Kehler Nabu in Sorge: Gefesselter Storch droht zu verdursten
Jedes Jahr gehen Wildtiere an Zivilisationsmüll zugrunde. Um ihnen helfen zu können, sind
Tierschützer auf aufmerksame Bürger und genaue Ortsbeschreibungen angewiesen.
Unsere Leserin Helga Schäfer ist eine leidenschaftliche Naturfotografin. Ihre stimmungsvollen Tier- und Landschaftsbilder stellt sie auch immer wieder unserer Redaktion zur Verfügung, die dann die zweite Lokalseite schmücken. Am letzten Sonntag war sie auf fotografischer „Storchenpirsch“ im Hanauerland unterwegs. Zuhause machte sie eine erschreckende Entdeckung: Auf einem ihrer Bilder ist ein Storch zu sehen, dessen Schnabel mit einer Plastikleine zugeschnürt ist.
Helga Schäfer alarmierte den Vorsitzenden des Kehler Nabu, Gérard Mercier, der sich sofort auf den Weg machte. „Der Storch war beringt, und Frau Schäfer konnte anhand ihrer Aufnahmen die Nummer ablesen“, erzählt er. „Vergangenes Jahr hat dieser Storch auf dem Mast am Rathaus Eckartsweier gebrütet.“ In diesem Jahr hat sich dort allerdings ein anderes Paar niedergelassen. Da die Ortsangabe der Sichtung ziemlich ungenau war – „bei Eckartsweier“ – war Merciers Suchfenster ziemlich groß. „Um das Gebiet eingrenzen zu können, ist es wichtig, dass wir möglichst präzise Ortsangaben bekommen“, sagt er.
Zugeschnürter Storch
Gérard Mercier hat den armen Adebar nicht gefunden. Mehr als 20 Störche hat er zwischen Eckartsweier und Marlen mit dem Fernrohr begutachtet. Und selbst wenn er ihn angetroffen hätte, wäre das mit der Hilfe gar nicht so einfach gewesen: „Wenn er noch fliegen kann, hat man keine Chance“, sagt er. „Der hebt einfach ab, sobald man ihm zu nahe kommt.“ Zwar hat ihm das Tierheim Rastatt ein Schussnetz angeboten – ein Netz, das aus weiter Entfernung in Richtung des Storchs abgeschossen wird und sich über ihn breitet. Der Einsatz dieses Netzes ist allerdings ziemlich teuer: Rund 300 Euro. Das können die Naturschützer nicht alleine stemmen.
Dennoch gibt es für den zugeschnürten Storch, der weder Wasser noch Nahrung aufnehmen kann, noch eine Chance: Wenn weitere Bürger auf das gehandicapte Tier aufmerksam werden und es bereits so geschwächt ist, dass es nicht mehr wegfliegen kann, wenn Hilfe naht. „Das passiert tatsächlich, die Leute passen schon auf“, sagt Gérard Mercier. So bleibt zu hoffen, dass ihn im Falle des verletzten Storches ein solcher Anruf noch rechtzeitig erreicht.
Mit derartigen Fällen hat der Kehler Nabu-Chef immer wieder zu tun. Einmal hatte ein Storch einen Gummiring um den Schnabel, ein anderes Tier hatte sich mit den Beinen in einer Schnur verheddert. „Die Vermüllung nimmt immer mehr zu“, sagt Gérard Mercier. „Wir haben in Kehl Nester gefunden, in denen das Nistmaterial fast zu 100 Prozent aus Müll besteht.“ Erst vergangenes Jahr hat er zwei tote Jungvögel in einem Nest gefunden, die versucht hatten, Plastikabfälle herunterzuschlucken und daran erstickt sind. Andere ertrinken oder erfrieren, wenn es im Frühjahr so heftig regnet, dass sich das Nest mit Wasser füllt. Befinden sich Plastiktüten im Nistmaterial, kann das Wasser oft nicht ablaufen.
Dringend benötigte Mithilfe
Von den 140 Storchennestern in der Region reinigen Mercier und seine Helfer im Jahr etwa 40 Stück, befreien es vom größten Unrat und gefährlichen Materialien wie einer solchen Plastikschnur, die dem von Helga Schäfer fotografierten Storch zum Verhängnis wurde. Um den Tieren zur Hilfe kommen zu können, ist Mercier auf die Mithilfe aufmerksamer Bürger angewiesen. Wichtig sei vor allem die möglichst genaue Ortsangabe, wo der Storch gesehen wurde, so der Naturschützer. Auch die Tageszeit ist wichtig.
- Wer den Storch sieht, kann sich mit Gérard Mercier unter 0177-2101532 in Verbindung setzen.