»Gelbe Schelle« für Guido Wolf
Auf die Pflicht folgte am Montag die Kür: Nachdem Landtagspräsident Guido Wolf an einer Versammlung des Landkreistags in der Stadthalle teilgenommen hatte, stattete er dem Ortenauer Narrenbund in der Hafenstraße einen Besuch ab. Dessen Präsident rührte die Werbetrommel für die neu gegründete »Jugendakademie« des Verbands
Kehl. Zwei Präsidenten an einem Tisch. Der eine steht den Ortenauer Narren vor, der andere verteilt das Rederecht im Landtag von Baden-Württemberg.
Und geredet wurde viel an diesem Montagnachmittag, beim Besuch von Guido Wolf (CDU) in den heiligen Hallen des Ortenauer Narrenbunds (ONB) in der Hafenstraße im Anschluss an die in Kehl tagende Landkreistagsversammlung. Der konservative Politiker, der sich im Hinblick auf die Landtagswahl 2016 in diesen Tagen zum Spitzenkandidaten aufzuschwingen versucht, nutzte die medienwirksame Gelegenheit, sich von ONB-Chef Rainer Domfeld zwei Stunden lang die erst im Juni an den Start gegangene »Jugendakademie« seines Verbands erklären zu lassen.
Die »Jugendakademie« verfolgt dem Narrenpräsidenten zufolge den Zweck, heimatliches und fastnächtliches Brauchtum zu fördern, indem bereits bei den Sechs- bis 27-Jährigen angesetzt wird, wenn diese sich beispielswiese zu Jugendleitern ausbilden lassen oder auch ansonsten Ehrenämtern in den Vereinen anstreben. Das Angebot soll nicht auf den Ortenaukreis beschränkt sein, sondern landesweit Zünften offenstehen.
Domfeld will weg vom »Event-Charakter« vieler Fasnachtsveranstaltungen, Ü-30-Partys sind sein Ding nicht, wie er gleich mehrere Male betonte. Mehr noch: Seiner Meinung nach gefährdet diese Konkurrenz die Arbeit vieler über Jahrzehnte gewachsener Zünfte. »Wir brauchen einen Image-Wechsel«, plädierte Domfeld wiederholt in Richtung von Wolf.
Ein Euro pro Stück
Um die Zünfte in ihrer Arbeit zu unterstützen, hat der ONB-Präsident ein gelbes Glöcklein, eine »Schelle«, erfunden. Sie solle ein »Zeichen der Solidarität mit unserem Brauchtum« sein. Die Zünfte können sie für einen Euro verkaufen und damit ihre Vereinsfinanzen aufbessern. 5500 der gelben Schellen sind Domfeld zufolge bereits im Land im Umlauf. Eine gehört seit Montag auch dem Landtagspräsidenten.
Bereits 1998 habe der ONB begonnen, einen Schwerpunkt auf die Jugendarbeit zu legen, erinnerte der Narrenpräsident, bemängelte jedoch die im Unterschied zu vielen Sportvereinen fehlende Anerkennung, die der Verband für seine Bemühungen erhalten habe. Mehrere Zuschussanträge seien abgelehnt worden. Dass der ONB zwischenzeitlich dennoch der einzige Fasnachtsverband in Baden-Württemberg ist, der als Träger der außerschulischen Jugendbildung und Träger der freien Jugendhilfe anerkannt ist, erfüllt Domfeld mit einigem Stolz.
Zwei Sponsoren
Finanzielle Unterstützung erhält die »Jugendakademie« vom E-Werk Mittelbaden mit Sitz in Lahr und von Schwarzwaldsprudel (Bad Peterstal-Griesbach), die als regionale Sponsoren auftreten.
Eng mit der Jugendarbeit verquickt ist auch das Alkohol- und Gewaltpräventionsprojekt, dem sich der ONB widmet. Domfeld verwies in diesem Zusammenhang auf die 2009 angestoßene Initiative »Hästräger gegen Gewalt«, deren Facebook-Auftritt bereits mehr als 15 000 »Follower« zählt. Am 11. November soll nun ein Kalender erscheinen, auf dem Mitglieder aus zwölf Zünften für eine friedliche Fasnacht werben.
Der Landtagspräsident und mögliche nächste Landesvater, der übrigens in seiner Freizeit gern Mundartgedichte schreibt, sicherte dem ONB bei dessen Bemühungen, das Brauchtum zu fördern, seine volle Unterstützung zu. »Das fasziniert mich, da haben Sie ganz schnell einen Mitstreiter an Ihrer Seite.« Die ihm überreichte gelbe Schelle wolle er deshalb »in Ehren« halten Sie soll einen Platz auf seinem Schreibtisch bekommen, versprach Wolf.
Ortenauer Narrenbund
Der 1981 gegründete Ortenauer Narrenbund (ONB) ist nach eigenen Angaben der drittgrößte Fasnachtsverband in Baden-Württemberg. Ihm gehören 60 Zünfte mit 30 000 Mitgliedern an. Präsident ist seit 2004 der Polizeihauptkommissar Rainer Domfeld. Der ONB hat seit 2012 seinen Sitz in der Kehler Hafenstraße 1.