziehung mit einer aus Sri Lanka stammenden Frau und zwei Adoptivkinder.
Doch während bei der AfD Feminismus und Gender Mainstreaming vehement abgelehnt wird, hat der Front National zumindest den Feminismus für sich entdeckt, indem er sich als Verteidiger der »weißen Urfranzösinnen« aufschwingt, deren Rechte es zu verteidigen gilt: »Frauenthemen werden primär zur Ausgrenzung von Fremden benutzt«, so Referentin Birgit Meyer. »Das Migrationsthema wird als Anfang vom Ende der Frauenrechte hochgeschaukelt.« Angstmache vor der Zuwanderung und dem islamischen Mann als »Bedrohung der weiblichen Selbstbestimmtheit« treibe den Rechten Frauen zu: »Das Kernthema Feminismus wird ethnisiert«, sagte sie.
Widerspruch: Propaganda/Lebensstil
Der Widerspruch zwischen der Parteipropaganda und dem Lebensstil der Führungsfrauen sei zwar bekannt, bewirke aber offensichtlich, dass sich mehr Wählerinnen mit ihnen identifizieren können: »Sie erscheinen als moderne Frauen, die alles können und die sich durchgesetzt haben«, sagte Birgit Meyer.
Trotz ihrer aggressiver Rhetorik wirkten Frauen harmonisierend, allein durch ihr Frau-Sein werde radikales Gedankengut abgemildert, auch die Attraktivität spiele eine Rolle, sagte sie. Frauen gelten als »Eye-Catcher« – unterstützt von den Medien, die munter die gängigen Klischees bedienten und so ihren Bekanntheitsgrad steigerten.
Fassungslosigkeit
In der anschließenden Diskussion, die interessanterweise von Männern dominiert wurde, wurden viele Fragen aufgeworfen. »Es macht mich fassungslos, dass nicht gesehen wird, dass die AfD-Frauen etwas ganz anderes leben als sie predigen«, sagte Stadträtin Marina Nohe. Birgit Meyer sah es als unerlässlich an, soziale Ungleichheiten abzubauen. Ungleichheitserfahrungen führten nicht zwingend zu einer Solidarisierung, sondern würden nach unten weitergegeben. Es gelte, bestehende und neue Diskriminierung zu bekämpfen: »Dranbleiben und aufpassen!«, forderte sie.