Hegels Verhältnis zu Frankreich
Der Hegel-Forscher Klaus Vieweg referierte auf Einladung des Club Voltaire am Montag in der Stadthalle über Friedrich Hegel und dessen Beziehungen zu Frankreich.
Wegen der Abstands- und Hygieneregelungen fand die erste Veranstaltung des Club Voltaire nach dem Corona-Lockdown nicht im Salon, sondern im locker bestuhlten Zedernsaal der Stadthalle statt. Im Rahmen des aktuellen Halbjahresprogramms, das unter dem Motto „Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit“ steht, sprach der in Jena lehrende Philosophie-Professor Klaus Vieweg über den Freiheitsgedanken Hegels und seine Affinität zu Frankreich.
Hegel war Zeit seines Lebens Verfechter des Grundgedankens der französischen Revolution – der Gleichheit aller Menschen und das daraus resultierende Recht auf Freiheit – gewesen.
Champagner am 14. Juli
In seiner Heimatstadt Stuttgart kam Friedrich Hegel als Gymnasiast mit dem Denken Jean-Jacques Rousseaus, der als einer der Wegbereiter der französischen Revolution gilt, in Berührung.
Als Student am konservativen Tübinger Stift, wo er ab 1788 Philosophie und Theologie studierte, fanden sich schnell „revolutionsbegeisterte Kreise“, zu denen Hölderlin und Schelling, aber auch Studenten aus dem Elsass und Mömpelgard (Montbéliard) gehörten.
„Die französische Revolution war sein politisches Grunderlebnis“, so Klaus Vieweg. „Er soll jedes Jahr am 14. Juli ein Glas Champagner genossen haben.“
Der „ungeartete Freiheitssinn“ der Mömpelgarder Studenten und die Ideen der Revolution, die das Stift „mit dem demokratischen Geist infizieren“, wurden dort nicht gern gesehen.
Die Lehre von der Verderbtheit der menschlichen Natur, der „Erbsünde“, war für Hegel ein Erzdogma. Er plädierte für eine natürliche und lebendige Volksreligion, die Hand in Hand mit der Freiheit als ein universelles Recht aller Menschen geht.
Auch wenn er mit den politischen Ereignissen in Frankreich aufgrund des Fanatismus der Jakobiner nicht konform ging, hielt Hegel an den Prinzipien der Revolution „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ fest.
„Hegel hat sein Leben lang politische Schriften veröffentlicht. Er hat auch Verfassungsentwürfe für Württemberg und Deutschland geschrieben“, so Klaus Vieweg. „Die meisten Philosophen halten es dagegen für etwas ‚Niedriges‘, sich mit Verfassungen zu beschäftigen.“
„Weltseele zu Pferde“
1801 ging Hegel an die Universität Jena, der damaligen Hauptstadt der Philosophie, wo er auch sein Werk „Die Phänomenologie des Geistes“ verfasste.
1806 traf er dort im Vorfeld der Schlachten von Jena und Auerstedt auf Napoleon und schilderte die „wundersame Empfindung“, diese „Weltseele zu Pferde“ gesehen zu haben. „Für Hegel war Napoleon derjenige, der mit dem ‚Code zivil‘ eine moderne Verfassung nach Europa brachte“, so Klaus Vieweg.
Vieweg schloss seine Betrachtungen zu Hegels Frankreich-Bezug mit dessen Reise nach Paris, die er 1827 unternahm – und der Tatsache, dass er seine drei Söhne in Berlin aufs französische Gymnasium schickte, zu einer Zeit des aufkommenden Nationalismus und einer wachsenden Franzosenfeindlichkeit.
In der anschließenden Diskussion wusste Klaus Vieweg anekdotenreich viele Detailfragen zur Philosophie und zum Leben Friedrich Hegels zu beantworten – kein Wunder, hat er unlängst eine umfassende Hegel-Biografie zum 250. Geburtstag des schwäbischen Denkers herausgebracht.