Gunnar Sommers Combo bietet Jazz im Yachthafen Kehl
Manuel Fast am Keyboard, Sängerin Cécile Solin und Gunnar Sommer am Saxophon bilden die Gunnar Sommers Combo. Ihr erstes Konzert in dieser Besetzung haben sie am Donnerstagabend in der »Jazz-Kantine« im Yachthafen-Restaurant gespielt.
Dieter, der ältere Bruder des Kehler Obersaxers Gunnar Sommer, wurde am Donnerstag, dem Tag des dritten Jazz-Kantine-Abends, 66. Und all die, die an diesem äußerst lauschigen Plätzchen mitlauschen können, hören mit, wie der seine Geburtstagsgäste mit treffender Rhetorik begrüßt: »Die Yachthafen-Terrasse bietet ein besonderes Ambiente.« Da setzt es Applaus schon lange vor Konzertbeginn an diesem lauschigen »Sommer«-Abend.
»Jazz-Kantine«? Das ist die vom Restaurant Yachthafen in diesem Jahr neu installierte Jazzfreude für Jazzfreunde. Diesmal sogar in offener Luft – Open-Air also. Petrus scheint »Sommer«-Fan, schon ist die Yachthafen-Terrasse rappelvoll. Für die spätkommenden Stehenbleiber werden Sitzgelegenheiten angeschleppt. Mägen knurren bis zum Salat oder Hüftsteak, das Kehls Vorzeigekoch in Meli Tiganeles Küche meist medium brät. Es riecht nach mehr: In der Küche brummt’s, Claude Louis Lievre zupft diesmal keine Gitarrensaiten, zeigt sich dafür von seiner kulinarisch besten Seite und kocht, noch bevor der erste Ton geblasen, die ersten Triolen gesungen sind, Championsleague-like.
Initiator auf der Bühne
Ein doppeltes akademisches Viertelstündchen, dann vermeldet der bestens eingearbeitete Band-Vorsteller Michael Dreilich Vollzug: Die dritte Veranstaltung stehe an. Diesmal auf der Bühne der Initiator der »Jazz-Kantine« höchstselbst: Gunnar Sommer, Intensiv-Musiker, Soundbrauer, Holzbläser, Mitinitiator und Programm-Zusammensteller.
Heuer hat er zwei absolute Hochkaräter um sich geschart: die schon längere Zeit nicht mehr live aufgetretene Südfranzösin Cécile Solin, die in grauer Vorzeit nach ein paar Jahren Schuldienst sich dazu entschlossen hatte, Sängerin zu werden. Dazu das ihm vor acht Jahren in einer Musikschule über den Weg gelaufenen Trio-Nesthäkchen Manuel Fast, ein »Fast and Furious« an den Tasten, der zum ersten Mal in dieser Besetzung öffentlich auftretenden Jazz-Combo.
»Smooth Operator«
Gleich zu Beginn des Real-Book-durchsetzten Abends ein fulminantes Sax-Piano-Duo-Smoothie mit Szenenapplaus für die jeweiligen Soli. Weich, einfühlsam, schmeichelnd. Dave Koz scheint es kaum besser zu können. Es scheint, Gunnar weiß über jeden seiner gespielten Töne genaustens Bescheid. Er weiß wie, wann und was er phrasiert, punktiert und interpretiert. Blasen aus dem Bauch raus. Auf sehr hohem Niveau.
Cécile verweilt derweil im Gebüsch hinter der Bühne.Noch hat sie Pause. Und während dann Sades »Operator« smooth geworden ist, läuft die quirlige Südfranzösin warm, lässt endlich ihr überdimensionales Können aufblitzen: Ein Riesentonumfang, gestochen scharfe jazzige Coloraturen.
Perkussive Lippenbekenntnisse, mitreißende Schu-bi-Dus – sie hat’s absolut drauf. Sie mausert sich – lediglich französisch und englisch parlierend – mit allen musikalischen, Timing- und Entertainwassern gewaschenen, zu einer – Pardon, Cécile! – Rampensau. Falsett und Blue Notes, leise Töne und orkanartiges Gurren, knitze humoreske Phasen und mehrere Oktaven umfassende Phrasen werden bei ihr zur publikumsfesselnden Symbiose.
Gestenreich unterstreicht sie die Lyrik der Songs, pulsiert, glänzt, und gibt sich dabei äußerst bescheiden. Dann fordert sie den Pianisten auf, sein Piano piano zu streicheln und explodiert dann einige Triolen später. Babalababa! Everybody schnipps bis fingers!
Knoten in den Fingern?
Und Manuel? Fast unbemerkt sitzt er unbekümmert am E-Piano. Legt dann aber, so vonnöten, ein fingerknotenfurchterregendes Tempo vor. Seine langen Finger huschen Vettelesk über schwarze und weiße Tasten, drücken diese präzise. Er glänzt bei beinahe jedem Stück mit luftigen, fast atemlos machenden Soli.
Und Gunnar? Der donnert derweil präzise Sechzentel aus dem Rohr, überbrückt die nahende Stille dann mit einer Sommer-Brise saxophoneskem Schluchzen. Er steht da, unaufgeregt. Er ruht in sich, er braucht keine großen Gesten. Sein Spiel überzeugt. Ohne Wenn und Aber. Irgendwie scheint er ein Übriggebliebener aus einer anderen, irgendwie schon vergangenen, aber vielleicht noch besseren Welt, eben wie ein »Sommer of 69«. E-Piano, erstaunlich frischer Gesang und einem wohlig temperierten Tenor- und Sopransaxophon, das leider einzig bei »Sou le Ciel de Paris«, einem beeidruckenden Cécile-Chanson-Höhepunkt zum Einsatz kam.
Eine Gunnar-Sommer-Combo also, die einen lauschigen Sommer-Abend feilbot, schnörkellos und – wie versprochen – ohne künstliche Aromen und Zusatzstoffe. Lediglich seine Flöte hatte Gunnar bedauerlicherweise zu Hause gelassen. Schade! Denn so bleibt der dritte Jazz-Cantine-Auftritt ein »flute«nfreier Abend –jedoch in keinster Weise fleischlos.