Kehler "Einstein": Bilingual und international ausgerichtet
Serie „125 Jahre Kehler Gymnasium“ (Folge 10): Zu den Besonderheiten des Einstein-Gymnasiums gehören der bilinguale deutsch-französische Zug und die Pflege zahlreicher Schulpartnerschaften und Austausche.
Jedes Gymnasium hat einen besonderen Zug, ob zum Beispiel einen altsprachlichen, einen Sport- oder Musikzug. Was liegt in Kehl näher, als die Sprache des Nachbarn verstärkt zu lernen? Der bilinguale deutsch-französische Zug des Einstein-Gymnasiums blickt auf eine lange Geschichte zurück. Jahrelang war nach der Wiedereröffnung des Gymnasiums 1953 zunächst Englisch die einzige erste Fremdsprache. Dem Geist des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags von 1963 entsprach jedoch der stärkere Austausch über den Rhein hinweg. Die Bemühungen um die Einführung eines Intensiv-Unterrichts im Fach Französisch waren schließlich von Erfolg gekrönt, sodass das Kehler Gymnasium als eines der ersten in Deutschland die Erlaubnis erhielt, Französisch als erste Fremdsprache anzubieten. Dadurch konnten im September 1969 zum ersten Mal 32 der 107 neuen Schülerinnen und Schüler den neuen Zug belegen.
Einer der Wegbereiter des intensiven Französisch-Unterrichts am Kehler Gymnasium war Max Klemm. Als Fachleiter für Französisch setzte sich der Lehrer für die Aussöhnung mit dem Nachbarn ein und initiierte den deutsch-französischen Schüleraustausch. Gleiches lässt sich von Französisch-Lehrer Alfons Rothmund sagen, der den Austausch mit Kehls Partnerstadt Montmorency in den Anfängen organisierte. Bis heute wird dieser von den Französisch-Lehrern am „Einstein“ gepflegt und mit Leben gefüllt. Auch langjährige Kontakte mit Straßburger Schulen wurden damals aufgebaut, wie sich der ehemalige Schulleiter Franz Bierhalter erinnert: „Die ersten Jahre der Partnerschaft mit Straßburger Gymnasien verliefen etwas zögerlich. Als die Presse in beiden Ländern und die Schulbehörde kooperierten, ging es aufwärts mit gegenseitigen Schulbesuchen, Klassenpartnerschaften, Familieneinladungen und mehr.“ So entstanden enge Beziehungen mit dem Collège Fustel de Coulange und dem Collège Kléber.
Eine neue Stufe für den bilingualen Zug in Kehl wurde schließlich auf der Basis des deutsch-französischen Staatsvertrags von 1994 gezündet: Seitdem können „Einsteiner“ neben ihrem Abitur zugleich das französische Baccalauréat erwerben. 2003 gingen die ersten Absolventen mit dem „AbiBac“ erfolgreich von der Schule. Neben dem intensivierten Französisch-Unterricht in allen Klassenstufen bestreiten die AbiBac-Kandidaten auch die Sachfächer Erdkunde, Geschichte und Gemeinschaftskunde erst schrittweise und ab der 10. Klasse sowie in der Kursstufe komplett auf Französisch.
Im Lauf der Jahrzehnte erweiterte das Einstein-Gymnasium sein Engagement zunehmend über Mitteleuropa hinaus. So empfingen und besuchten „Einsteiner“ zeitweise Jugendliche von Partnerschulen in Upminster (Essex), Guildford und Camberley (Surrey), Knutsford (Cheshire) und in Llandeilo (Wales). Und in jüngster Zeit fährt die komplette 8. Klassenstufe zum beliebten Educational Stay nach York. Begegnungen mit Gleichaltrigen aus den USA (Lindenhurst/New York und Tucson/Arizona) gab es in der Vergangenheit ebenso wie noch in jüngerer Zeit mit China und zuletzt Russland. Und Austauschprogramme und zahlreiche Schülerkontakte finden jedes Schuljahr mit Partnerschulen in Spanien, Finnland und Polen statt.
In einer Rückschau stellen wir einige Kultur-AGs der „Einstein“-Geschichte vor:
Albert Einsteins Herz schlug nicht nur für die Physik, als Violinist besaß er auch eine musische Ader. Ehrensache also, dass Kehls Gymnasiasten ihren festen Platz im künstlerischen Leben der Stadt haben.
Neben etlichen individuellen Talenten lassen seit Jahrzehnten die Ensembles des Hauses aufhorchen. Ein Schulorchester gab es schon spätestens in der Zeit zwischen den Weltkriegen, aus den 1950ern sind diverse Hausmusik-Abende belegt. Und 1961/62 wirkten bereits rund 100 Pennäler bei der großen Schüleroper „Mann im Mond“ unter Heinrich Wöhrlin in der Stadthalle mit. Taten sich die Musikgruppen bis dahin eher projektweise zusammen, so gründete Hansjürgen Hörnel Anfang der 70er den ständigen Schulchor, der sich später nach Unterstufe und Mittel-/Oberstufe auftrennte. Der Musiklehrer rief zudem 1976 die „Einstein“-Bigband ins Leben, die bis Mitte der 90er die Jazz- und Swing-Fans begeisterte – auch in der Öffentlichkeit, etwa beim Messdi oder der Fußgängerzonen-Eröffnung. Und speziell zu den Bigband-Rhythmen lieferte Anita Hecks legendäre Tanz-AG oftmals die passende Show.
Ebenfalls im Lauf der 70er entwickelte sich das Schulorchester zur festen Arbeitsgemeinschaft, über viele Jahre von Doris Laudinet geführt, heute unter Leitung von Andreas Dilles und Ellen Oertel nach Altersstufen aufgeteilt. Hinzu kamen in jüngerer Zeit die Streicher- und Bläserklassen in Kooperation mit Musikschule und Hanauer Musikverein sowie die Unterstufen-Musical-AG von Brigitte Klein. Neben den übers Jahr verteilten Aufführungen in kleinem und mittlerem Rahmen – darunter das Kammermusikkonzert – sind ein weihnachtliches Kirchen- sowie ein Sommerkonzert schon jahrzehntelang fester Bestandteil des „Einstein“-Kalenders. Darüber hinaus bereicherten immer wieder Großprojekte das Kulturprogramm der Stadt: Orffs „Carmina Burana“ sowie Mendelssohns „Elias“ und (auf der Gartenschau 2004) „Die erste Walpurgisnacht“ sind in klangvoller Erinnerung.
„Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus markierten die ersten Tage einer weiteren guten „Einstein“-Tradition: Unter der Regie von Paul Droll trat 1978 die Mittel- und Oberstufen-Theater-AG als Dauereinrichtung ins Rampenlicht. Seither bieten junge Schauspieltalente mindestens ein großes Werk pro Jahr – allein rund 20-mal geleitet von Hermann Hirner, seit zehn Jahren nun von Wolfgang Würthle.
Die Gruppe wagte sich gekonnt an so bekannte Stücke wie Brechts „Dreigroschenoper“, Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ oder Shakespeares „Romeo und Julia“, aber auch an Exoten – und führte besonders in jüngster Zeit auch eigene Werke mit großem Erfolg auf, wobei nach vielen Jahren im Schulhaus nunmehr wieder die Stadthalle den Rahmen bildet.
Seit dem Jahr 1997 steht der „großen“ Theater-AG des Einstein-Gymnasiums ein Unterstufen-Pendant zur Seite; ein Höhepunkt in der Ära der heutigen Leiterin Christine May war Oscar Wildes „Gespenst von Canterville“ 2013. Nicht zuletzt bot im Schuljahr 2018/19 erstmals eine neue Mittelstufen-Theater-AG ein Stück aus eigener Feder dar.
QUELLEN ZUR SERIE (neben den zitierten Personen): Stadtarchiv Kehl; Archiv Kehler Zeitung; Jahrbücher des Einstein-Gymnasiums; Festschrift „1895–1995: 100 Jahre Höhere Schule in Kehl“; Fritz Godenschwege: Chronik „Von der Höheren Bürgerschule zum Einstein-Gymnasium“; Ute Scherb: „Im Zeichen der Vereinigung – Kehl im deutschen Kaiserreich“; Jürgen Wienands, Universität Göttingen.
Einsteiner im TV
„Auf die Gass – und Spaß!“, ertönte das Kommando – und nun galt es, ein überlebensgroßes Europa-Puzzle möglichst flink zusammenzubauen. Wenngleich der „Einstein“-Politik-Leistungskurs dabei knapp der Konkurrenz aus Linz am Rhein unterlag: Die Zwölftklässler und Hunderte weitere Kehler hatten ihren „Spaß auf der Gass“, oder besser: auf dem Kehler Marktplatz, als hier im Juli 1996 das gleichnamige Städtespiel des Südwest-Fernsehens stieg – vor geschätzt einer Million Zuschauern am Bildschirm, die Kehl am Ende doch siegen sahen.
Der große Wettkampf, bei dem auch noch andere „Einsteiner“ in Aktion traten, war nicht die erste TV-Bühne hiesiger Gymnasiasten. Schon 1965 zeigten drei junge Kehler im Südwestfunk-Schülerquiz „Die sechs Siebeng’scheiten“, was sie draufhatten: Bei Fragen etwa zu Gift- und Edelpilzen, Radiotechnik oder den Bestandteilen von Rohöl mussten sich Elke Herrel, Wolfgang Brosius und Arno Haiß nur knapp mit 31:32 Punkten den Rivalen aus Lörrach geschlagen geben.
„Gymnasium Kehl on TV“ hieß es auch schon viele weitere Male. 1962 begleitete ein Team des Süddeutschen Rundfunks die Oper „Mann im Mond“ für die „Abendschau“; der Film ist noch heute in der ARD-Mediathek im Internet zu sehen. Die Theater-AG durfte zur Europawahl 1979 einen Sketch in Südwest 3 aufführen, fünf Jahre später bekundeten „Einstein“-Schüler in der „Abendschau auf Achse“ ihre Vorstellungen von Europa. Bei der Radio-Livesendung „Alsace Matin“ des Programms France Inter machten 1977 unter anderem Schulorchester und Bigband von sich hören. Und heutzutage ist das Magazin „Journal Junior“ des TV-Senders Arte quasi Stammgast im „Einstein“, sammelt regelmäßig Schülerfragen zu einem bestimmten Thema; das bisherige Spektrum reichte von Demokratie bis zu Obdachlosigkeit. ag