Geothermie-Kraftwerk wird für 50 Mio Euro gebaut
Im nordelsässischen Rittershoffen wird derzeit ein Geothermiekraftwerk gebaut, das Erdwärme für eine 15 Kilometer entfernte Stärkefabrik liefern soll. Die 50 Millionen Euro teure Anlage wird den Planungen zufolge Anfang 2016 in Betrieb gehen und soll wenn alles gut läuft mindestens 20 Jahre lang funktionieren.
Das umzäunte Gelände an der Route Departementale D243 zwischen Rittershoffen und Betschdorf auf Höhe von Rastatt macht auf den Vorbeifahrenden einen unscheinbaren Eindruck. Hinter Zäunen stehen einige Container, ein Dutzend grauer PVC-Rohre liegen aufeinander gestapelt, weiter hinten steht eine rote Installation mit zwei riesigen Schloten. Man muss schon genau hinsehen, um einige Meter davor zwei aus dem Erdreich ragende, übermannshohe Rohrinstallationen zu bemerken. Sie sind das Herzstück eines derzeit im Bau befindlichen Erdwärmekraftwerks, das nach Angaben der Betreiber eine Weltpremiere darstellt: Hier soll ab Anfang 2016 heißes Grundwasser Wärme für eine Industriefabrik liefern, wie Guillaume Ravier am vergangenen Donnerstag den Teilnehmern der Exkursion des 4. Trinationalen Forums Geothermie am Oberrhein erklärte, das im Rahmen der 11. Internationalen Geothermiekonferenz in Offenburg stattfand. Ravier ist Forschungsingenieur bei ES-Géothermie, einer Tochterfirma des regionalen Energieversorgers Electricité de Strasbourg (ES).
Das Unternehmen ist zu 40 Prozent an der Gesellschaft ECOGI (Exploitation de la Chaleur d’Origine Géothermale pour l’Industrie) beteiligt, die 2011 eigens für den Bau und den Betrieb der Geothermieanlage in Rittershoffen gegründet wurde. Weitere 40 Prozent hält das nordfranzösische Industrieunternehmen Roquette Frères und 20 Prozent die staatliche Depot- und Sparkasse Caisse de Dépôts.
Roquette hat sich auf die Herstellung von Stärke, Glukose und Bioethanol aus Mais und Getreide spezialisiert und will die in Rittershoffen gewonnene Erdwärme für seine Stärkefabrik im 15 Kilometer entfernten Beinheim nutzen. Die Geothermie soll zu zwei Dritteln den Wärmebedarf von Roquette ersetzen, der im Moment ausschließlich durch Erdgas gedeckt wird.
Zwei Bohrungen 2012 und 2014 und mehrere Probeläufe hätten sich als äußerst vielversprechend erwiesen, so Geologieingenieurin Eléonore Dalmais. In 2500 Metern Tiefe sei man in einer Bruchzone, wo Buntsandstein und Granit aufeinander treffen, auf 170 Grad heißes Wasser in großen Mengen gestoßen.
Dieses soll den Plänen zufolge nach oben gepumpt werden, wo es über einen Wärmetauscher seine Wärme an einen Frischwasserkreislauf abgibt und durch den zweiten Schacht in 3700 Meter Tiefe zurück gepumpt wird. Eine 15 Kilometer lange Ringleitung wird das auf 165 Grad aufgeheizte Wasser ins Werk in Beinheim liefern.
Leitung kostet 17 Mio.
Von den 50 Millionen Euro Investitionssumme sind 17 Millionen allein für die Fernwärmeleitung zwischen Kraftwerk und Abnehmer vorgesehen. Die französische Umwelt- und Energieagentur ADEME bezuschusst das Vorhaben mit 25 Millionen Euro. Das Kraftwerk mit einer thermischen Sollleistung von 24 MW soll pro Jahr 190 Millionen Kilowattstunden Wärmenergie erzeugen, was dem Heizbedarf von 27000 Wohnungen entspricht. Dadurch, so Ravier, könnten pro Jahr 39 000 Tonnen CO2 eingespart werden.
Die Fernwärmeleitung sei so extrem isoliert, dass auf der Strecke nur ein Wärmeverlust von 3,8 Grad zu erwarten sei, sagte Ravier. 2,7 Kilometer Leitung sind bereits verlegt.
Stichwort - Der Experte zu den Risiken:
In Rittershoffen berge die Gewinnung von Erdwärme anders als etwa in Basel deutlich weniger Risiken, sagte Ravier: »Wir nutzen bereits vorhandenes heißes Wasser und pressen nicht erst wie beim Hot-Dry-Rock-Verfahren kühles Wasser unter hohem Druck ins Gestein, das sich dann erwärmt.«
Es bestehe auch nicht wie in Lochwiller die Gefahr, dass sich das Erdreich hebt, »denn hier haben wir andere geologische Formationen und wir betreiben keine Oberflächen-Geothermie.« In Rittershoffen werde das Tiefenwasser nicht an die Oberfläche gebracht und gerate nicht in Kontakt mit dem Gelände. Die Eingänge der beiden Bohrschächte seien zudem dreifach verrohrt. Jede Verrohrung sei mit Zement abgedichtet, um Lecks zu verhindern. Darüber hinaus schreibe das Gesetz vor, dass die Verrohrung und die Schächte alle drei Jahre inspiziert werden müssen. Die Ringleitung bis Beinheim würden zudem durch Sensoren permanent auf ihre Dichtigkeit hin überwacht.