Kehler Störche sind am Brüten
So mancher Hausbewohner hat vorübergehend neue Nachbarn: Die Störche sind wieder da und brüten in ihren Nestern. Am 20. April sollen laut Schätzungen von Gérard Mercier, Vorsitzender vom Naturschutzbund (Nabu) Kehl, die ersten Jungvögel schlüpfen.
Er ist zurück und lässt sich meist auf Wiesen und Feldern, in der Luft oder hoch oben in seinem Nest blicken: der Klapperstorch. Ende Januar ist er aus dem Süden zurückgekehrt und zurzeit vor allem mit dem Brüten beschäftigt – so auch im Hanauerland. Laut dem Naturschutzbund (Nabu) beherbergten die Gemeinden Kehl, Willstätt und Rheinau 2017 64 Storchenpaare. Für dieses Jahr steht die genaue Zahl noch nicht fest. Gérard Mercier, Nabu-Vorsitzender in Kehl, geht aber davon aus, dass es mindestens genauso viele werden. 20 Horste hat Mercier allein in Kehl gezählt. Mit fünf Horsten ist Sundheim aktuell Spitzenreiter. Der Horstbau ist allerdings noch nicht zu Ende. Theoretisch haben die Störche bis Anfang Juni Zeit, um ein Nest zu bauen – oder ein fremdes Nest zu erobern.
Vom Aussterben bedroht
Am 20. April sollen laut Mercier die ersten Jungvögel schlüpfen. Damit der Storchenbestand im Hanauerland konstant bleibt, sollten im Schnitt aus jedem Nest zwei neue Störche hervorgehen. Die Zahl der Störche im Raum Kehl sei seit vielen Jahren auf einem guten Niveau, so Mercier. Das war jedoch nicht immer so. 1981 gab es nur ein Storchenpaar, sodass die Regierung eingreiffen musste und gemeinsam mit dem Naturschutzbund weitere Störche züchtete. Seither hat sich der Bestand kontinuierlich erholt. Dafür hat nun der Nordosten mit schwindenen Storchenzahlen zu kämpfen, fährt Mercier fort: »Gespritzte Felder und Wiesen, wie sie dort oftmals vorkommen, führen dazu, dass der Storch nichts zu fressen findet und quasi auswandert.«
Global betrachtet, ist die Zahl der Storche in Deutschland nicht stabil, weswegen das Tier auch als geschützt gilt. Das kann auch zum Problem werden, denn am liebsten baut der Storch sein Nest in menschlichen Siedlungen. Das hat zwei Gründe: Zum einen bieten hohe Nistplätze wie Dächer und Schornsteine Schutz. Zum anderen sorgen die Gebäude und Straßen für warme Luft, die dem Storch den nötigen Aufwind zum Fliegen geben. Er ist nämlich ein Segler, was bedeutet, er kann nur begrenzt durch den eigenen Flügelschlag vorankommen.
Was aber, wenn das Nest die Bewohner stört? »Man darf ein Nest nur mit Genehmigung vom Regierungspräsidium Freiburg entfernen, und auch nur solange gebaut wird«, betont Gérard Mercier, der sich schon seit mehr als 35 Jahren um Störche kümmert. Mit dem Entfernen allein ist es jedoch nicht getan. Die Störche sind ihrem Nest treu: Ganz gleich wie oft man es zerstört, sie kehren zurück und fangen von vorne an. »Darum ist es wichtig, ihm einen Ersatz in unmittelbarer Nähe zu bieten«, sagt Mercier. Dafür verantwortlich sei der Hausbesitzer. Die Gemeinde biete jedoch oft Unterstützung, kümmere sich um einen Ausweichplatz und trage dann auch die Kosten dafür.
»Früher war der Klapperstorch ein Prestige-Vogel. Inzwischen wird er als lästig empfunden, vor allem wegen des herabfallenden Kots«, so Mercier. Beschwerden gibt es einige, wie etwa aus Willstätt, wo der Vogelkot an der Kirche »unerträglich« sei, oder in Sand, wo so manche Dachrinne mit Kot verstopft ist.
»Die Storchenanzahl lässt sich nicht reduzieren. Dazu müsste man sie schon töten – aber das ist per Gesetz verboten.« Als Lösung könne man nach Auffassung von Mercier das Nest versetzen lassen, ein Dach als Schutz vor Kot anbringen oder während der sechs Monate, in denen die Tiere bei uns sind, die Zähne zusammenbeißen. Im August geht es für die Zugvögel nämlich Richtung Süden.
Stichwort
Beim Horstbau ist in den meisten Fällen das Männchen federführend. Welches Weibchen sich dazu gesellen darf, machen diese untereinander in einem Kampf aus. Manchmal ist auch das Weibchen zuerst am Nest, und heißt einen neuen Mann willkommen. Doch das bedeuet Ärger: Sobald der eigentliche »Herr im Hause« zurückkehrt, verjagt er den ungebetenen Gast, bestraft das Weibchen und zerstört je nach Laune sogar die eigenen Eier. Davon werden im Schnitt fünf gelegt, und zwar nacheinander, innerhalb von zehn bis zwölf Tagen. 33 Tage lang wird gebrütet, im Wechsel zwischen Herr und Frau Storch. Von den geschlüpften Jungtieren überleben nicht alle. Nur die, die kalten Temperaturen trotzen und mal mit weniger Futter auskommen, überleben. Übrig bleiben drei bis vier Vögel. Manchmal sterben auch alle. Dann verlassen die Eltern das Nest, attackieren ein anderes, vernichten dort die Eier und legen neue. Nach acht Wochen verlassen die Jungen das Nest und bilden später Trupps, mit denen sie vor Wintereinbruch in den Süden fliegen – allerdings ohne die Eltern.