Kehl: Fast 30 Prozent Ausländer

Philip Johannes ist seit dem Jahr 2019 Chef des Kehler Ausländeramts. ©Stadt Kehl
Kehl (red/egg). 3289 Frauen, Männer und Kinder mit französischer Staatsangehörigkeit leben nach Angaben der Stadtverwaltung in Kehl. Sie bilden damit die größte Gruppe von Ausländern in der Rheinstadt. Insgesamt, heißt es in einer Rathaus-Pressemitteilung, sind es hier 120 Nationen. Wer aus welchem Land mit welchem Status hier wohnt, darüber hat das Ausländerbüro unter Leitung von Philip Johannes den Überblick. Das Thema ist komplex. Auch die deutsch-französische Grenze und Kreuzfahrtschiffe beschäftigen das kleine Team des Bereichs Ausländerwesen ziemlich.
Mitglieder aus EU-Staaten genießen Freizügigkeit und können sich niederlassen. Das betrifft auch 1155 Menschen aus Rumänien und 401 aus Bulgarien, die in Kehl ansässig geworden sind. Niederlassen kann sich, wer arbeitet. Alle anderen EU-Bürger können das Johannes zufolge nur tun, wenn sie eine Krankenversicherung und ausreichend Geld besitzen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
5897 EU’ler
Insgesamt wohnten nach Rathaus-Angaben zum Stichtag 30. Juni 11.275 Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Kehl – rund 28 Prozent der Einwohnerschaft. 5897 Menschen davon sind EU-Bürger. Von den übrigen 5378 Personen mit nicht-deutschem Pass stammt die größte Gruppe mit 928 Personen aus der Türkei. Darauf folgen Flüchtlinge: In Kehl leben 682 Syrer sowie 677 Ukrainer. 859 Personen mit ausländischem Pass halten sich aufgrund familiärer Bindungen in Kehl auf: Die Ehepartnerin oder der Ehepartner sind deutscher Nationalität oder stammen aus einem EU-Land, beziehungsweise besitzen hier einen Aufenthaltstitel. Auch der deutsche Pass eines Kindes kann, sagt Johannes, ein Aufenthaltsrecht begründen.
1027 Menschen, die einen Fluchthintergrund haben, verfügen derzeit in Kehl über ein befristetes Aufenthaltsrecht. Bei 504 Personen ist dies der Fall, weil sie einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz haben oder studieren. 638 Personen sind im Besitz einer sogenannten Fiktionsbescheinigung. Das heißt, dass sie einen Antrag für einen Aufenthaltstitel gestellt haben. Diese Familien, Frauen oder Männer sind mit einem Visum eingereist und beantragen beim Kehler Ausländerbüro erstmals ein Aufenthaltsrecht oder die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis. Die Verwaltung nennt unter anderem US-Amerikaner oder Familienangehörige von EU-Bürgern als Beispiel, die ohne Visum einreisen und direkt bei der Ausländerbehörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einreichen können, weil sie kein Visum benötigen.
55 Personen leben derzeit mit einer Duldung in Kehl. „Duldung bedeutet, dass die Abschiebung ausgesetzt ist – dafür gibt es unterschiedliche Gründe“, stellt Johannes klar. In diesen Fällen wurde der Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rechtskräftig abgelehnt oder „die Ausländerbehörde hat die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt“.
Über das normale Tagesgeschäft hinaus ist die Kehler Ausländerbehörde auch mit Besonderheiten konfrontiert: So kommt es immer wieder vor, dass Menschen über den Rhein illegal in die Bundesrepublik einreisen. Werden sie von der Polizei bei Kontrollen erwischt, werden sie Johannes zufolge meist direkt wieder nach Frankreich zurückgeschickt. In den Fällen aber, in denen diese sogenannte Zurückschiebung von französischen Behörden abgelehnt wird, landen sie im Rathaus. „Wir müssen dann gegebenenfalls eine Rückkehrentscheidung treffen und aufenthaltsbeendende Maßnahmen einleiten.“ Weil das oft nicht am selben Tag geschehen kann, müssen die Menschen von der Stadt untergebracht werden.
Nicht selten passiert es jedoch, dass diese Personen sich nicht bei der Ausländerbehörde melden. Johannes und seine Mitarbeiter schreiben sie dann in den polizeilichen Fahndungssystemen bundesweit aus, bleiben aber für diese Personen zuständig. Das heißt: Wird ein solcher illegal in Deutschland lebender Ausländer irgendwo im Bundesgebiet aufgegriffen – und sei es Jahre später –, muss sich das Kehler Ausländerbüro wieder um ihn kümmern.
Der Rhein macht’s
Auch die internationale Schifffahrtsstraße Rhein beschäftigt das Kehl: Redereien können Menschen aus Nicht-EU-Staaten auf Flussschiffen nämlich nur dann beschäftigen, wenn sie einen gültigen Aufenthaltstitel haben. „Nur eine Handvoll Ausländerbehörden in der Bundesrepublik nimmt sich dieser Personengruppe überhaupt an“, bedauert Johannes. Dies führte dazu, dass das Ausländerbüro in den vergangenen Monaten mit Anfragen überflutet wurde, „dass wir die Reißleine ziehen mussten und keine Termine mehr an Binnenschiffer vergeben konnten“.
Für Johannes sei das eine schwere Entscheidung gewesen: „Finden die Schiffer keine Ausländerbehörde, die ihre Anträge bearbeitet, werden dringend benötigte Arbeitskräfte zur Ausreise aus der Bundesrepublik gezwungen.“ Hinzu komme, dass auch im Bereich Ausländerwesen Personal fehle und dringend gesucht wird, denn geeignete Bewerber seien schwer zu finden.