Hunde sind die größten "Sorgenkinder" des Kehler Tierheims
Aktuell leben im Kehler Tierheim 19 Hunde („hier sind wir voll“), 20 Katzen („gerade überschaubarer – bis vor kurzem wussten wir nicht wohin mit den ganzen Katzen“), fünf Kaninchen, 40 Igel („auch voll“), jedoch keine Vögel, zählt Tierheimleiterin Kim Maurath (34) auf. Neben der Versorgung von Fund- und abgegebenen Tieren kümmert sich das an der Alten Landstraße auf Neumühler Gemarkung gelegene Tierheim auch um beschlagnahmte Tiere, zum Beispiel sogenannte Kampfhunde, also die „kräftigen Jungs“. Doch nicht alle Tiere sollen oder müssen wieder abgegeben werden: Im Tierheim, dessen Träger der Tierschutzverein Kehl-Hanauerland ist, gibt es zudem ein Katzendorf, in dem wild lebende Freigängerkatzen versorgt werden.
Da es im Kehler Tierheim eine „recht hohe Fluktuation“ gibt, werden die meisten Tiere recht schnell wieder vermittelt. Trotzdem gibt es immer wieder „Sorgenkinder“ unter den Tierheimbewohnern – Tiere also, die aufgrund irgendeiner „Macke“ schwer vermittelbar sind. Katzen seien einfacher zu vermitteln, auch ältere, meint Kim Maurath. Die meisten Menschen wollen aber natürlich „süße Tierbabys“.
Hunde, die in die Jahre gekommen sind, haben da schlechtere Karten. „Leider sitzen bei uns aktuell viele Hunde, welche nur schwer ein Zuhause finden“, betont sie. Die Gründe sind vielfältig: Sei es wegen Problemen bei der Ressourcenverteidigung (z.B. Futter, Spielzeug, Schlafplatz) und Individualdistanz-Themen (Mensch und Tier kommen zu nah), weil sie Schwierigkeiten mit fremden Menschen haben, sie skeptisch und ängstlich sind und das vielleicht nie ganz weg bekommen, oder einfach weil sie alt sind, fasst Kim Maurath zusammen.
Vier Fellnasen vorgestellt
Das Kehler Tierheim will deswegen einmal „vier Fellnasen vorstellen, stellvertretend für alle schweren Fälle“:
◼ Boxer-Mischling „Floki“ (fast 3 Jahre) ist am 16. Mai 2020 geboren, bereits kastriert und voller Energie und Lebensfreude. „Floki“ wurde wegen privater Veränderungen im Tierheim abgegeben, erzählt die hauptberufliche Tierheimleiterin. „Er bindet sich stark an seine Menschen und braucht Personen auf die er sich verlassen kann. Fremde findet der junge Mann erst einmal ziemlich doof und würde diese tendenziell auch anspringen – und seine Zähne benutzt.“ Bei Vertrauen „kann man mit ihm aber viel Quatsch machen“. Ohne anständige Ruhephasen sei er jedoch sehr überdreht. „Wir wünschen uns für ihn in sich ruhende Menschen, die sich bewusst sind, dass Floki noch etwas Arbeit bedeutet.“
◼ Nostalgia („Nosti“), eine knapp zweieinhalb Jahre alte, kastrierte Schäferhund-Mix-Hündin (geboren am 18. Juli 2020) ist die Zweite auf der Liste. Sie kam vergangenes Jahr aus einem befreundeten rumänischen Tierheim nach Kehl. „Schon damals zeigte sie sich als eine schüchterne Beobachterin, die die Welt um sich herum und ihre Mitgefährten genau unter die Lupe nimmt.“ Doch mit dem richtigen Feingefühl machte sie langsam aber stetig Fortschritte: „Sie fing an Leckerlis aus unserer Hand zu fressen, sich ihr Geschirr an- und ausziehen zu lassen und sie duldete Berührungen. Zudem ist sie – mit anständiger Sicherung – auch mit unseren Stamm-Gassigehern spazieren gelaufen.“
Trotz dieser Erfolge „ist sie ein Angsthund und wird das wohl immer ein Stück weit bleiben“. Für „Nosti“ wünscht sich das Team des Kehler Tierheims „erfahrene, feinfühlige Menschen, die mit ihr gemeinsam arbeiten möchten, aber gleichzeitig auch nicht allzu viel von ihr erwarten“. Zeit und Geduld sind die Geheimrezepte, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Außerdem ist es wichtig, „dass sie anständig gesichert wird, da wir hier leider unschöne Erfahrungen machen mussten“. Nostaliga ist, laut Kim Maurath, eine „wundervolle Seele, die das Vertrauen in den Menschen erst wieder lernen muss“. Ein Hundetrainer zur Unterstützung, um die nötige Sicherheit zu vermitteln, wäre allerdings ratsam, ergänzt sie.
◼ „Und zu guter Letzt unser Opa Appa (wird 12 Jahre) und sein WG-Mitbewohner Alfred (fast 13 Jahre)“, sagt Kim Maurath schmunzelnd.
Appa ist ein kastrierter Rottweiler-Rüde, der 2011 geboren wurde und laut der Tierheimleiterin „ein älterer Herr“ ist, der „zwar ein relativ ruhiges Zuhause sucht, jedoch kompetente und klare Führung benötigt“. Vertrauten Personen gegenüber sei „Appa“ ruhig, anhänglich, läuft hervorragend an der Leine und geht gern kleinere Runden spazieren. „Er geht jedem Ärger, wenn möglich, aus dem Weg“, ergänzt sie lachend.
Trotz Schmerzen durch mehrere Bandscheibenvorfälle im Halswirbelbereich zeigt er Grundgehorsam. „Wir gehen mit ihm regelmäßig zur Physiotherapie. Hier genießt er die Aufmerksamkeit in vollen Zügen.“ Mit Artgenossen, ob groß und klein, männlich wie weiblich, verträgt er sich gut. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel: „Kinder sind für Appa ein großer Stressfaktor. Wir wünschen uns für den Opi daher ein ruhiges, kinderloses Zuhause bei Menschen, die wissen was ein alter Rottweiler für eine Verantwortung bedeutet.“
Alfred wird vom Team nur „Alfi“ gerufen. Der Senior ist ein kleiner kastrierter Mischlings-Rüde, der am 19. Mai 2010 geboren wurde. „Der süße Bolle ist schüchtern und feinfühlig. Alfi hat noch nicht so viele Alltagssituationen in seinem Leben kennen gelernt und ist daher ängstlich. Wenn er einen Bezug aufgebaut hat ist er kooperativ, aber gleichzeitig immer vorsichtig, da er uns Menschen noch nicht so ganz über den Weg traut“, weiß Kim Maurath. Wer sich für den Knirps interessiert, müsse sich bewusst sein, „dass es sehr viel Zeit braucht bis er aus sich heraus kommt und er wohl immer ein wenig skeptisch bleiben wird“. Auch bei „Alfi“ ist eine anständige Sicherung im Alltag essenziell, betont die Tierheimleiterin. „Alfred würde, wenn er Panik bekommt rennen, einfach rennen. Also wünschen wir uns ruhige Menschen für ihn, die wissen, was es heißt einen Hund zu adoptieren, der vom Menschen gegenüber vorsichtig ist.“
Zwei neue Hundetrainer
Nach den größten „Sorgenkindern“ möchte die Tierheimleiterin noch zwei Mitarbeiter vorstellen: „Wir haben das Glück nun zwei Hundetrainer in unserem Team zu haben, die wunderbare Arbeit leisten.“
Joel Brito von „Canis Evolution“ (von lat. canis für Wolf) kümmert sich um die wirklich schwierigen Fälle. Neben der Arbeit im Tierheim bietet er Training an, wie Basics, individuelles Training Zuhause oder Gruppentraining. Aufgrund seiner Erfahrung geht er individuell auf jeden Hundetyp und dessen Probleme ein. „Wir sind dankbar so einen kompetenten Trainer zu haben, welcher mit viel Leidenschaft und Feingefühl mit den Hunden arbeitet.“ (Kontakt: 01 52/02 00 90 41 oder übers Tierheim erreichbar).
Auch Julia Brischle von „Pawsitive Vibes“ (von engl. paw für Pfote) ist Teil des Teams, trainiert aber auch außerhalb des Tierheims Menschen und ihre Hunde. „Sie hilft uns mit tollen Ideen die Hunde zu entstressen und ihnen den Tierheim-Alltag etwas gemütlicher zu gestalten. Auch sie ist vielseitig und hilft mit kompetenter Beratung und Herzblut.“ (Kontakt: 01 76/31 29 09 52, info@pawsitive-vibes.de)
Notwendig geworden sei die Einstellung der Hundetrainer, die beide zudem als Tierpfleger im Tierheim arbeiten, um „die immer schlimmer werdende Situation zu verbessern“, betont Kim Maurath. „Denn es werden immer mehr Hunde abgegeben, die wir aber nicht alle aufnehmen können, weil uns die Kapazität fehlt. Das heißt aber nicht, dass wir nicht helfen wollen“, ergänzt sie.
Gleichzeitig wendet sich die Kehler Tierheimleiterin direkt an die Leser der Kehler Zeitung: „Wir können aber anderweitig unterstützen. Tierschutz steht nicht nur in unserer Berufsbeschreibung, sondern auch in unserem Herzen. Scheut euch nicht bei uns um Hilfe zu bitten. Mit kompetenten Trainern und viel Erfahrung können wir euch zur Seite stehen. Egal ob es um eine schnelle Hilfe beim Thema Maulkorb und Absicherung geht oder um häusliches Management. Wir möchten euch nicht hängen lassen. Außerdem können wir euch bei der Vermittlung behilflich sein, indem wir das Tier über unsere Plattformen teilen und ausschreiben.“
„Daddy, unser kleines Weihnachtswunder“
Am Ende unseres Gesprächs hat die Tierheimleiterin noch „etwas Herzerwärmendes“: „Unser Daddy, ein elfjähriger American Staffordshire Terrier, der so gut wie sein ganzes Leben bei uns verbracht hat, durfte endlich Mitte Dezember nach sieben Jahren in eine dauerhafte Pflegestelle ziehen. Wir können es kaum glauben und sind überglücklich, dass er nun ein liebevolles Zuhause am Ende seines Lebens gefunden hat. Er hat es so verdient, nach so einer langen Zeit. Bei ihm hatte das „verflixte“ 7 Jahr einen unglaublich wunderbaren Abschluss. Endlich. Denn viele Jahre lang war das Tierheim sein Zuhause. Diese Zeit war ein auf und ab der Gefühle. Daddy hat uns oft zum Lachen gebracht, mit seinen lustigen Grimassen, Flusen im Kopf und seiner Lebensfreude. Doch zwei fehlgeschlagene Vermittlungen, tragische Diagnosen, wie ein Nierentumor… haben uns ebenso zum verzweifeln gebracht. Aber wie sagt man denn so schön? Alle guten Dinge sind drei und wir sind sehr zuversichtlich dass dieses Sprichwort sich bei Daddys Schicksal bewahrheiten wird! Nun durfte Daddy also zu einer jungen, motivierten Dame ziehen, die es nicht einfach mit uns hatte. Sie wurde von uns auf Herz und Nieren geprüft, hat sich mehrere Wochen intensiv mit Daddy beschäftigt und siehe da, es hat alles gepasst.“
Und auch diese junge Dame, Pflegemama Julie, berichtet voller Freude: „Es klappt einfach so gut, er ist eine Seele von Hund und so unfassbar lieb und aufgeschlossen zu jedem.“ Kim Maurath ergänzt: „Wir finden dem ist nichts mehr hinzu zu fügen. Außer vielleicht, dass solche Momente der Grund sind warum wir unsere Arbeit so sehr lieben und selbst in den schwersten Zeiten unser Lachen nicht verlieren.“ wun
Spendenkonto
Wer einen Betrag für das Kehler Tierheim spenden will: Sparkasse Hanauerland, IBAN DE20 6645 1862 0000 0180 03, BIC SOLADES1KEL. Weitere Infos gibt es über die Homepage www.kehler-tierheim.de, über Facebook oder Instagram.