Im letzten Kehler Schallplattenladen werden die Regale geräumt
42 Jahre lang versorgte Fritz Preußer alle, die »an der Nadel« hingen, mit Schallplatten. Später dann mit CDs. 1991 hatte er sich im Centrum am Markt niedergelassen. Doch am 21. März ist Schluss.
Nein! Es war nicht der gute alte John Lennon, der dem extrem Beatles-infizierten Preußer-Fritz jüngst auf einer Soundcloud im Musikerhimmel sitzend singend zugeraunt hatte: „Let it be“. Und auch der ehrenwerte Zahn der Zeit hätte noch ein wenig an dem noch immer jung gebliebenen Kehler Musikliebhaber zu knabbern gehabt, der als Nicht-Single mit Singles, LPs, später dann mit Silberlingen und Konzertkarten Kehls Musikfans seit 1977 knisterndes Vergnügen bereitete. Ob LP oder Single, Heintje, Abba oder Zappa. Und was nicht auf Lager war, das wurde bestellt – und ja, damals hatte man noch die Geduld, auf den genannten Liefertermin hinzufiebern.
Die an der Nadel hingen
Damals, 1977, war sein Reich noch in der Friedrichstraße, danach in verschiedenen City- Music-Häusern der Hauptstraße, bis er letztlich 1991 dort landete, wo ehedem die Kehler Pennäler sich im Gymnasium von Herren wie Wöhrlin oder Achtmann die Flöten- und andere Töne beibringen ließen – also im heutigen Centrum am Markt mitten im Zentrum.
Vor knapp 30 Jahren hieß es dann, „die Zukunft gehört der CD“. Vorbei wars dann mit Musik, die an der Nadel hing, die in schwarzes Granulat gepresst pubertierende Teens ebenso Tango tanzende Endsechziger verzückte. Sie alle wurden damals bei ihm fündig, denn – so stand es zur Eröffnung in der Kehler Zeitung – sein Laden war das „Fachgeschäft für Musik jedweden Genres“.
Und so versprach Fritz damals in jenem Artikel, City-Music bleibe noch mindestens so lange bestehen, wie es noch Schallplatten gibt. Heute stehen – wieder – Langspielplatten in seinem Laden. Totgesagte (über)leben länger.
Die Tür geht auf. Herein schneit ein älterer Junggebliebener von überm Rhein, und fragt nach der Fan-CD-Box von Heintje, obwohl er seiner Haarpracht gemäß eher in die Abteilung Schüttelrock passt. Fritz winkt ab. Nein! Nicht, weil er die in den Zeiten von Spotify oder Apple Music nicht mehr besorgen könnte, sondern weil diese Rarität nicht mehr lieferbar ist.
Er selbst war einer seiner besten Kunden: Fritz Preußer, Jahrgang 1951, stöbert sich mit dem Kehler Extrem-Beatles-Kenner Günter Braun an Beatles-Abenden durch seine eigenen LP-Raritäten. Mehr als 300 Beatles-LPs nennt er sein Eigen. In jenen rosigen Musikerzeiten war er unangefochten Kehls Musik-Spezialist, und er hat sich den Luxus erlaubt, dieses gepresste Vergnügen zu seinem Beruf zu machen.
Schlange stehen
Seine erste selbst gekaufte LP war »Revolver« von den Beatles. Jede neue Beatles-LP musste er haben, wenn möglich, sogar als Erster. »Beatles for ever – Eight days a week«, so sein Credo. Er erinnert sich noch gut an den 1. Juni 1967, als er in aller Herrgottsfrühe vor der „Rheinelektra“ Ecke Hauptstraße/Kasernenstraße stand, um „Sgt. Pepper“ zu erstehen. 100 LPs wurden damals nach Kehl geliefert, und „die waren mittags weg“.
Es gab Zeiten, als auch vor seinem Geschäft Schlange gestanden wurde. Das waren jene Zeiten, als der Fritz sogar noch ein Filiale hatte. In Sundheim, draußen im Rheintal-Center – von 1999 bis 2001. „There are places I remember“ melancholisiert er da. Schlange standen viele Fans bei Autogrammstunden mit Jürgen Drews, Konstantin Wecker, Sebastian Deyle, Sio und Stepahead.
Am 21. März wird er nun in seinem nostalgisch-gemütlichen Laden zum letzten Mal den Schlüssel rumdrehen. Bei einem Räumungsverkauf werden auch der ein oder andere seltene Beatles-Tonträger und andere Raritäten dabei sein. Dann wird auch die alte „Gibson“ abgehängt, mit der Fritz Preußer in früheren Zeiten bei vielen Auftritten mit der Gruppe „Hope“ für einen unvergesslichen Gitarren-Sound sorgte. Und dann? Dann wird ausgeräumt und umgezogen. Womit? »With a little help from my friends…«