Marlener Prunksitzung mit Märchen und Wahrheiten
Fünf Stunden lang präsentierte die »Narrhalla Nelram« den Besuchern der ersten Prunksitzung am Freitag »Nelrams Narrenmärchen«.
Schon der Auftakt der Prunksitzung der »Narrhalla Nelram« geriet märchenhaft schön: Die Elferräte hatten sich in historische Kostüme geworfen und tanzten ein höfisches Menuett, bevor sie dann von einer hereinplatzenden Hexe auf ihre Plätze geführt wurden. Märchen handeln von absonderlichen Begebenheiten, so »Narrhalla«-Präsident Rainer Schäfer zu Beginn – und am Schluss siegt immer das Gute. Ein Stoff wie gemacht also für echte Narren.
Vor allem die Garden nahmen in ihren Show-Tänzen das Thema auf. Die Frauengarde ließ im »Märchenwald« den »gestiefelten Kater« oder »Frau Holle« lebendig werden. Die Prinzengarde nahm sich den »Froschkönig« vor, die Bürgerwehr erzählte tanzend ihre ganz eigene »Rotkäppchen«-Version. Die »Nelram 6-Zylinder« spielten Lieder über die vier tierischen Hauptdarsteller der »Bremer Stadtmusikanten«. Die Hanfhechler nahmen sich »Schneewittchen« vor und ließen das Geschehen von Schlagern von Wencke Myrhe oder der EAV (»Märchenprinz«) kommentieren.
A propos »Märchenprinz«: Als solcher trat Paul Polta auf. Der 14-Jährige saß schon mit fünf Jahren im Elferrat der Kinderprunksitzung; später marschierte er mit der Bürgerwehr auf Umzügen – und diese Jungnarren-Karriere ließ er nun in seinem Bütten-Debüt bei den »Großen«Revue passieren. Vielleicht der Beginn einer märchenhaften Narren-Karriere?
Die haben Gudrun Kruß und Silvia Boschert längst angetreten. Kruß gab die Gattin eines frisch gebackenen Pensionärs, der dessen ständige Präsenz gehörig auf den Geist geht – etwa wenn er sich entschließt, das Hochzeitsbild zwischen die Hirschgeweih-Sammlung des Opas zu hängen – Begründung: Das sei »der einzige Bock, den er selbst geschossen hat«. Und zusammen mit Boschert zogen sie zuerst übereinander und nach einer sektreichen Versöhnung über verschiedene Damen aus dem Kegelclub her. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind selbstverständlich rein zufällig.
Das genaue Gegenteil gilt für Rainer und Matthias Schäfer. Sie spießen die Missgeschicke ihrer Mitmenschen auf – etwa den schönen neuen Wagen der Willstätter Hexen, der nur das Problem hat, dass er nicht mehr in deren Fahrzeughalle passt, die Kittersburger Weiber, die sich bei ihrem Portugal-Trip beim Brötchenholen verirren, oder vom Hund des Marlener Zahnarztes, der ein Wollschweingehege inspizieren wollte und dabei einen vom elektrisch geladenen Weidezaun »gewischt« bekommt.
Das Narrenprächen Eckart und Marleen mokierte sich unter anderem über die langen Wartezeiten vor den Bauampeln während des Umbaus der Ortsdurchfahrten – ein Thema, das auch die »Schwarzmännle« aufnahmen, die diesmal als Bauarbeiter auftraten. Vor allem Tempo 30 ging ihnen auf den Keks: Da kann man ja noch beim Autofahren Selfies schießen. Und wenn dann erst noch die Tram kommt, dann sei man von Kehl schneller in Straßburg »als mit dem Auto durch Marlen und Goldschier«.
Und auch das Unikum aus der Bohnegass ließ sich keine Märchen aufbinden – zumindest nicht bei der »Theogermie«. Zu Beginn saß er auf seinem Uralt-Donnerbalken im Garten, als ein durch die Bohrungen verursachtes Erdbeben die Bretterbude in ihre Einzelteile zerlegte. Da müsse man gut versichert sein, meinte er: »Nur dann, wenn ihr guet versichert sin für alle Fälle, könne se bohre wie se welle.« Aber die passende Versicherung finden ist gar nicht so einfach. Im Folgenden berichtete er unter anderem über ein spezielles »Schneewittchen«-Erlebnis als Jugendlicher beim Blick in den Spiegel oder von der Pipi-Probe bei der Musterung. Doch egal – allein schon sein Talent, Grimassen zu schneiden, macht ihn urkomisch.
Man nehme noch ein schwungvolles Tanzmariechen Anabel Grunwald und die Schunkellieder vom »Trio Lustig« um Pia Marzluf – und fertig war ein gelungenes Programm, das erst nach Mitternacht mit einer Polonaise durch den ganzen Saal endete.