Gemeinsam beten trotz Corona
Zusammen ist man weniger allein: Sands evangelische Pfarrerin Britta Gerstenlauer feiert Andachten in der Kirche zusammen mit den Konfirmanden – die aber nur als Foto anwesend sind.
Auch Kirchen sind in diesen bleiernen Corona-Krisentagen ziemlich einsame Orte. Gottesdienste finden keine statt, aber zu den Gottesdienstzeiten und zum Vaterunser werden dennoch die Kirchenglocken geläutet. Auch Britta Gerstenlauer macht das so. „Wenn ich dann in der Kirche bin“, so die Sander Pfarrerin, „dann feiere ich Gottesdienst alleine, ohne Predigt – ich brauch ja schließlich keine Predigt für mich allein –, aber mit Gebet und Lesungen und Singen.“
Beispiel aus Italien
Da kam Britta Gerstenlauer ein Beispiel aus Italien in den Sinn, wo Pfarrer Fotos der Kirchgänger in der Kirche anbringen und so indirekt mit ihnen gemeinsam Gottesdienst feiern. In Sand gibt es bereits die Aktion, dass die Konfirmanden zu Beginn der Konfirmandenzeit ein Foto mitbringen. Diese Fotos wurden bisher im Schaukasten vor der Kirche ausgehängt, damit die Kirchenbesucher sie wiedererkennen können.
Diese Fotos wurden nun an den Kirchenbänken angebracht, so dass Britta Gerstenlauer gedanklich nicht alleine in der Kirche ist. Wenn andere Mitglieder der Sander Kirchengemeinde dem Beispiel der Konfirmanden folgen wollen, dürfen sie gerne ein Foto oder auch einen anderen „Platzhalter“ – zum Beispiel ein Gesangbuch oder auch einfach nur Blumen – in die Kirche bringen.
Dass Bedarf für solche Symbole da ist, zeigt auch die Kerzen-Aktion. Seit gut einer Woche bietet die Pfarrerin den Bürgern die Möglichkeit, in der Bartholomäus-Kirche eine oder mehrere Kerzen anzuzünden, die man auch namentlich kennzeichnen kann. Außerdem liegen kleine Kärtchen aus, auf die man ein Gebetsanliegen schreiben kann. Die Kirchengemeinde hat in der Bartholomäus-Kirche dafür einen Tisch vorbereitet. Er steht neben der Osterkerze in der Nähe des Altarraums. „Ich finde jeden Tag bestimmt so um die zehn benutzte Kerzen“, erzählt Britta Gerstenlauer.
„Ich will ja niemanden der Gefahr aussetzen, dass sie sich anstecken“, so Gerstenlauer weiter. „Aber solche Aktionen sind eine Möglichkeit, die Leute an etwas teilhaben zu lassen, was ihnen wichtig ist. Denn Glaube gibt auch Kraft und Hoffnung.“
Glocken läuten
Das gilt auch für Beerdigungen. Auch da werden die Glocken geläutet. Das war zwar auch schon vor Corona so, aber in diesen Zeiten sei es noch wichtiger, solche Zeichen zu geben und Rituale zu pflegen. Schließlich gelten auch für Beerdigungen und Trauerfeiern Coronavirus-bedingt Restriktionen – etwa was die Zahl der Teilnehmer angeht, die vom Toten persönlich Abschied nehmen dürfen. „Wenn um zwei die Glocken läuten, dann wissen die Menschen im Dorf: Jetzt läuten wir für den Franz oder die Lisbeth“, so Britta Gerstenlauer. „Dann können sie sozusagen in Gedanken teilnehmen – auch wenn sie nicht selbst dabei sein können.“
Formen des Abschieds
Oder sie gibt zum Beispiel Enkeln oder Urenkeln „Hausaufgaben“ mit, wie sie Abschied nehmen können. Etwa dass sie Blumen besorgen, die dann aufs Grab gelegt werden, was dann hinterher auch etwa per Foto dokumentiert wird. „Man muss halt Formen finden, wie man teilnehmen und der eigenen Trauer Ausdruck geben kann.“ Dass es aber überhaupt dazu kommen muss, dass man Ersatzformen fürs persönliche Abschiednehmen finden muss, sei schade: „Ich wünschte mir oft mehr Zutrauen zu den Leuten, die wissen, wie Umgang mit Trauer geht.“
Vor allem beklagt sie, dass Bewohner von Altenpflegeheimen keine Besuche mehr empfangen können. „Das ist für diese Menschen ganz schlimm“, weiß sie. „Da hätte ich mir andere Bestimmungen gewünscht.“