Islamische Gemeinde Kehl feiert Sommerfest an der Moschee
Die islamische Gemeinde Kehl feierte am Samstag und Sonntag bei der Moschee ihr Sommerfest und bot eine offene Tür für alle.
Bunte Zelte über den Reihen mit Gartentischen und Bänken, Stände mit Kleidung und Lebensmitteln aus der Türkei, Kaffee, leckere Süßigkeiten, Männer am Grill, Frauen und Mädchen hinter der Theke mit traditionellem Essen. Lange Röcke oder enge Jeans, Schönheiten mit und ohne Kopftuch – es solle ja wohl eine freie Entscheidung sein. Drei Generationen am Tisch, irgendwo spielt eine Flöte – die islamische Gemeinde Kehl feiert einen Sommerfest, der Geselligkeit zuliebe.
Nicht dass es ihnen an Geselligkeit fehlen würde – in derselben Woche habe die Fastenzeit Ramadan mit einem großen Fest am Dienstag, dem »Zuckerfest« geendet, an dem etwa 600 Leute beim gemeinsamen Gebet und Frühstück teilgenommen hätten, berichtet Murat Altintas, Vorsitzender des Islamischen Kultur-Vereins für Kehl und Umgebung und Organisator des Festes.
»Jeder ist bei uns willkommen, der Verein ist für alle da. Wir sind offen und empfangen sehr viele Besucher, bieten Führungen durch die Moschee an. Es kommen Schüler, Studenten, Touristen und christliche Gemeinden. Firmen haben ihre Bildungswege bei uns präsentiert und auch die großen Parteien sich in der Wahlzeit vorgestellt«, sagt Altintas. Beim Ramadan sei vorige Tage auch OB Vetrano zu Besuch gewesen, er habe sich alles angeschaut und mit am Tisch gesessen, freut sich der Vorstand.
30 Tage lang werden bei der Moschee während der Fastenzeit nach dem Sonnenuntergang Speisen und Getränke für alle frei geboten, unabhängig von ihrer Glaubensausrichtung. »Ramadan ist ein gesegneter Monat. Die Muslime aus der ganzen Umgebung finanzieren das Essen, so dass auch viele Bedürftige hier gespeist werden. Miteinander teilen und spenden sind ein wichtiger Bestandteil im Islam.« So wie auch Vergebung und Friedfertigkeit.
»Islam ist eine friedliche Religion. Unser Glaube hat mit Terror und dem Morden im Namen Gottes absolut nichts zu tun. Wer ein Muslim sein will, muss den Koran ganz annehmen, ohne wenn und aber. Und im Koran steht, dass wer einen Menschen rettet, so rettet er die ganze Menschheit. Und wer einen Menschen tötet, der tötet die ganze Menschheit. Ein Menschenleben ist sehr wichtig, der Mensch ist das Fundament, auf dem Gesellschaft und Religion aufbauen. Ich verstehe solche Taten nicht. Wir sind auch sprachlos...«, so Altintas. Ohnmacht und Trauer sieht man in seinen Augen.
Dieselbe Meinung vertritt auch Schriftführer Onur Üstfundag, der Maschinenbau- und Wirtschaftsingenieur ist. Er gehört zu der jüngeren Generation im Vorstand, dem Nachwuchs. »Terror und Morde im Namen des Islams darf es nicht geben. So etwas ist völlig unakzeptabel«, sagt er sichtlich darüber verärgert. Und auch die Teenies Tuhana Gül Güler, Melike Altintas, Melisa Sogut und Aylin Cayli äußern geradeaus und mit Heftigkeit ihre Meinung dazu. »Das sind charakterlose und gottlose Menschen, die Gottes Namen und unsere Religion mit ihren Taten beschmutzen und entehren«, sagen die 16 und 17 jährigen Mädchen, die gerade ehrenamtlich beim Fest mithelfen. »Jede Tat, die das Recht eines Menschen verletzt, ihm etwas wider Willen stiehlt oder wegnimmt – sprich auch das Leben – verzeiht Gott nicht. Nur der Betroffene kann es einem verzeihen und somit ihm den Weg ins Paradies freigeben, oder eben auch nicht«, betonen die Mädchen.
Zusammenrücken
Der Bodersweier Unternehmer und Mitbegründer der Bürgerstiftung Kehl (BSK), Hans Nussbaum setzt sich an den Tisch. »Herr Nussbaum hat uns sehr viel bei dem Bau geholfen und ist uns ein großer Freund«, stellt ihn Altintas vor. Sie hätten eine langjährige, gute Erfahrung miteinander im »Christlichen und Muslimischen Arbeitskreis« gemacht, der sich für interkulturelle und interreligiöse Kooperation engagiert. »Nach den Geschehnissen der letzten Zeit in Europa müssen die religiösen Gemeinschaften hier näher zusammenrücken. Die Integration ist in Kehl ganz weit fortgeschritten. Die Einwanderer haben hier Häuser gebaut, ihre Kinder studieren. Normalität ist das Wichtigste, das wollen wir erreichen«, so Nussbaum.
Während die Ältesten sich noch an schwere Zeiten in Deutschland erinnern können, an eine Kindheit, in der sie als »Scheißtürke« im Kindergarten und in der Schule von den Deutschen ausgeschimpft und auch verprügelt worden seien, und das Thema höhere Bildungswege ein schmerzhafter Berührungspunkt für sie darstellte, sagen die Jüngeren oder der Ingenieur Onur Üstfundag: »Wir sind hier geboren und aufgewachsen, wir fühlen uns wohl hier und haben viel deutsche Freunde.«
»Ich habe in Mannheim, Offenburg und Stuttgart studiert. Wenn ich nach Kehl fahre, kommen die Heimatgefühle hoch, ich habe immer Sehnsucht nach Kehl. Ich weiß nicht, ob ich in der Türkei leben und arbeiten könnte. Ich bin hier in der Heimat und spreche besser Deutsch als Türkisch. Meine Tochter wird wahrscheinlich gar nicht mehr Türkisch sprechen wollen. Viele von uns unterhalten sich lieber auf Deutsch.«
Auch interessiere die jüngere Generation Deutschlands Schicksal und sei zur Wahl gegangen. In Sachen Erdogan seien in der Kehler islamischen Gemeinde die Meinungen geteilt. Es gäbe sehr kritische Stimmen, die Neutralen und auch manche pro Erdogan.
Murat Altintas erinnert sich
Um die 1000 Mitglieder zähle die islamische Gemeinde aus Kehl und Umgebung. Als Altintas 1980 nach Kehl umzog, habe es hier keinen islamischen Verein und auch kein Gebetshaus gegeben. Die katholische Kirche St. Nepomuk half und stellte ihnen das Gemeindehaus zur Verfügung. »Zwischen 1980 und 1983 waren wir dort zu Gast. Es war sehr schön, denn Muslime und Christen haben zusammen während der Ramadanszeit gebetet und auch Feste gemeinsam gefeiert«, erinnert sich Altinta.
Dankbar sei man auch dem damaligen OB Günther Petry und den Gemeinderatsmitgliedern, die für den Bau einer Moschee in Kehl gestimmt haben und die islamische Gemeinde unterstützten.