In Marlen wird gesunder, schmackhafter Essig produziert
Vier Generationen Erfahrung stecken im Essig drin, der in Kehl-Marlen produziert wird. Reifezeiten von bis zu 1000 Tagen in Holz- oder Barrique-Fässern sind im »1. Deutschen Essig-Brauhaus« von Theo F. Berl keine Seltenheit.
In Abwesenheit von Theo F. Berl empfing der Teilhaber und gemeinsame Geschäftsführer Alfons Bächle 30 Leser der Kehler Zeitung, die bei der achten und letzten Führung der Aktion »Offenes Werkstor 2017« sich für die natürliche Herstellung von Essig interessierten. Direkt neben dem Stammhaus »Wilder Mann« braut »Theo – der Essigbrauer« mit seinen Angestellten 32 verschiedene Sorten Essig. Und dies ohne technische Hilfsstoffe, ohne Farbstoffe oder Aromen.
Unterschied ist auf der Zunge zu spüren
»Industrieller Essig wird zu 95 Prozent aus Branntweinen hergestellt, die erst mal von 60 Prozent Alkoholgehalt auf 25 Prozent verdünnt werden müssen«, erläuterte Alfons Bächle gleich zu Beginn den Unterschied zum »Brauen« von Essig in Marlen und fügte hinzu: »Das ist sofort auf der Zunge zu spüren. Durch diese Herstellung und Reduktion ist der Essig sozusagen schon tot.« Bevor der Spitzenkoch aus Durbach die Gäste in die Produktionshalle führte, musste jeder Teilnehmer aufgrund der Hygienevorschriften nicht nur eine Haube aufsetzen, sondern sich auch am Eingang die Hände desinfizieren. Schon vor der Eingangstür zieht der typische Essiggeruch in die Nase. Und doch unterscheidet sich das Endprodukt von dem, was überwiegend im Handel zu finden ist.
»Entschleunigte Produktion«
Basis des in der letzten, ganzheitlichen Essigkellerei in Deutschland hergestellten Produkts sind Früchte, Blüten und Weine aus der Region. Und eine »entschleunigte Produktion«. Nachdem die verschiedenen Rezepturen gemischt und der Essig in seiner Urform hergestellt ist, wird er in Holz- oder Barriquefässer abgefüllt. Nun beginnt das »Prinzip der Langsamkeit«. Im Freiluftspeicher über der Produktionsstätte reift der Essig zwischen 300 und 1000 Tagen, bevor er letztendlich in Flaschen abgefüllt wird und in den Verkauf geht. Alfons Bächle führte die Teilnehmer über eine schmale Wendeltreppe nach oben in diese Schatzkammer und zeigte stolz die unterschiedlichen Holzfässer. Die Spitzenqualität erhält in den 225-Liter-Fässern die längste Reifezeit, während die etwas günstigere Qualität in einem 3000-Liter-Fass trotzdem deutlich länger reift als der Industrie-Essig, der schon nach 6 bis 16 Stunden in Flaschen abgefüllt wird.
Ausbau nach althergebrachten, handwerklichen Verfahren
Die Fässer tragen verschiedene Bezeichnungen: Ob Akazie, Esche, Kirsch, Kastanie oder Maulbeere – der Inhalt ist und bleibt Essig und Balsamico in reinster Qualität, der von der einzigen Holzfass-Kellerei in Deutschland noch nach einem althergebrachten, handwerklichen Verfahren ausgebaut wird. Mit individuellen Rezepturen für individuellen Ausbau, die teilweise schon von Ur-Großvater Friedrich Berl angewandt wurden.
Aus Hobby eine Berufung gemacht
Nach dem Abstieg zurück in die »Brauerei« führte Alfons Bächle die Gäste in den ehemaligen Schankraum des »Wilden Mann«, der weiterhin für Führungen oder Veranstaltungen genutzt wird oder angemietet werden kann. Theo F. Berl hat vor Jahren aus seinem Hobby eine Berufung gemacht. Das schmeckten auch die Teilnehmer des »Offenen Werkstors«, denen Alfons Bächle bei der anschließenden Verkostung wenige Tropfen Essig aus verschiedenen Flaschen auf einen Löffel träufelte. Nach einem reinen Essig aus Weißwein kamen verschiedene Geschmacksrichtungen dazu.
Ob mit Birne, aus Blüten des Holunderbeerstrauches, einem speziellen Apfel-Bernstein, mit Rosenblättern oder Whiskey – zu jeder kredenzten Essigsorte gab es auch Tipps und Ratschläge, wie diese beim Kochen oder im täglichen Leben zur Erhaltung der körperlichen Gesundheit angewandt werden könnten. Und, wie der leidenschaftliche Koch nochmals bei jeder neuen Sorte betonte, »der Essig beißt weder auf der Lippe noch kratzt er im Hals. Essig, der auf den Lippen brennt, wird aus Branntwein hergestellt.« Im Anschluss an Führung und Verkostung konnten sich die Teilnehmer noch im Verkaufsraum über die Vielzahl der Produkte erkundigen oder sich gleich mit Essig eindecken, der auch von einem süddeutschen Handelsunternehmen vertrieben wird.
Historie
1868: Seit fast 150 Jahren werden am heutigen Standort Marlen frische Lebensmittel produziert. In der vierten Generation betreibt nun der Essigbrauer Theo F. Berl den Familienbetrieb. Ursprünglich gründete sein Ur-Großvater Friedrich Berl am Weg zum Rhein eine Landwirtschaft mit angeschlossener Gastwirtschaft. Wie damals üblich wurden die Lebensmittel selbst angebaut und für den Eigengebrauch und für die Gäste direkt verarbeitet. Mit dem Pferdefuhrwerk wurden diese auf den Märkten der Umgebung und in den Schwarzwald verkauft. Immer der Natur verbunden, immer auf beste, natürliche Qualität bedacht: So wurden und werden vom Ur-Opa damals bis zum Ur-Enkel beste Lebensmittel hergestellt.
1981: Theo F. Berl beginnt mit der Essigproduktion für den Eigenbedarf.
2002: Das »Brauen« von Essig und Balsamico findet in der extra dafür gegründeten »Balema« statt.
2009: Ein süddeutsches Handelsunternehmen entdeckt die Produkte von »Theo – der Essigbrauer« und nimmt sie in ihr Sortiment auf.
Wussten sie, ...
...dass bei der industriellen Herstellung von Balsamico künstliche Zusätze und Industrie-Alkohol verwendet werden?
...dass Balemasam die naturreine, handwerkliche Alternative zu schnell gefertigtem Industrie-Balsamico ist?
...dass »Theo – der Essigbrauer« in 13 aufwendigen Schritten langsam und schonend natürliche Qualität produziert?
...dass diese handwerkliche Herstellungsweise »Holzfass-Diffusion« nach alter Art in Deutschland einzigartig ist?
...dass der Essig nur aus bester Rohware von Winzern und Obstbauern aus der näheren Region und der weiteren süddeutschen Umgebung hergestellt wird?
...dass bisher pro Jahr 400 000 Flaschen ihre Abnehmer vor allem im süddeutschen Raum fanden?